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Streit um EnergiewendeWissen und Wärmepumpen

Kommentar von Mathias Greffrath

Im Streit um schleppende Transformationen taugen Detailaufnahmen besser zum Verständnis als große Theorien. Eine Zeitungsschau zur Zeitenwende.

Klimagerecht heizen: Es kommt aufs Detail an Foto: Chromaorange/imago

S oll man jubeln oder weinen? Fünfzig Jahre nachdem die „Grenzen des Wachstums“ erschienen und Robert Jungk im „Jahrtausendmenschen“ die Werkstätten der Zukunft besich-tigt hatte, erschien am vergangenen Freitag eine Sonderausgabe der FAZ. Groß die Ankündigung: „Wie wir in Zukunft leben wollen.“ Nicht mit Fragezeichen, mit Punkt.

Die Ausgabe ist durchsetzt mit Artikeln über vertikale Agrikultur, innovative Mobilität, Städtebau, Entmüllung des Konsums, Revolutionierung der Logistik, sogar über „Verzicht“. Im Feuilleton plädiert Dietmar Dath für „Hopepunk“ und „Anti-Dystopien. Die Interviewer von Herman Daly, dem Nestor der Steady-State-Economy, geben­ dem Argument, dass unendliches Wachstum in einer endlichen Welt nicht möglich ist, großen Raum, bedauern fast, dass es kein Gegenkonzept zum Kapitalismus gebe – und setzen dann auf die nicht ausgeschöpften Potenziale eines „Grünen Wachstums“.

Keine Totalwende, nein, aber eine kleine Akzentverschiebung. Strenge Theoretiker werden eh nicht einverstanden sein, etwa Ulrike Herrmann, die in den Blättern (10/22) anhand von Material­strömen vorrechnet, dass eine noch so grüne Technik sich nie weltweit durchsetzen kann. Ihr Vorschlag, wir sollten uns für ein geplantes Gesundschrumpfen an der britischen Kriegs-Planwirtschaft mit ihren Bezugsscheinen und minutiösen Vorgaben orientieren, greift aber zu kurz. Weniger Fleisch, Harz statt Mallorca, das klingt zwar gut, aber welcher parteienparlamentarische Staat könnte so etwas durchsetzen, und welche volkswirtschaftlich programmierten Computer hätten schon durchgerechnet, was die ökonomischen und sozialen Folgen wären.

Mich plagt seit einiger Zeit ein Unbehagen an Theorien mit hohem linken Zustimmungswert, aber zu großer Flughöhe, an deren Ende regelmäßig die Frage „Und wer soll das machen?“ steht, ebenso wie an analytisch noch so triftigen, aber emotional aufgeladenen Predigten, wir müssten nur „die Irrationalität des Ganzen“ und unseren Eigenanteil daran akzeptieren und dann „eine andere Politik etablieren“ (Stephan Lessenich, „Nicht mehr normal“). Das eine haben die meisten längst, für das andere fehlt die Gebrauchs­anweisung. Andererseits sehnt man sich beim Lesen der Zukunfts-FAZ nach einer großen befeuernden Perspektive.

Einen belebenden Ausweg brachte mir die Lektüre von Bernd Ulrichs Porträt der Institution Wirtschaftsministerium in der Zeit (40/22). Der Gang durch die Entscheidungslabyrinthe endet beim Zuständigen für Wärmepumpen, die ja a tempo 12 Millionen Gasheizungen ersetzen sollen. Und es begab sich folgender schöne Dialog, den ich leicht gekürzt hier zitiere:– 2021 wurden nur 150.000 Wärmepumpen verbaut. Seit dem Gaskrieg mit Putin wollen fast alle eine. Das ist doch gut, oder?

– Fast. Die Installateure stellen sich um.

– Und?

– Es gibt zu wenige.

– Warum?

– Weil die Leute auch noch ihre Bäder sanieren wollen zum Beispiel.

– Aber wenn sie weniger sanieren und mehr Wärmepumpen einbauen, dann läuft’s?

– Nicht ganz, es gibt zu wenige.

