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Streit um U-Bahn-Bau in KölnNutzlos, teuer, klimaschädlich

In Köln wollen CDU und FDP die Stadtbahn unter die Erde verbannen. Dabei bringt das Milliardenprojekt kaum Nutzen für die Bür­ge­r:in­nen.

Die Kölner Straßenbahn zur U-Bahn zu machen, würde viel kosten, aber nur 4 Minuten Zeitgewinn bringen Foto: Karsten Schoene/laif

Bochum taz | In Köln geht der Streit um den möglichen U-Bahn-Bau auf der Ost-West-Achse mitten durch die Innenstadt in die nächste Runde. Kurz vor der entscheidenden Sitzung am Donnerstagnachmittag wurde die Diskussion über den angedachten Tunnel von der Tagesordnung des Stadtrats gestrichen. Zuvor hatten nicht nur Grüne und SPD, sondern auch Linke und die Gruppe „Klimafreunde“ mit Blick auf Kosten und Nutzen massive Bedenken angemeldet.

Über den Ausbau der Ost-West-Achse diskutieren Lokalpolitik und Stadtgesellschaft schon seit Jahren. Bereits 2018 hatte der Stadtrat die Untersuchung einer unter- und einer oberirdischen Variante im Innenstadtbereich in Auftrag gegeben. Deren grundsätzliche Ergebnisse liegen jetzt vor: Danach soll die rund 2,3 Kilometer lange neue U-Bahn entlang von Heumarkt, Neumarkt und Rudolfplatz den Bür­ge­r:in­nen angeblich etwas mehr Nutzen bringen als ein Ausbau der bestehenden Straßenbahnlinie 1: Der sogenannte Nutzen-Kosten-Indikator der Tunnellösung stieg von 2018 bis heute von 1,0 auf 1,4 – bei der oberirdischen Variante sank er dagegen von 2,3 auf 1,3.

Unklar bleiben dagegen bisher Details der umstrittenen Berechnungen – und die wollen nicht nur Grüne und SPD im Stadtrat kennen: „Wir wollen die Gutachten und ihre Bewertungsmethoden sehen“, fordert der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Stadtrat, Lars Wahlen. „Wir kaufen die Katze nicht im Sack“, sagt auch der SPD-Verkehrspolitiker Lukas Lorenz. Das Kölner Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt, in dem die drei Parteien seit 2021 zusammenarbeiten und das die Verwaltung der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit Mehrheiten im Kommunalparlament versorgt, ist damit gespalten.

Das Bündnis Verkehrswende Köln, das mit dem Slogan „Oben bleiben“ für den Ausbau der Straßenbahn kämpft, hat eine Veröffentlichung nach dem Informationsfreiheitsgesetz beantragt. Denn tatsächlich wiegen die Argumente der Tun­nel­geg­ne­r:in­nen schwer: „Die Kosten des U-Bahn-Baus liegen schon heute bei 1,4 Milliarden Euro“, rechnet Bündnis-Sprecherin Barbara Kleine vor – „die der oberirdischen Variante dagegen nur bei rund 220 Millionen“.

U-Bahn könnte Milliardengrab werden

Zwar gibt es massive Förderzusagen des Bundes. Doch auch für die klamme Stadt Köln könnte sich der Tunnel zum Milliardengrab entwickeln: So sei der städtische Eigenanteil für die 2004 begonnene Nord-Süd-Stadtbahn, der 2009 zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit zwei Toten führte, von 55 Millionen auf aktuell über eine Milliarde Euro gestiegen, warnt Kleine – ohne die Kosten der Archiv-Katastrophe. Fertiggestellt ist die Linie dennoch bis heute nicht.

Dazu kommt die geschätzte Bauzeit: Bis 2040 dürfte der U-Bahn-Bau dauern, schätzen die kommunalen Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), die sich für den Tunnelbau stark machen. „Die Innenstadt soll also bis zu zwei Jahrzehnte aufgerissen werden“, kritisiert Angela Bankert, die für die Linke als sachkundige Einwohnerin im Verkehrsausschuss sitzt. Der Straßenbahnausbau könne dagegen in drei bis fünf Jahren erledigt werden.

Vier Minuten Zeitgewinn

Überhaupt bringe die U-Bahn den Bür­ge­r:in­nen kaum Nutzen, glaubt Bankert: Deren Zeitgewinn liege bei gerade einmal drei bis vier Minuten. Auch für den Klimaschutz dürfte der Tunnel kontraproduktiv sein. Schließlich geht auch die Stadtverwaltung davon aus, dass dessen Bau die Atmosphäre mit 283.000 Tonnen Kohlendioxid belasten dürfte.

„Alle faktenbasierten Argumente sprechen für die oberirdische Variante“, mahnte deshalb Inga Feuser von den „Klimafreunden“ noch am Montag bei einer Sitzung des Verkehrsausschusses in Richtung CDU und FDP, die sich weiter für den U-Bahn-Bau stark machen: Bis sich der Tunnel in der Klimabilanz rechne, dürften „mindestens 100 Jahre vergehen“. Der Stadtrat will bei seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause am 1. Oktober weiter beraten.

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12 Kommentare

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  • Um wieviel ist der auszubrechende Querschnitt kleiner als bei einer S-Bahn? Vielleicht muss man nur noch 200 Millionen mehr bezahlen und bekommt dafür eine S-Bahn statt einer kleinen Straßenbahn. Dann noch Langzüge wie in München Stuttgart Frankfurt Hamburg durchsetzen nebst Bahnsteigverlängerung in den Aussenbezirken und wir bekommen viel mehr Kapazität und Redundanz, wenn mal der Hauptbahnhof gesperrt ist.

