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Syrische Geflüchtete in DeutschlandAsylrecht und Ordnungsrufe

Die Bundesregierung will vorerst nicht nach Syrien abschieben und mahnt zur Besonnenheit in der Debatte um Abschiebungen.

Erstmal kommt der Weihnachtsmann: Tausende Menschen feiern in Berlin den Sturz des Assad-Regimes Foto: Julius Christian Schreiner/dpa

Berlin taz | Während sich in Syrien die Ereignisse überschlagen, übt sich die Bundesregierung vor allem in einem: Abwarten. Der Sturz der Assad-Diktatur sei zwar eine gute Nachricht für das syrische Volk, bekräftigte Regierungssprecherin Christiane Hoffmann in Berlin, aber die Lage bleibe unübersichtlich. Die Bundesregierung beobachte vor allem, ob die neuen Machthaber den Schutz von Minderheiten gewährleisten würden. Es gelte, Recht und Ordnung im Land wiederherzustellen.

Wegen der unübersichtlichen Situation will das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Entscheidung über Asylanträge syrischer Staats­bür­ge­r*in­nen vorerst aussetzen. Die ungewisse Lage hinderte Uni­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen jedoch nicht daran, über Rückkehrmöglichkeiten zu spekulieren. CSU-Chef Markus Söder sagte am Montag, man müsse jetzt eruieren, wann und wie Flüchtlinge zurückkehren könnten. Jens Spahn, Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, forderte Anreize für die Rückkehr: „Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurück will nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro.“

Wer regiert Syrien?

In Damaskus soll der Chef der bisher in der Rebellenhochburg Idlib amtierenden Regierung der HTS-Rebellen „Syria Salvation Government“ (SSG) eine Übergangsregierung bilden. SSG-Premierminister Mohammed al-Bashir führte am Montag in der Hauptstadt Gespräche mit dem letzten Premierminister des gestürzten Diktators Assad, Mohammed al-Jalali, über eine Übergabe der Ministerien. (taz)

In Nordsyrien hat die protürkische „Syrische Nationalarmee“ (SNA) nach türkischen TV-Berichten die Gebiete westlich des Euphrats von kurdischen YPG-Milizen „gesäubert“. TV-Bilder vom Montagmittag zeigen SNA-Milizen in der frisch eroberten Stadt Manbidsch. Der türkische Außenminister Hakan Fidan erklärte in einer Rede vor diplomatischem Personal, die Türkei unterstütze den Übergang in Syrien zu einer neuen zivilen Regierung mit allen Kräften, aber „Terroristen der PKK und der YPG“ dürften im neuen Syrien keine Rolle spielen. Bericht auf taz.de

Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte diese Spekulationen unseriös. Es sei richtig, dass das Bamf in der unübersichtlichen Lage einen Entscheidungsstopp für die laufenden Asylverfahren verhängt habe. Ungefähr 47.000 Anträge werden damit zunächst nicht weiterbearbeitet. Amnesty International kritisierte die Maßnahme: „Schutzsuchende dürfen nicht mit Unsicherheit und Perspektivlosigkeit alleingelassen werden“

Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken kritisierte die Diskussion über Rückkehrmaßnahmen mit deutlichen Worten: „Alle, die jetzt anfangen, über Abschiebungen nach Syrien zu reden, sind einfach nur verkommene Drecksäcke.“ Ebenso äußerten Teile der Grünen scharfe Kritik an den Forderungen aus der Union: „Damit wird der gesellschaftliche Zusammenhalt zerstört und die Menschen werden in Unsicherheit gedrängt“, sagt etwa der Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke.

Die Situation in Syrien ist unübersichtlich

Allerdings ist der Umgang mit dem Thema in der Partei nicht ganz einheitlich. Grünen-Chefin Franziska Brantner formulierte vorsichtiger: „Die Situation ist unübersichtlich und man beobachtet jetzt entsprechend, um über die nächsten Schritte zu entscheiden“, sagte sie, versehen mit dem „Hinweis an den Kollegen Spahn, dass es noch Kampfhandlungen im Land gibt“. Offensichtlich ein Versuch, eine harte Auseinandersetzung zum Thema zu umgehen und die Migrationspolitik nicht zum dominierenden Wahlkampfthema zu machen. Schon vor dem Parteitag im November war innerhalb der Grünen umstritten, ob man Abschiebungen nach Syrien explizit ablehnen soll. Als Kompromiss stand am Ende die Formulierung, dass sich „Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete verbieten“ würden.

Nach Auskunft des Innenministerierums leben knapp eine Million Syrerinnen und Syrer in Deutschland (974.136), die Mehrzahl davon genießt einen Schutzstatus als Flüchtling. Rund 10.000 von ihnen sind ausreisepflichtig, wobei 8.960 davon über eine Duldung verfügen. Unmittelbar ausreisepflichtig sind 1.000 Personen, also 0,1 Prozent aller hier lebenden Syrerinnen und Syrer.

