Strategie der Ampel gegen Personallücken: Millionen Fachkräfte gesucht
Im Bundestag wird über den Fachkräftemangel diskutiert und darüber, wie er zu lösen sei. Am Ende ist es vor allem eine Debatte über Migration.
Die Ampel setzt deswegen auf unterschiedliche Maßnahmen: Sie will die berufliche Ausbildung stärken und attraktiver machen. „Dieses Land braucht nicht nur Master, sondern auch Meister“, so Heil. Um angesichts von Digitalisierung und ökologischem Umbau die „Beschäftigungsfähigkeit“ der Menschen zu gewährleisten, müsse man auch auf Weiterbildung setzen – etwa durch ein Qualifizierungsgeld oder die von Heil geplante Bildungszeit, in der Beschäftigte sich für bis zu zwölf Monate bezahlt weiterbilden können.
„Menschen mit Behinderung haben eine Chance am Arbeitsmarkt verdient“, zählt Heil weiter auf. Unternehmen, die entgegen der schon bestehenden Verpflichtung keine Menschen mit Behinderung einstellen, sollen künftig diejenigen Unternehmen, die es tun, noch mehr unterstützen, so der Minister.
Einen Bereich nach dem anderen geht der Minister durch. Menschen sollen gesund und bis zum Renteneintritt in Arbeit bleiben können – „Ältere sind kein altes Eisen, sie werden gebraucht.“ Die Frauenerwerbsarbeit sei „erfreulich gestiegen“, allerdings nicht im Volumen – im Gegensatz zu Männern arbeiten Frauen noch immer häufig in Teilzeit, „gewollt oder ungewollt“. Deswegen sei auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein zentrales Thema.
Ohne Migration geht es nicht
Aber: „Wenn wir alle inländischen Register gezogen haben, brauchen wir trotzdem zusätzlich Zuwanderung, um die Volkswirtschaft am Laufen zu halten“, sagt Heil und verweist auf das geplante Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung, das sich derzeit in der Ressortabstimmung befindet.
„Wir müssen mehr tun als das, was die Regierung vorschlägt“, kritisiert Marc Biadacz. Es gehe nicht um einen Fachkräftemangel, sondern um eine „Fach- und Arbeitskräftekrise“, erläutert der CDU-Politiker. Der Bäcker in seinem Wahlkreis habe ihm gesagt, er könne „kein Brot und keine Brezeln verkaufen“, wenn ihm schlicht das Personal fehle.
Jede dritte Erwerbsperson erreiche in den nächsten 15 Jahren das Rentenalter. 400.000 zugewanderte Fachkräfte pro Jahr seien nötig, um den Bedarf zu decken. Es müsse also viel mehr getan werden, um die inländischen Potenziale zu nutzen und dafür zu sorgen, dass gesteuerte, qualifizierte Zuwanderung funktioniere. Dazu müssten auch die „Flaschenhälse“ in den Ausländerbehörden und Visastellen aufgelöst werden, die zu langen Wartezeiten führten und Deutschland für ausländische Fachkräfte unattraktiv machten.
Um all diese Probleme zu beheben, habe man in der letzten Legislatur bereits das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht. Dass Expert*innen diesem Gesetz von Anfang an attestiert hatten, nicht weit genug zu gehen, zu hohe Hürden zu haben und zu bürokratisch zu sein und dass die SPD schon damals gerne weiter gegangen wäre, sich aber nicht gegen die Union durchsetzen konnte – zu all diesen Aspekten schweigt Biadacz.
FDP pocht auf Rückführungen
Auch die AfD lehnt die Fachkräftestrategie ab, weil sie partout keine Migration will. Eine Lösung hat der Abgeordnete René Springer auch parat: „Technisierung statt Zuwanderung, Maschinen statt Migration“.
Dann müsse die AfD Wähler*innen aber auch erklären, dass sie dann halt länger arbeiten und später in Rente gehen müssten, kontert der FDP-Abgeordnete Lukas Köhler. Er macht aber auch klar, dass die FDP in der Ampel-Koalition noch einen anderen Schwerpunkt in der Migrationspolitik setzt als etwa die Grünen: die Rückführungsoffensive. Man müsse Fachkräfte nach Deutschland bringen, so Köhler. „Und wer illegal gekommen ist, wird entsprechend zurückgeführt.“
Wenn die Bundesregierung nun „endlich Menschen echte Chancen am Arbeitsmarkt und guter Arbeit den Vorrang“ gebe, habe sie „die Linke an ihrer Seite“, bekräftigt Susanne Ferschl von der Linksfraktion. Doch dazu gehöre: die Tarifbindung zu stärken, prekäre Beschäftigung wie Leiharbeit einzudämmen und abzuschaffen, keine längeren Arbeitszeiten und kein höheres Renteneintrittsalter. Und „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, gerade mit Blick auf Einwanderung.
Fachkräfte aus dem Ausland beobachteten „sehr genau“, wie hierzulande mit Migrant*innen und Geflüchteten umgegangen werde. „Und dass hier Ayşe und Mustafa nicht willkommen sind, hat die Union mehr als deutlich gemacht“, erinnert Ferschl an die Migrationsdebatten der vergangenen Wochen.
Doch auch die FDP habe mit der Rede von „Einwanderung in die Sozialsysteme ins gleiche Horn gestoßen“, bilanziert die Linke. „Hören Sie auf, Menschen nach ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit zu beurteilen: Die einen, die Sie gerne haben möchten, und die anderen, die Sie am liebsten übers Meer zurückschicken würden“, kritisiert Ferschl.
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