    • @Christoph Strebel:

      In Köln ist der Neumarkt und ggf. der Ebertplatz zentraler als der Hbf für den Nahverkehr. Am Neumarkt geschieht die Verteilung zur Ost-West-Achse.

      Hier könnte man den Bahnhof Deutz aufwerten - daran wird aktuell auch gearbeitet, auch dort kommt man von der DB an die West-Ost-Achse.

      Was ein Kunstfehler ist, ist der noch fehlende Anschluss West zwischen "Köln West" und "Köln Süd" - der würde den prallen Umstieg am Neumarkt entlasten. Da müsste aber wohl Köln West entfallen, so nah alles ist, und wäre also auch nicht ganz so simpel.

      Köln muss wohl zunächst den Autowahn der letzten 90 Jahre abschütteln, da müssen vielleicht auch Köpfe in den Planungsämtern versetzt werden. Ohne die Autos von "Bergheimers" etc. ist auch wieder viel Platz für Menschen in der traditionellen Stadt. Die lokale CDU ist aber wohl noch munter in der Beton- und Asphaltklüngelei ungesunder Zeiten unterwegs.

  • @RERO

    Wie wär's mal mit "Autos raus aus der Stadt"?

    Der Flächengewinn wäre jedenfalls erstmal enorm.

  • Wird die Bahn nach unten verlegt, ist oben mehr Platz für Autos.

  • Selbst die angeblichen "Vier Minuten Zeitgewinn" wären wieder dahin, wenn der zusätzliche Weg zur Haltestelle (in 29 Metern Tiefe!) mit einberechnet worden wäre.

  • taz: „Die Kosten des U-Bahn-Baus liegen schon heute bei 1,4 Milliarden Euro“, rechnet Bündnis-Sprecherin Barbara Kleine vor – „die der oberirdischen Variante dagegen nur bei rund 220 Millionen“.

    1,4 Milliarden Euro gegenüber 0,22 Milliarden Euro. Oha, da muss man wohl ein Mathematikstudium absolviert haben, um zu berechnen was die kostengünstigere Variante ist. Übrigens ist nichts schöner als eine Straßenbahn, aber Straßenbahnen gefallen wohl der Autolobby nicht.

    Sogar US-Amerikaner sind von unseren Straßenbahnen und (leider noch nicht ganz) 'autofreien' Städten begeistert. ***Germany's "Green" City (with more bikes than cars!)*** www.youtube.com/wa...v=6Vil5KC7Bl0&t=0s

  • Der Mensch soll sich zu Fuß, per Rad, per Tram, per Bus. oberirdisch bewegen können/dürfen.



    Die extrem teuren unterirdischen Varianten sollen nur für alternativlose ÖNV Strecken in Frage kommen.

    • @Peace85:

      Was ist für Sie alternatives?

      Letzenendes kann man durch jede Stat eine Schneise schlagen, wenn man will.

      Unterirdisch hat den Vorteil, dass man die Fläche darüber nutzen kann.

      Wohnungsbau, Grünanlagen, ...

      Wenn die Städte weiterwachsen, ist sowas nicht unwichtig.

      Stellen Sie sich nun noch selbstfahrende Fahrzeuge vor, die mal den heutigen ÖPNV ersetzen werden.

      Den Lieferverkehr und den Personenverkehr könnte man so weit wie möglich ins Erdreich verbannen.

      Das wäre ein Mehr an Lebensqualität.

      Allerdings sollte man den Bau schon so hinkriegen, dass keine Häuser einstürzen.

      Ich bin kein Kölner, ich halte mich deshalb zurück. Wenn Köln sich dafür nicht eignet, sollte man es sein lassen.

      • @rero:

        Es geht in Köln um eine West-Ost-Strecke durch die Innenstadt, wo schon nach dem Krieg eine schmerzliche Schneise für die Autos geschlagen wurde. Die trennt die nördliche von der südlichen Hälfte, die Straße. Die oberirdische Bahnlinie macht da also nix mehr kaputt.

        Auch wenn das gestrige Planer und Alt-Autofixierte noch nicht merken.

      • @rero:

        Selbstfahrende Fahrzeuge werden selbstverständlich nicht den ÖPNV ersetzen. Geometrisch geht das nicht auf.



        Einen Blick in die Zukunft liefert unser westlicher Nachbar. Die Niederlande sind in Punkto Stadt- und Verkehrsplanung vorbildlich.

        Auch ergibt sich keine "Schneise" durch die Nutzung von Straßenbahnen - sondern durch breite Autostraßen.

        Die induzierte Nachfrage diktiert eine Verringerung der Fahrstreifen innerstädtisch, zugunsten ÖPNV.

        Daher stellt ein Straßenbahnausbau für ein "Weiterwachsen" von Köln kein Hindernis, sondern eine begünstigende Maßnahme dar.

  • Füße still halten und oben bleiben.



    Ein zweites Stadtarchiv braucht kein Mensch!



    emigrierte Kölsche vun de schääl Sick

  • Bei dem -nicht nur- "Kölschen Klüngel" geht es aber beileibe nicht um Fakten, da geht's um Geld, Profit und nichts weniger. So wie der Bau der Nord-Süd-Stadtbahn von 55 Mio auf über eine Milliarde gewachsen ist, so ist es auch in Stuttgart, so war es in Berlin mit "BER" und genauso wird es auch in Köln -wieder mal- sein. Und das muss man einem halbwegs logisch denkenden Menschen auch erst mal klar machen: was ist daran ein Vorteil, wenn man bei der Stadtquerung 3,5 Minuten Zeit gewinnt? Wenn man 4 Minuten früher losfährt, hat man sogar 0,5 Minuten gewonnen ;)