Studie zu Lebensmitteln und CO2-Ausstoß: Ist Bio schlecht fürs Klima?

Manche Ökoprodukte verursachen mehr CO2 als konventionelle, zeigt eine Studie. Aber Bio hat andere Vorteile.

ein noch unreifer Apfel hängt in einem Obstgarten an einem Baum

Prima Bio-Apfel Foto: Felix Kästle/dpa

BERLIN taz | Manchmal ist das mit dem Klimaschutz schön einfach: Ein Apfel aus Brandenburg ist fürs Klima besser als eine Ananas aus Südafrika. Aber wie sieht es mit dem Apfel aus Neuseeland aus? Da wird es schon schwieriger.

Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) hat sich den CO2-Fußabdruck von Lebensmitteln in einer Studie genauer angeguckt. Herausgekommen ist eine lange Liste von Nahrungsmitteln und der jeweils verursachten Menge an Kohlendioxid-Emissionen. Eine Handreichung für Verbraucher:innen, die das Klima beim Einkaufen bedenken wollen, aber ratlos vor dem Warenregal stehen.

Ein Ergebnis hat die Wissenschaftler:innen aber selbst überrascht: Eine Bio-Kartoffel ist nicht klimafreundlicher als eine konventionell angebaute. Und Bio-Steak ist sogar deutlich schlechter fürs Klima als herkömmliches. Dasselbe gilt für andere tierische Produkte.

Das liegt daran, dass der Biolandbau wegen geringerer Erträge mehr Fläche benötigt, im schlimmsten Fall zu Ungunsten von Wäldern oder Mooren. Die ziehen im intakten Zustand Kohlenstoff aus der Atmosphäre und binden ihn – werden sie für die Landwirtschaft zerstört, ist das fürs Klima also doppelt schlecht. Das passiert auch in der konventionellen Landwirtschaft zu Genüge, nur braucht die für dieselbe Menge an Lebensmitteln zurzeit eben weniger Platz.

Klimasünde Flugananas

Studienleiter Guido Reinhardt springt trotzdem für den Ökolandbau in die Bresche: „Die etwas höheren Emissionen werden durch den deutlich geringeren Pestizideinsatz, nachhaltigere Bodenbewirtschaftung und Erhöhung der Artenvielfalt mehr als wettgemacht“, erklärt der Umweltforscher. „Hier zeigt sich, dass der alleinige Blick auf die CO2-Emissionen nicht die ganze ökologische Wahrheit sagt.“

Ökolandbau ist den Forscher:innen zufolge also insgesamt besser für die Umwelt als die konventionelle Landwirtschaft, die vor allem durch den Einsatz von zu viel Dünger und Pestiziden Böden, Wasser und Luft belastet. Aber die Welt muss doch spätestens 2050 komplett klimaneutral sein und die Landwirtschaft ist für etwa 11 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Müssen wir uns beim Essen etwa entscheiden, was wir schützen wollen – Klima oder Umwelt?

Nein, meint die Agrarwissenschaftlerin Susanne Neubert. „Wir brauchen gesunde Ökosysteme – übrigens auch für den Klimaschutz“, sagt Neubert, die normalerweise für die Berliner Humboldt-Universität, aktuell aber für den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen forscht.

Beim Ökolandbau bilde sich mehr Humus in der Erde, der Kohlenstoff im Boden festlegt, erklärt die Wissenschaftlerin. Er hilft dem Klima also auf dieselbe Art, wie es auch Wälder und Moore tun. „Bei der konventionellen Landwirtschaft hingegen wird der Humusgehalt des Bodens nach und nach abgebaut“, so Neubert.

Und das Flächenproblem? „Es stimmt, dass wir es uns klimapolitisch nicht leisten können, immer mehr Naturraum in Äcker umzuwandeln – aber das verlangt der Ökolandbau gar nicht zwangsläufig“, meint die Wissenschaftlerin. Die Agrarforschung arbeite an Methoden, mit denen man die Erträge auf natürliche Art steigern kann, ohne planetare Grenzen zu sprengen.

Auf drei Vierteln der Agrarfläche wird Tierfutter angebaut

„Viel wichtiger aber: Wir können und müssen unser Ernährungssystem umstellen, um die vorhandenen Äcker anders zu nutzen“, meint Neubert. „Auf fast drei Vierteln der Agrarfläche in Deutschland wird Tierfutter angebaut – wenn wir also den Konsum von Fleisch und Milch verringern, sagen wir halbieren, wird automatisch Fläche frei.“ Gleichzeitig würde das auch die Methan­emissionen verringern, die beim Verdauungsprozess von Wiederkäuern entstehen. Das Ifeu rät Politiker:innen zu hinterfragen, ob es nachhaltig ist, ehemalige Moore weiter landwirtschaftlich zu nutzen.

Bio-Produkte einzukaufen ist also durchaus auch aus Klimasicht sinnvoll. Nur müsste die Politik für den richtigen Rahmen sorgen. Aktuell essen Menschen in Deutschland pro Kopf durchschnittlich 60 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Rechnet man auch das Fleisch ein, das in Tierfutter fließt oder in der Essensproduktion als Rest verloren geht, sind es sogar 88 Kilo. Das passt nicht zum Klimaschutz.

Und wie ist das nun mit dem Apfel aus Neuseeland? Der Blick in die Ifeu-Liste verrät, dass er pro Kilo mit 800 Gramm Kohlendioxid zu Buche schlägt, etwa doppelt so viel wie beim regionalen Apfel. Und tatsächlich 200 Gramm mehr als bei einer mit dem Schiff importierten Ananas. Nur wenn die Ananas eingeflogen wird, hat sie einen gigantischen CO2-Fußabdruck von rund 15 Kilogramm pro Kilo Frucht. Meistens ist das mit dem Klimaschutz eben doch nicht so einfach.

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