Streit nach Ausschuss aus EU-Fraktion: AfD bleibt draußen – Krah freuts
Nach dem Ausschluss von Krah ist in der AfD heftiger Streit entbrannt. In die extrem rechte ID-Fraktion im EU-Parlament darf sie nicht zurück.
Die Entscheidung soll nach einem nicht-öffentlichen Treffen der französischen extremen Rechten Marine Le Pen vom Rassemblement National (RN) mit dem italienischen Lega-Chef Matteo Salvini und anderen Politikern der ID-Fraktion in Brüssel gefallen sein. Auch Herbert Kickl, Chef der österreichischen FPÖ sowie der Niederländer Geert Wilders sollen teilgenommen haben.
„Eine offizielle Stellungnahme liegt uns noch nicht vor“, sagte AfD-Parteichefin Alice Weidel der taz. Man warte noch Telefonate mit Freunden in Belgien ab, dann werde man weitere Sondierungen betreiben und ausloten, „welche Optionen es für alternative Zusammenschlüsse gibt“. Man sei aber zuversichtlich. Konkreter, mit wem die AfD zusammenarbeiten wolle, wurde sie nicht.
In die Karten spielt die Nichtaufnahme in die Fraktion vor allem einem: Maximilan Krah selbst. Der wegen Korruptionsvorwürfen erst aus dem Wahlkampf und dann aus der EU-Delegation geworfene ehemalige Spitzenkandidat hat schon längst einen Spin gesetzt, der auch die Parteibasis überzeugt: Die AfD solle sich „nicht von einer ausländischen Partei vorschreiben lassen, mit wem sie antritt“. Eine Wiederaufnahme in die ID-Fraktion hatte er von Anfang an als illusorisch bezeichnet. Die Aufgabe besteht darin, eine eigene, neue Fraktion zu gründen. Dafür stehe ich bereit“, sagte er nun der taz.
Freidrehende Radikale
Um eine neue Fraktion zu gründen, bräuchte die AfD 23 Abgeordnete aus 7 verschiedenen Ländern – die zusammen zu trommeln dürfte nicht allzu leicht werden. In Frage kämen dafür eigentlich nur einige freidrehende fraktionslose Ultranationalisten.
Zu den versprengten rechtsextremen Abgeordneten gehören im neuen EU-Parlament etwa Personen wie Grzegorz Braun von der polnischen extrem rechten Partei Konfederacja. Dieser war im Dezember 2023 aus dem polnischen Parlament ausgeschlossen worden, weil er die Kerzen eines Chanukkah-Leuchters im Foyer des Parlaments mit einem Feuerlöscher löschte. Oder der slowakische Rechtsextremist Milan Uhrík aus der Partei Hnutie Republika, der den Holocaust 2017 weder gutheißen noch missbilligen wollte. Zu beiden hatte die AfD in Vergangenheit schon Kontakt.
Aus der Parteiführung traute sich niemand so richtig aus der Deckung. Lediglich anonym lässt sich ein Bundesvorstandsmitglied zitieren: „Krah hat seit langer Zeit versucht, das Projekt ID-Fraktion zu torpedieren und eine Fraktion der Obskuranten zu bilden, in welcher er als Chef agieren kann.“
Tatsächlich hatte Krah sich in der letzten Legislatur viele Feinde in der ID-Fraktion gemacht. Er war mehrfach wegen Eskapaden suspendiert und sprach sich wiederholt dafür aus, sich weiter nach rechts zu orientieren. Dazu kamen die Verstrickungen in Spionagevorwürfe. Mit SS-Verharmlosungen im Wahlkampf-Endspurt hatte er dann für den endgültigen Bruch der ID-Fraktion mit der AfD gesorgt.
Rechte Soli-Kampagne
Die Parteibasis ist aber nicht etwa sauer auf Krah, sondern auf die Parteiführung und den neuen Delegationschef René Aust. Vor allem dieser findet sich im Zentrum eines rechten Shitstorms wieder, wird als „Verräter“ und „Judas“ gebrandmarkt. Ein für Mittwochabend angekündigtes Statement sagte er kurzfristig wieder ab – und überlässt damit die Deutungshoheit Krah, der weiter ausdauernd stichelt.
