Streit über Ukraine-Hilfen: 3 Milliarden Euro gesucht
SPD und Grüne sind sich einig, dass die Ukraine mehr Geld erhalten soll. Doch woher das kommen soll, da gehen die Meinungen auseinander.
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Kernpunkt der Auseinandersetzung ist, ob für die zusätzlichen 3 Milliarden Euro, mit denen die Ukraine unter anderem ein neues Patriot-Flugabwehrsystem finanzieren soll, neue Schulden aufgenommen werden. So sieht es die SPD und besteht darauf, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags über die Frage in seiner nächsten Sitzung am 29. Januar berät. „Wir reden über Bestellungen, die hinzukommen sollen, die müssen durch Schulden finanziert werden“, sagte Bettina Hagedorn, SPD-Politikerin und stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses am Dienstag der taz.
Für Hagedorn geht es bei der Frage auch um Legitimität. „Dass wir die zusätzlichen Mittel schnell beschließen müssen, da bin ich ganz bei den Grünen. Aber das muss im Haushaltsausschuss geschehen und nicht in der Bundesregierung.“ Die Bundesregierung könne bei den Ausgaben nicht machen, was sie wolle. „Wir haben als Haushaltsausschuss die Hosen an, insbesondere wenn es sich um 3 Milliarden Euro handelt.“
Sebastian Schäfer, der für die Grünen im Haushaltsausschuss sitzt, sieht es anders. „Die 3 Milliarden Euro wären eine überplanmäßige Ausgabe, die dann zu Lasten des allgemeinen Haushalts finanziert wird“, sagte er der taz. Er verweist damit auf den Artikel 112 im Grundgesetz, der „im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben“ unter Zustimmung des Finanzministers erlaubt.
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FDP gegen Schuldenaufnahme
„Die Einschränkungen, die der Bundeskanzler sieht, kann ich nicht erkennen“, sagte Schäfer. Auch 2024 seien mehr als 7 Milliarden Euro an Rüstungshilfe an die Ukraine geflossen, diesen Wert gelte es für 2025 wieder zu erreichen. Er sieht auch keine Notwendigkeit für eine neue Schuldenaufnahme: In der vorläufigen Haushaltsführung, die nun gelte, bleibe viel Geld übrig. Diese Mittel könne man für die zusätzliche Militärhilfe verwenden.
Der Grünen-Politiker sieht auch keine Notwendigkeit, dass der Haushaltsausschuss in der Frage abstimmt. Seiner Meinung nach reiche es, wenn der Ausschuss eine Entscheidung der Bundesregierung zu den zusätzlichen Rüstungshilfen formal zur Kenntnis nehme. Dafür brauche es dann dennoch eine Mehrheit in der Sache.
Ähnlich argumentiert auch die FDP, für die eine neue Schuldenaufnahme keine Option sein dürfte – schließlich war genau an dieser Frage die Koalition im November zerbrochen. „Wir haben für zusätzliche Ukraine-Hilfen in Höhe von 3 Milliarden Euro schon im November Zustimmung signalisiert“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der Mediengruppe Bayern. Diese Summe sei „problemlos“ finanzierbar, ohne die Schuldenbremse per Notlagenbeschluss auszusetzen. „Das geht beispielsweise als außerplanmäßige Ausgabe.“
Auch Lindner verweist damit auf den Artikel 112 im Grundgesetz für außerplanmäßige Ausgaben. Nach Angaben des Bundesrechnungshofs sind dabei aber die Zusätze aus der Bundeshaushaltsordnung (BHO) zu beachten. Dort ist nach Paragraf 37 etwa geregelt, dass „über- und außerplanmäßige Ausgaben über 100 Millionen Euro der Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages bedürfen, sofern keine Rechtsverpflichtungen zu erfüllen sind“.
Kritik an den Grünen
Die Haushaltspolitikerin der Linken-Gruppe im Bundestag, Gesine Lötzsch, bezweifelt unterdessen, dass für die zusätzlichen Ukraine-Hilfen die im Grundgesetz-Artikel als Bedingung angegebene „unvorhergesehene und unabweisbare“ Natur gegeben sei. Sie stellte außerdem infrage, dass die 3 Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung zu stemmen wären.
Deshalb müsse der Bundestag über diese Frage abstimmen, sagte Lötzsch der taz. „Die Grünen nutzen den furchtbaren Krieg für ihre Wahlkampfzwecke“, sagte sie der taz. Robert Habeck und Annalena Baerbock gehe es weniger um Frieden in der Ukraine, „sondern mehr um vorgezogene Koalitionsverhandlungen mit Friedrich Merz“, warf sie den Grünen vor.
Die technischen Fragen, die bei den 3 Milliarden Euro an zusätzlichen Rüstungsmitteln für die Ukraine nun verhandelt werden, sind also längst zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung geworden. Die SPD sieht sich dabei mit dem Vorwurf konfrontiert, die Ukraine wegen ihrer Haltung im Regen stehenzulassen.
Unterdessen traf Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag zu einem überraschenden Besuch in Kyjiw ein. Ziel der Reise sei die Abstimmung der weiteren Kooperation und Unterstützung der Ukraine, hieß es aus dem Verteidigungsministerium.
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