Die Bundesregierung erwägt auch, ob und wie der gesellschaftliche Neuanfang Syriens mit Mitteln des Entwicklungsministeriums unterstützt werden kann. Das hänge davon ab, ob die neuen Herrscher zu ihren Zusagen stehen, dass alle Sy­re­r*in­nen in Frieden und Freiheit und unter Wahrung ihrer Rechte in Syrien leben können.

Ausreisepflichtig sind 1.000 Sy­re­r:in­nen

Seit der gewaltsamen Niederschlagung friedlicher Proteste im Jahr 2011 durch die Regierung Assad ist die bilaterale Zusammenarbeit mit Syrien ausgesetzt. Dennoch habe Deutschland die syrische Bevölkerung in allen Landesteilen weiter unterstützt, heißt es aus dem Entwicklungsministerium auf Anfrage der taz. „Diese Unterstützung erfolgte ohne Zusammenarbeit mit der Assad-Regierung oder anderen De-facto-Autoritäten“ über Nichtregierungsorganisationen wie Save the Children oder UN-Hilfswerke.

Allein in diesem Jahr stellt das BMZ demnach rund 124 Millionen Euro bereit. Geld, das nach Auskunft des Ministeriums etwa in die Wiederherstellung von Trinkwassernetzen in Aleppo fließt oder zur Reparatur und Ausstattung von Schulen. In Idlib unterstützt das BMZ den Betrieb von Krankenhäusern und Rettungsinfrastruktur.

Insgesamt sind seit Beginn des Bürgerkrieges rund 10 Milliar­den Euro in die Region geflossen, ein Großteil auch zur Versorgung der Geflüchteten im Inland und in den Nachbarländern.

Die Hälfte der syrischen Bevölkerung ist laut UN-Angaben auf der Flucht, allein die Türkei hat rund 3 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Auch im Libanon und in Jordanien haben viele Sy­re­r*in­nen Zuflucht gefunden.

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24 Kommentare

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  • Für so manchen ist eine Rückkehr eines Syriers nach Syrien bereits eine Abschiebung. Durch Deutschland werden daher wohl jene Flüchtling, die sich nun am Aufbau eines besseren Syriens beteiligen wollen, wohl nicht mit kostenlose Flüge oder Geld unterstützt. Ich fand den Vorschlags Spahn daher sehr gut, er beruhte auf Freiwilligkeit. Schade dass das nicht möglich ist.

  • Der Bundesregierung scheint entgangen zu sein dass in den letzten 2 Monaten etwa 400.000 Syrer aus dem Libanon nach Syrien geflüchtet sind, weil es dort sicher ist. Selektive Wahrnehmung halt, we so oft.

    • @Gerald Müller:

      In Syrien war es in den letzten zwei Monaten sicher, soso. Warum sucht man dann jetzt noch in den Gefängnissen nach überlebenden politischen Gefangenen? Die hätten doch längst daheim sein müssen. Und was im Libanon abging, ist auch irgendwie an Ihnen vorbeigelaufen?

      • @dtx:

        Da es in Syrien bis vor kurzem dafür keine offenen Kriegshandlungen mehr gab, dürfte das stimmen.

        Politisch musste man halt den Mund halten.

  • Rückführung ist momentan wirklich nicht das Thema.

    Aber es zeigt, wie wirksam Friedrich Merz die Deutschen auf seine Das-Boot-ist-voll-Logik eingeschworen hat.

    Tatsächlich ist THS und Verbündete kritisch zu sehen. Sie kommen vom Jihadismus, aus der radikalen Islamistenszene und waren für Moderation nicht bekannt, kurz sie könnten jetzt schlicht Kreide gefressen haben.

    Insofern bin ich nicht optimistisch, dass sie in Damaskus lieb werden.

    Überhaupt hat Syrien mehrere große Probleme Nahrung, Wohnungen, Infrastruktur, Kredite, Fachkräfte, umfangreiche Korruption , Benzinmangel und eine kaputte Infrastruktur, dazu desertierte Soldaten und Polizisten/Beamte.

    Ob die THS das in den Griff bekommt?

    Die Gebäude des Präsidialamtes und des Geheimdienstes sind geplündert und arg beschädigt worden. THS hat diese Orte nicht geschützt. Das war kein guter Anfang. Hoffentlich wird es besser.

    • @Andreas_2020:

      Zitat: "Die Gebäude des Präsidialamtes und des Geheimdienstes sind geplündert und arg beschädigt worden. THS hat diese Orte nicht geschützt. Das war kein guter Anfang. Hoffentlich wird es besser."

      Hm, und? Auch im Osten Deutschlands hat man erst später gemerkt, daß es eine dumme Idee war, die Stasi-Akten durcheinander zu werfen. Da stellt sich eben immer wieder die Frage, wer den Zorn der Massen auf sich ziehen soll, solange die denken, man wolle den Geheimdienstlern die Haut und den Assads die Besitztümer retten.