– Installateure?

– Wärmepumpen.

– Warum?

– Jeder Hersteller hat ein anderes Modell, und die Geräte werden händisch zusammengebaut, da muss erst mal eine industrielle Fertigung her.

– Und dann kann genug produziert werden?

– Wenn es genug Halbleiter gibt.

– Die sind doch gerade knapp.

– Eben.

– Okay, also wenn es die Nachfrage gibt und die Installateure und die Halbleiter und die industrielle Fertigung, dann rollt die Sache?

– Nun, es gibt da noch das Problem mit den Kühlmitteln. Die sind bisher klimawirksam.

– Sie schützen das Klima?

– Sie gefährden es.

– Gibt’s denn da keine Ersatzstoffe?

– Schon.

– Aber?

– Die sind brennbar.

– Ah.

– Wir arbeiten dran.

– Also, wenn es nun die Nachfrage gibt und die Installateure und die industrielle Fertigung und die Halbleiter und die richtigen Kühlmittel, dann können Sie Ihr Ziel erreichen, 1 Million pro Jahr einzubauen?

– Wenn das mit dem Baufenster geklärt ist.

– Baufenster?

– Das ist der Teil eines Grundstücks, der bebaut sein darf.

– Und?

– Ja, die Wärmepumpe muss zum Teil draußen sein. Dann ist sie außerhalb des Baufensters.

– Was macht man da?

– Man muss die Bauordnung ändern.

– Und das machen Sie?

– Nein, es sind Landesbauordnungen.

– Also 16 verschiedene!?

– Ja, 16. Wir sind in konstruktiven Diskussionen mit den Ländern.

– Danke für das Gespräch.

Ich bin sicher: Mehr solcher Detailaufnahmen mit hoher Auflösung könnten immunisieren ­gegen allzu große Gedanken und den Streit, wer schuld ist, wenn Transformation nicht schnell genug geschieht. Gleichzeitig steckt in ihnen die anspruchsvolle Aufforderung zur staatlichen Planung: von Rohstoffströmen, Ausbildung, Föderalismusreformen.

Einzelheiten sind eigentlich spannender als Leitartikel oder Großgedanken. Wie sagte Luhmann: Aufklärung, die sich über sich selbst aufklärt, organisiert sich als Arbeit. Wenn’s gut werden soll.

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6 Kommentare

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  • John Cleese weint jetzt sicher bittere Tränen. Soviel Absurdität in so wenigen Sätzen. Und nicht von Python.

  • Das Gespräch ist zu Ende noch bevor es die Praxis erreicht hat. Die Wärmepumpe ist schon eine tragische Heldin. Nicht mal mein iOS kennt das Wort in der Worterkennung. Wie soll sie da gut funktionieren und die deutsche Heizwelt retten? Dabei funktioniert sie doch so gut, wenn sie richtig eingesetzt wird.

    Wäre doch nur jedes Haus wärmeisoliert. Dann erginge es ihr sicher besser.

  • Oh, was wird denn nun aus dem unendlichen grünen Wachstum? Der sehr schöne Dialog lässt sich vermutlich 1:1 auf den Bau von Windrädern, Solardächern und die Gebäudeaußendämmung übertragen. Insbesondere, wenn die zu dämmenden Gebäude auf der Baugrenze stehen, über das Baufenster hinausreichen oder den Brandschutzabstand bei Reihenhäusern nicht einhalten können.



    Na ja, dann wird Pippi Langstrumpf noch mal neu nachdenken müssen und das Klimamarketing schnell neu ausgerichtet werden, bevor das Wachstum-durch-Klimaschutz- und Klimaschutz-durch-Wachstum-Framing komplett von der Wirklichkeit ruiniert wird.

    • @Drabiniok Dieter:

      Wachstum ohne Klimaschutz wird aber auch nichts werden. Bei den 2,8°+ auf die wir zulaufen ist halt einfach definitv Sense.

  • Mein Vermieter meint, er sei zu alt für Investitionen.

  • Der dargestellte Dialog ist super. Danke dafür!