Tag der deutschen Einheit in Hamburg: Deutschland darf nicht scheiße sein
Zur diesjährigen Einheitsfeier in Hamburg soll es auch einen Gegenprotest geben. Die Behörden schritten bereits wegen des Mottos ein.
Die Polizei habe sich an die Staatsanwaltschaft gewandt, erklärt die Person – die Ermittler*innen sähen in der Parole den Straftatbestand der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (siehe Kasten) erfüllt.
Die Polizei bestätigt das gegenüber der taz: „Aufgrund des Tenors wurde mit dem Staatsschutz der Polizei Hamburg und der zuständigen Staatsanwaltschaft Rücksprache gehalten und geprüft, ob es sich hierbei um eine strafbare Aussage handeln könnte“, erklärt ein Sprecher der Polizei.
„Dieses wurde dahingehend bejaht, sollte dieser Ausspruch öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts verwendet werden.“ Dann würde es sich um jene Verunglimpfung handeln. Weiter erklärt der Sprecher der Polizei, die Einschätzung sei den Demoanmelder*innen mitgeteilt worden.
Organisator*innen verweisen auf Rechtsprechung
Die Mitteilung nahm das Organisationsteam für die Vorabdemonstrationen am 2. Oktober gelassen hin. Statt sich in einem Rechtsstreit zu verstricken, änderte es einfach das Motto. Unter dem Slogan „Deutschland? Es gibt nix zu feiern“ startet nun die Demonstration am Hauptbahnhof gegen 19 Uhr. „Wir wollten nicht, dass das Plakatieren und Bewerben der Demonstration sogleich zu strafrechtlichen Ermittlungen führt“, erklärt die Person aus dem Team.
Doch ob die Einschätzung von Polizei und Staatsanwaltschaft richtig ist, bezweifeln die Demoanmelder*innen – und weisen auf die vergangene Rechtsprechung hin. In Berlin sei jüngst „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße!“ als nicht strafrelevant betrachtet worden. Auch schon 2015 hatte die Polizei in Berlin wegen dieser Parole auf einem Transparent ermittelt. Die Staatsanwaltschaft stellte bei der erbetenen Würdigung daraufhin aber auch keinen Straftatbestand fest.
Einen Rechtsstreit, den es später eventuell gewinnen würde, wollte das Organisationsteam allerdings auch nicht führen, weil solche Rechtsstreitigkeiten erst viel später enden und gegenwärtig viel Aufwand bedeuten.
Im Aufruf ist das Orga-Team aber deutlich: „Mit Bier, Party und guter Laune soll auf den Staat und seine Volksgemeinschaft angestoßen werden. Egal, wie das Motto lautet oder wo die ‚Feierlichkeiten‘ abgehalten werden, es gibt am Tag der Deutschen Einheit nix zu feiern.“
Kein Grund zum Feiern
Der Feiertag würde sich seit „der Annexion der DDR in das kapitalistische System der Bundesrepublik“ als das ausmachen, was es sei: „ein großes Stück Scheiße“. Die Wiedervereinigung mit dem einhergehenden „Rechtsruck der 1990er Jahre“ habe schließlich den Boden für die fortschreitende „autoritäre Formierung in Deutschland“ gelegt. Dieser Boden habe auch zu den „rassistischen Taten des NSU“, dem Aufkommen der AfD und dem sich etablierende Rassismus in der Mitte der Gesellschaft beigetragen, heißt es weiter.
Die anstehende Demonstration ist eingebettet in eine bereits laufende Veranstaltungsreihe zu „Deutschland, Rechtsruck und antifaschistische Perspektive“. In der Reihe referierten etwa Felix Krebs vom Hamburger „Bündnis gegen Rechts“ und Florian Schubert, Ausstellungsmitgestalter von „Tatort Stadion“ über die Baseballschlägerjahre in der Hansestadt.
Max Czollek las erst am Dienstag zum „Versöhnungstheater“, eine „Wiedergutwerdung ohne Wiedergutmachung“. Und über 7.000 Menschen kamen Anfang September zu dem Konzert von Danger Dan vor der Roten Flora. Im Oktober ist noch eine Lesung „Erinnern stören“ mit Lydia Lierke und Massimo Perinelli geplant, die Geschichten ehemaliger Gastarbeiter*innen und von Geflüchteten vortragen.
Die Hamburger Innenstadt sowie die Hafencity mit der Elbphilharmonie sind während der Feiertage Hochsicherheitszonen. Bundeskanzler Olaf Scholz kommt, ebenso hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) angekündigt. Weitere Gäste aus Politik und Gesellschaft und Hunderttausende Bürger:innen werden erwartet. Die Elbphilharmonie, in deren Hotel die Ministerpräsidenten schlafen sollen, der Michel und das Maritime Museum schützt die Polizei ebenso besonders.
Zehn Hundertschaften aus Hamburg und 14 aus anderen Bundesländern werden dafür im Einsatz sein. Bundespolizei und Spezialeinheiten stehen bereit. „Es wird nicht im Ansatz so wie damals beim G20-Gipfel“, sagte unlängst eine Polizeisprecherin.
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