Krah bedankte sich für die Solidarität: Ihn erreichten Mails und Nachrichten aus ganz Deutschland. Im Cicero drohte er am Mittwoch, „große Teile der Basis“ seien über den Umgang mit ihm „alles andere als amüsiert. Das wird auf Dauer nicht ohne Folgen bleiben“. Selbst die rechtsextremem Medien Compact und Deutschlandkurier sammeln mittlerweile Unterschriften für eine Petition an den AfD-Bundesvorstand, um Krah wider in die Delegation aufzunehmen.
Auch die Landesvorsitzenden in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bayern solidarisieren sich mit Krah. Sachsens Spitzenkandidat Jörg Urban sagte Zeit Online, er halte den Rausschmiss von Krah für „falsch und unprofessionell“, wolle diesen zurück in der EU-Delegation haben.
Der Landesverband Bayern hat gar eine der taz vorliegende Resolution unter der Überschrift „Mut zu Deutschland“ für den Ende Juni stattfindenden Parteitag eingebracht: Statt fauler Kompromisse mit anderen Parteien fordern die Bayern eine neue Fraktion mit „weiteren Partnern“ im EU-Parlament. Die Skandale um Krah und den Listenzweiten Petr Bystron seien ohnehin nur auf „Lügen und Verdächtigungen basierende Schmutzkampagnen“. Die Resolution samt begleitender Soli-Pressemitteilung für Krah und Bystron kann durchaus als deutliche Kritik am Kurs der Parteispitze verstanden werden.
Parteispitze in der Kritik
Urheber Rainer Rothfuß aus Bayern sagte der taz, die Resolution solle möglichst vor die Wahl des Bundesvorstands gezogen werden. Ärger wäre damit gleich zu Beginn des Parteitags vorprogrammiert. Der Parteitag vor den anstehenden Landtagswahlen dürfte damit deutlich weniger ruhig verlaufen, als es die zur Wiederwahl stehende Doppelspitze Alice Weidel und Tino Chrupalla erhofft hatten.
Auch das ideologische Parteivorfeld ist auf Zinne: Eine Partei, die das Potential eines Krah nicht einbauen könne, habe „ein Führungsproblem“, konstatierte der extrem rechte Ideologe Götz Kubitschek. Man habe das Zugpferd unter den eigenen Wagen geworfen. Das nehme nun allen den Schwung, außer jenen, die ihre Einzelkarriere vorantrieben, sagte er mit einem deutlichen Seitenhieb auf Weidel und Chrupalla.
Noch eine Spur heftiger ist es in den Kommentarspalten der sozialen Medien: Der rechtsextreme Social-Media-Stratege und Kopf hinter Krahs Tiktok-Kampagne, Erik Ahrens, sublimierte seinen Hass in einen über 5.000 Zeichen langen X-Thread. An René Aust klebe der Verrat. Er sei ein „schwacher Mann“, „Mamas Liebling“, ein „erwachsener Junge“, der seine Männlichkeit verloren habe: „Das passt gut zur Rolle, die er jetzt anstrebt: Anführer einer kastrierten AfD-Fraktion im Europaparlament“. Man solle Aust und jedem, der ihm beistehe, bei jeder Gelegenheit als „Verräter“ beschimpfen, fordert Ahrens und schließt mit: „Feuer frei, wir lassen den Verrat an Krah und der ganzen Bewegung nicht unbeantwortet!“
Bruch mit Höcke
Dabei kommt René Aust selbst aus dem engen Umfeld des Rechtsextremisten Björn Höcke in Thüringen. Mit dessen Unterstützung waren sowohl Krah als auch Aust angetreten. Nach längerem Schweigen schaltete sich schließlich auch Höcke Donnerstagnachmittag in den Parteistreit ein – auf Seiten von Aust: Die „ehrenrührige Kampagne“ gegen Aust veurteile er „auf das Schärfste“. Dann teilte Höcke zum Rundumschlag in Richtung Krah und Bundesvorstand aus. Man sei enttäuscht, dass der Vorwurf des „Verrats“ durch das Schweigen von Krah mitgetragen werde und der Bundesvorstand dem nicht widerspreche, heißt es in der Erklärung des AfD-Landesverbands Thüringen.
Das Tischtuch zwischen Krah und Höcke scheint damit zerschnitten: Krah hatte der taz bereits davor gesagt, er sei nicht mehr im Kontakt mit Höcke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste