Steuern für Konzerne und Superreiche: „Das erfordert globale Regeln“
Die Vereinten Nationen diskutieren, wie man international gerecht besteuert. Welche Staaten dabei bremsen, berichtet Expertin Tove Ryding.
taz: Frau Ryding, Steuern sind eigentlich Sache von Nationalstaaten, jetzt wollen plötzlich die Vereinten Nationen Abgaben für Unternehmen oder Superreiche durchsetzen. Kürzlich haben sie aber gerade mal einen Rahmen für eine künftige globale Steuerkonvention abgesteckt. Klingt schleppend – was bedeutet das?
Tove Ryding: Das ist eine sehr wichtige Entscheidung. Häufig geht es bei den Vereinten Nationen um Leitlinien oder Dialoge, aber die Mitgliedsstaaten haben diesmal dafür gestimmt, drei rechtlich verbindliche Instrumente zum Thema Steuern auf einen Schlag zu verabschieden. Das ist ein gewaltiger Schritt. Über Steuern wird seit über 100 Jahren international diskutiert. Aber wir haben noch nie über ein globales Steuerabkommen verhandelt, an dem alle Länder gleichberechtigt teilnehmen.
ist Steuerreferentin beim European Network on Debt and Development and sitzt im Lenkungsgremium der Global Alliance for Tax Justice (GATJ). Sie hat einen zivilgesellschaftlichen Vorschlag zur UN-Steuerkonvention mitverfasst.
taz: Worauf haben sich die Regierungen genau geeinigt?
Ryding: Das Mandat für die Steuerkonvention legt die Entscheidungsstrukturen für die Verhandlungen fest. Erstens haben sich die Regierungen verpflichtet, zusammenzuarbeiten. Zweitens haben sie sich darauf geeinigt, ein globales Steuersystem für nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Die Tatsache, dass die nachhaltige Entwicklung in dem Abkommen so deutlich erwähnt wird, ist für uns sehr wichtig, denn damit werden Steuersysteme als Mittel zur Finanzierung sozialer Ziele wie Schulen und Krankenhäuser sowie von Maßnahmen gegen den Klimawandel anerkannt.
taz: Wie verpflichtend werden die Vorgaben wirklich sein?
Ryding: Das ist eine der Schlüsselfragen bei den folgenden Verhandlungen. Wir haben uns gefreut, dass bereits in einem sehr frühen Stadium ein Abschnitt aufgenommen wurde, der besagt, dass Staaten echte Verpflichtungen eingehen in Bezug auf die Besteuerung von Unternehmen und Superreichen und zu nachhaltiger Entwicklung und Umweltschutz. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um sicherzustellen, dass die Länder ihre Versprechen und Verpflichtungen einhalten.
Ende letzten Jahres haben die Vereinten Nationen für eine Steuerkonvention gestimmt. Jetzt wurde der Rahmen dafür beschlossen. Ähnlich wie bei der UN-Klimarahmenkonvention setzt es den Auftakt für globale Steuerregeln. Die Konvention wird mehrere Themen behandeln mit dem Ziel, nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz zu finanzieren. Es soll zwei Zusatzprotokolle geben, im Gespräch sind Verpflichtungen zur Besteuerung von Superreichen und digitalen Unternehmen. Die Mitgliedstaaten müssen den Rahmen beim UN-Gipfel im Oktober bestätigen. Das gilt als Formalität. Danach wird drei Jahre über die Details verhandelt.
taz: Welche denn?
Ryding: Einige Länder versuchen bereits heute, das Steuerverhalten der anderen zu beeinflussen. Ein Beispiel dafür sind schwarze Listen, auf die sie Steuerparadiese setzen und ihnen mit verschiedenen Arten von Sanktionen drohen. Es kann auch Maßnahmen für Länder geben, die das Abkommen am Ende nicht unterzeichnen.
taz: Die Industrieländer haben im Rahmen ihrer Organisation OECD schon über internationale Steuervorschriften verhandelt – waren aber von Anfang an gegen eine UN-Steuerkonvention. Die EU hat sich nun bei der Abstimmung zumindest enthalten. Werden die reichen Länder es zulassen, dass der Rest der Welt bei diesem Thema mit am Tisch sitzt?
Ryding: Als die OECD-Länder im November mit „Nein“ gegen die Resolution eines Steuerabkommens stimmten, war es fraglich, ob sie überhaupt an den Verhandlungen teilnehmen. Aber sie haben sich nicht nur beteiligt, sondern sehr viel gesagt. Natürlich haben sie befürchtet, dass die Entwicklungsländer sich zusammentun und ihr eigenes System einführen, unabhängig davon, ob die OECD-Länder mitmachen wollen oder nicht.
Aber die Entwicklungsländer haben sehr deutlich gemacht, dass sie ein globales Abkommen bevorzugen. Möglich ist, dass die Industrieländer nur dabei sind, um das Abkommen zu schwächen und dann nicht unterzeichnen. Der Text trägt bereits deutliche EU-Fingerabdrücke.
taz: Welche genau?
Ryding: Die OECD-Länder, darunter die EU, haben mehr Zeit gefordert. Anstelle von zwei Jahren, wie von den afrikanischen Ländern vorgeschlagen, heißt es nun, dass die Verhandlungen erst in drei Jahren abgeschlossen sein sollen. Generell haben sie die nationale Souveränität betont und eine weichere und weniger spezifische Sprache vorgeschlagen. Aber die EU hat nicht nur ein Interesse. Es gibt dort Steuerparadiese und es gibt Länder mit hohen Steuern. In Westeuropa gibt es viele Firmensitze, in Osteuropa nicht. Es bleibt also interessant.
taz: Was sind die großen Themen des Abkommens?
Ryding: Illegale Finanzströme, Steuerhinterziehung, Steuervermeidung. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass das Probleme sind, aber wenn es konkret wird, blockieren Länder mit diesen schädlichen Strukturen. Außerdem geht es darum, wo multinationale Unternehmen Steuern zahlen sollen.
Die OECD hat Länder bevorzugt, in denen sich Hauptsitze multinationaler Firmen befinden. Viele andere Länder sind der Meinung, dass die Besteuerung gleichmäßiger verteilt werden sollte und Ländern, in denen die Produktion oder Rohstoffgewinnung stattfindet, zugutekommt.
taz: Produktionsländer können doch Unternehmen besteuern, das ist eine nationale Angelegenheit. Warum braucht es globale Regeln?
Ryding: Sobald ein Unternehmen über nationale Grenzen hinweg tätig ist, wird es kompliziert. Es besteht oft eine Diskrepanz zwischen dem Ort, an dem die Gewinne anfallen, und dem Ort, an dem die wirtschaftliche Tätigkeit stattgefunden hat. Zwar können Länder multinationalen Unternehmen Steuern auferlegen, indem sie zum Beispiel grenzüberschreitende Finanzströme oder bestimmte Aktivitäten im Land besteuern, aber es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Besteuerung auf Grundlage ihrer Gewinne der beste Ansatz ist. Ein solches System erfordert globale Regeln.
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