Studie zu Offshore-Windparks: „Großflächige Auswirkungen“
Offshore-Windparks verändern das Ökosystem Meer. Eine Studie der Ozeoanografin Ute Daewel zeigt, dass auch die Nährstoffverteilung betroffen ist.
Ute Daewel, Ozeanografin am Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht, Institut für Küstensysteme – Analyse und Modellierung, hat sich mit den Auswirkungen von Offshore-Windparks auf das Nahrungsnetz der Nordsee beschäftigt und dafür den Supercomputer „Levante“ eingesetzt, am Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg. Der bietet eine Spitzenrechenleistung von 14 Peta-Flops, und das ist ziemlich eindrucksvoll, auch im Weltvergleich. Für Ökosystemmodellierung ist er ideal.
Die Kapazität für Offshore-Windenergie in Deutschlands Küstengewässern soll bis 2030 auf 30 Gigawatt Leistung steigen, bis 2045 auf 70 Gigawatt. Die südliche Nordsee, ohnehin schon unter schwerem Nutzungsdruck, vom Schiffsverkehr über die Fischerei bis zur Ölförderung, wandelt sich durch diesen Ausbau endgültig zum Industriegebiet.
Die Studie „Offshore wind farms are projected to impact primary production and bottom water deoxygenation in the North Sea“, jüngst im Fachjournal Communications Earth & Environment veröffentlicht, öffnet Augen. Daewel hat sie geleitet. Alle politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Entscheider täten gut daran, sie zu lesen.
Reduzierter Sauerstoffgehalt
Sie zeigt, dass Windparks die räumliche wie zeitliche Verteilung von Nährstoffen verändern, und das nicht nur lokal. Das könne „Prozessketten beeinflussen“ und dadurch das Vorkommen vieler Fischarten. Die Strömungsgeschwindigkeit werde reduziert. Lokal könne der Sauerstoffgehalt des Wassers sinken.
„Die Hinwendung zu den erneuerbaren Energien ist unumgänglich“, sagt Daewel der taz. „Aber bei Offshore-Windparks haben wir noch immer ein großes Defizit im Verständnis der Auswirkungen, und diese Auswirkungen sind großflächig.“ Ihre Studie formuliere „kein Gut und Böse“, aber der Ausbau müsse „sehenden Auges“ erfolgen, mit umfassender Risikobewertung.
Daewels Studie simuliert den Effekt eines einzelnen Jahres auf der Grundlage der Hälfe der Anlagenkapazität, die derzeit maximal geplant ist, um das EU-Ziel zu stützen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Aber die Auswirkungen sind gravierend und werfen Fragen auf.
Daewel spricht von einem „erheblichen Einfluss auf die Strukturierung der marinen Küstenökosysteme“. Vielleicht müsse man „in Zukunft marine Schutzgebiete auch ganz anders denken, vernetzter“, sagt sie. „Das hat ja Folgen für Laichgebiete, die Verteilung von Fischlarven, von Fischbeständen.“
Luftverwirbelungen beeinflussen Strömungen
Die Veränderung des Nahrungsangebots ist nicht die einzige Auswirkung, die Offshore-Windparks auf das Ökosystem Meer haben. Das Einrammen der Fundamente erzeugt Schall, der Schweinswale, die sich in der Nähe aufhalten, tödlich verletzen kann. Luftverwirbelungen, die durch die Turbinen der Windkraftanlagen entstehen, oft Dutzende von Kilometern lang, beeinflussen die Strömung und Schichtung des Wassers. Die Rotorenbewegung gefährdet Seevögel. Windkraftanlagen bremsen die Windgeschwindigkeit, erwärmen die Umgebungsluft. Luftschichten unterhalb des Rotorbereichs werden wärmer und trockener, oberhalb kälter und feuchter, was zu Bewölkung und Regen führt. Große Windparks sind also nicht nur eine Reaktion auf den Klimawandel, im Kleinen rufen sie selbst einen Wandel des Klimas hervor.
Die Fundamente der Anlagen, während ihres Baus für Meeresbewohner oft eine Qual, haben später übrigens ihr Gutes: Sie bilden künstliche Riffe, bieten neue Lebensräume. „Außerdem darf in einem Windpark ja nicht gefischt werden“, sagt Daewel. Der Schutz des Klimas und der Arten- und Habitatschutz, oft gegeneinander ausgespielt, gehen also teils Hand in Hand.
„Unsere Studie ist nicht politisch“, stellt Ute Daewel klar. „Aber auf Konferenzen sind wir schon manchmal gefragt worden, ob wir nicht fürchten, dass jemand sie instrumentalisieren könnte.“ Das geht natürlich. Aber das ist kein Grund zu schweigen.
Im Übrigen: So hilfreich ein Rechner wie „Levante“ für Daewels Modellierungen auch ist, ganz ohne Kontakt zum Meer geht es nicht. „Wir formulieren die Effekte mathematisch“, sagt Daewel. „Aber es ist natürlich wichtig, dass sie durch Beobachtungen vor Ort validiert werden. Das muss ausgebaut werden.“
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