Supermarkt verschenkt Lebensmittel: Essen für die goldene Tonne
In Osnabrück verschenkt ein Einzelhändler unverkäufliche Lebensmittel in einer goldenen Tonne. Das soll auch dem Containern vorbeugen.

Die Goldene Tonne ist eine große Plastikmülltonne auf Rädern, aus der die vordere Wand herausgeschnitten wurde. Wie in einem Fernsehbeitrag des NDR zu sehen ist, enthält sie statt des üblichen Inhalts ein Regal, in dem einige Gemüsekisten aus Plastik stehen und ein Kühlschrank. Alles – bis auf den Kühlschrank – wurde mit goldenem Lack angesprüht. In den Kisten: abgepacktes Brot, Apfelsaft, Schokoschneemänner, Grießbrei und eine Packung mit Brotcroutons.
Der Geschäftsführer Guido Gartmann sagte dem NDR, dass das wichtigste sei, möglichst viele Geschäfte dazu zu bringen nichts mehr wegzuwerfen; aber es werde auch das Containern verhindert. „Wenn sich jeder so eine Tonne vor die Türe stellt, dann gibt es ja auch keinen Grund mehr zum Containern“, sagte Gartmann. In seinen Märkten habe er mit Containern „nie Probleme“ gehabt, hier sei an den Mülltonen „immer Ruhe“ – auch weil darin nichts zu finden sei.
Genau diese Ruhe wollen Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) und Marco Buschmann (FDP) nun stören. In Deutschland entstehen jährlich circa elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle. Zahlen für die einzelnen Bundesländer gibt es bislang nicht. Der Bundesernährungsminister und der Bundesjustizminister wollen dieser Verschwendung entgegentreten, indem sie das Containern entkriminalisieren.
Containern soll entkriminalisiert werden
Sie folgen damit einem Vorschlag des Landes Hamburg, der vorsieht, die „Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren“ so zu verändern, dass das Containern nicht bestraft wird, sofern dabei nichts kaputt geht.
Auch die neue rot-grüne niedersächsische Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag für die „vollständige Vermeidung von Lebensmittelverschwendung“ ausgesprochen. Sie will sich für ein „Lebensmittel-Retten-Gesetz“ einsetzen und die Pläne der Bundesregierung zum Containern unterstützen.
Damit geht die Koalition über das hinaus, was sich ihre rot-schwarze Vorgängerin vorgenommen hatte. Die hatte sich zwar in ihrem Koalitionsvertrag auch schon gegen das Verschwenden ausgesprochen, aber nur schwammig ein „umfassendes Maßnahmenpaket“ angekündigt.
Die Foodsharing-Botschafterin von Osnabrück, Bettina Landwehr, begrüßt Gartmanns Aktion. Ihre Organisation finde „alles super“, was dazu beitrage, dass weniger Lebensmittel im Müll landen. „Ob Supermärkte uns als Abholer nutzen oder eigene Wege finden, die Lebensmittel zu retten, ist für uns nicht wichtig“, sagt sie.
Die „Goldene Tonne“ hat Landwehr beim Einkaufen zwar noch nicht entdeckt, neu ist die Aktion für sie aber auch nicht. „Die Rewes und andere Supermärkte haben auch oft Regale, wo sie unverkäufliche Lebensmittel verschenken“, sagt Landwehr.
Katja Calic vom Handels- und Dienstleistungsverband Osnabrück-Emsland betont, dass viele Lebensmittelhändler*innen ohnehin schon einen Teil ihrer Lebensmittel an die Tafeln verschenkten, um diese nicht zu verschwenden und denen, die es nötig hätten, unter die Arme zu greifen. Viele Händler*innen würden zudem Lebensmittel, die bald ablaufen, zu reduzierten Preisen anbieten oder abgelaufene Lebensmittel verschenken.
In privaten Haushalten wird viel mehr verschwendet
Containern ist für Calic „kein effektives Mittel“, um der Verschwendung zu begegnen. Sie weist darauf hin, dass im Handel nur sieben Prozent der Lebensmittel weggeworfen werden. „Wir Verbraucher sind das Problem“, sagt sie und meint damit die 59 Prozent Lebensmittel, die in privaten Haushalten im Mülleimer landen. Weil Kund*innen auf einen Joghurtdeckel schauen, sehen, dass der am Vortag abgelaufen ist, und diesen dann wegwerfen, obwohl er wahrscheinlich noch gegessen werden könnte. „Wir müssen viel mehr riechen und schmecken“, findet die Verbandschefin.
Im Bezug auf das Containern weist Calic auf die Gefahren hin, die Verbraucher*innen durch verunreinigte und verdorbene Lebensmittel drohten und steht damit auf der gleichen Position, wie der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels, der in einer Pressemitteilung Mitte Januar forderte, das Containern nicht straffrei zu machen.
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