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TV-Krimi „Nix für Angsthasen“Wer braucht Münster-„Tatorte“, wenn es „München Mord“ gibt?

Nach über zehn Jahren schaut unsere Autorin auch „München Mord“. Die Serie rutscht ins Absurde, ohne zu nerven und überzeugt: vom Dialog bis zum Schnitt.

„Nix für Angsthasen“: Die Kom­mis­sa­r:in­nen Harald Neuhauser, Ludwig Schaller und Angelika Flierl Foto: Jürgen Olczyk

Die Sache ist die: Wenn man traditionell streng programmiert ist auf die Sonntagabendkrimis für diese wöchtenlichen Rezensionen, also „Tatort“, „Polizeiruf 110“, die üblichen Verdächtigen, fallen andere – speziell jene am Wochenende – halt gerne mal hinten runter.

Die Krimireihe „München Mord“ im ZDF zum Beispiel. Und das, obwohl die Serie nun schon in Folge 10 der 2. Staffel angekommen ist. Bisher noch nie gesehen, ehrlich gesagt, aber mei. Um den ignoranten Eindruck zurechtzurücken: Die Serie läuft zwar wirklich – huch! – seit dem Jahr 2014, aber eben nur zwei Episoden im Jahr. Kann also passieren. Der Lackmustest in solchen Fällen: Funktioniert eine Folge auch so, ganz ohne Vorkenntnisse?

Diese hier absolut. Und zwar auf ganzer Linie.

Der Tonfall der Truppe ist von Anfang an beson­ders: Immer leicht ins Absurde rutschend, ohne dass es irgendwie nervt

Nicht nur, weil’s in „Nix für Angsthasen“ um einen herrlich rätselhaften Fall geht. Auf den ersten Blick sieht alles aus wie Herzinfarkt. Dazu stellt sich peu à peu heraus, dass das Opfer Christoph Bojanski ein Doppelleben führte. Mindestens. Zwischen Versicherungsbüro, Briefkastenadresse mitten im Wald, mehreren Phobien und Frauen. Vor Jahren hat er einen Kiosküberfall vereitelt, der Verbrecher wurde verurteilt, nun ist er frisch entlassen, tags darauf ist Bojanski tot.

Drum also: wirklich nur ein Herzinfarkt?

Könnte drum auch nur an der Episode liegen, aber: Der Tonfall der „München Mord“-Truppe ist von Anfang an klar erkennbar besonders. Immer leicht ins Absurde rutschend, ohne dass es irgendwie nervt, dazu eine stabil nüchterne Komik, von den Dialogen über die Kameraeinstellungen bis zum Schnitt.

Vermutlich gelingt diese Wiedererkenn­barkeit vor allem dank des hervorragenden Spiels von Hochkarätern wie Bernadette Heerwagen als Angelika „Fräulln“ Flierl, Marcus Mittermaier als Harald Neuhauser, Alexander Held als Ludwig Schaller, also das Ermittlungsteam.

Ein gutes Indiz, dass solche Provinzkrimiserien wirklich taugen, neben jenen Hauptrollen, sind diejenigen, die die Nebenfiguren spielen. Dieses Mal etwa Eli Wasserscheid (Wanda Goldwasser im Franken-„Tatort“), Sebastian Bezzel (Ex-Konstanz-„Tatort“, jetzt Franz Eberhofer in den Rita-Falk-Verfilmungen, „Rehgulasch Rendezvous“ von 2023 läuft übrigens hierzu parallel im BR). Und allein in der vorigen Folge – ja, ich habe gleich nebenher mal weitergeschaut, so sympathisch gut ist die Chose – waren Thomas Schmauser, Christian Erdmann, Sina Wilke mit dabei, kennen Sie alle, wenn Sie sie sehen, häufig auch in „Tatorten“ und anderen bekannten Krimis besetzt, sie spielen super, allesamt.

Buch und Regie hat Matthias Kiefersauer übernommen, in den vorigen Episoden wie in der aktuellen, die Kontinuität funktioniert. Übrigens wie in jener anderen ZDF-Provinzkrimiserie, die am anderen Ende der Republik spielt, auf Sylt: „Nord Nord Mord“, auch so ein glänzender Geheimtipp.

Der Krimi

München Mord, „Nix für Angsthasen“: Staffel 2, Folge 10, Sa., 18. Januar 2025 um 20.15 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek. Weitere vereinzelte Episoden in der Mediathek.

Aber wie soll man nicht schachmatt vor einem TV-Krimi liegen, wenn die Oberkommissarin mit der lässigsten Selbstverständlichkeit sagt, sie sei ja eben aus Trudering, „der gefährlichste Stadtteil Münchens. Trudering ist das Gegenteil von Angst“. Und ihre Band heißt „Fleischplanet“.

Wer braucht schon Münster-„Tatorte“, wenn es „München Mord“ gibt, Leute.

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