  • Linken Chef Jan van Aken hat bereits die passende Antwort auf die Abschiebedebatte gegeben:

    "verkommene Drecksäcke"

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

    • @Sam Spade:

      anschließe mich

    • @Sam Spade:

      Es hat ja seinen Grund, dass die Linke keine Wähler mehr hat.

      "Verkommene Drecksäcke" ist auch nur Populismus.

      • @rero:

        Ach was! ©️ Vagel Bülow

        Mit Logik & Kausaltät - hamses neben ehrem Populismus nich so -wa!

        kurz - Auf nen groben Klotz wie Söder gehört halt ein grober Keil! Woll



        Das geht so schon in Ordnung •

      • @rero:

        Aber so treffend...

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Wenn Sie und ich das am Stammtisch sagen, ist das ja auch völlig in Ordnung. :-)

          Nur wählen tue ich so jemanden nicht.

          Selbst wenn er das Gleiche sagt wie ich.

          Also ich zumindest nicht.

      • @rero:

        Mag sein, doch dieser Populismus trifft den Nagel auf den Kopf - der ohnehin leer ist....

  • Die Union hätte auch positives ausdrücken können darüber, dass ein Diktator vertrieben wurde. Oder die Hoffnung, dass neue Machthaber Stabilität und Menschenrechte zurückbringen. Angebote, Syrien beim Neuanfang zu unterstützen, wenn diese das wollen. Nein, sie meinen, jetzt könnten ja die Flüchtlinge zurück.

    • @Ciro:

      Die Union stellt bald den Bundeskanzler, eine rechtsextreme Kampagne hat sich sehr ausgezahlt und das hier ist eben die Vorlage für die Union, die Regierung vorzuführen. Leider. Die Langzeitfolgen dieser Kampagne sind mehr AfD, mehr Neonazis und mehr Rechte Gewalt

  • „Alle, die jetzt anfangen, über Abschiebungen nach Syrien zu reden, sind einfach nur verkommene Drecksäcke.“

    Besser kann man es nicht ausdrücken.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Hm, nehmen wir mal an, man wollte es weniger ordinär ausdrücken: 1.000 ausreisepflichtige Syrer abzüglich derer, bei denen Abschiebehindernisse bestehen, das würde durchschnittlich keinen ganzen Reisebus pro Bundesland füllen. Wie nennt man Leute, die deswegen so ein Faß aufmachen? Noch dazu unter der Maßgabe, daß stets zuerst die abgeschoben würden, die am besten integriert sind, weil man derer am Leichtesten habhaft werden kann? www.aerztezeitung....eissen-455079.html

  • Die Türen zu den Folterkellern in den syrischen Schlachthöfen waren noch nicht aufgebrochen, da setzte in Deutschland eine Debatte ein, die den abgrundtiefen Rassismus dieses Landes aufzeigt: Für den Deutschen ist ein Syrer kein Mensch, der sich freut oder leidet. Er ist bestenfalls ein Gegenstand, den man von weitem betrachtet und seiner technokratischen Vernunft unterwirft.

    • @David Kind:

      Das ergibt sich nicht ohne weiteres.

      Müssten Sie erklären.

      Ein Vergleich mit der Türkei, wo sich Erdoğan und viele Türken ja auch freuen, wenn die Syrer wieder gehen, wäre da interessant.



      Ist das dort auch abgrundtiefer Rassismus?

      Und einer mit dem Krieg in der Ukraine. Vielen Pazifisten, die eine Einigung mit Russland fordern, ist das Leid der Ukrainer ja auch egal.



      Hauptsache, man hat billiges Gas.

      Technokratische Vernuft ist als Vorwurf an Migrationskritiker derzeit recht selten.



      Meist wird die Emotionalisierung kritisiert.

  • Das überhaupt nach Syrien abgeschoben wurde ist schon mehr als kritisch zu betrachten.

    Wenn man von der Folter, den Morden, den Verschleppungen hört, alles mit Sicherheit der Bundesregierung schon lange bekannt. Und SPD und Grüne haben sich unendlich schuldig gemacht und sich dem Druck der Rechten Lager gebeugt.

    Nie wieder wird Grün meine Stimme bekommen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass viele andere ehemalige Wähler der Grünen mindestens genauso enttäuscht sind.

    Die Grünen sind nicht die einzigen die für Klimaschutz stark machen, den sie im übrigen schon lange nicht mehr umsetzen. Nichts mehr weiter als eine Umfaller Partei die sich an die Macht geklammert hat ....

    • @Impe:

      Und wen werden Sie denn wählen? Die Linke, die sich selbst zersägt, Sarah Wagenknecht, geben Sie mir doch mal einen Rat.... ich habe letztes Mal die Tierschutzpartei gewählt, war ja nichts mehr anderes übrig.

      • @Leningrad:

        Tierschutz ist gut. Aber ich glaube, die brauchen Spenden an die Tierheime dringender als Kreuze auf den Wahlzetteln. Und wenn es die Leute unterlassen würden, mit ihren Mährobotern gegen die Igel vorzugehen, wäre das sicher auch nicht schlecht.

        • @dtx:

          Spenden mache ich sowieso.