Stephan Weils Rücktritt: Zu farblos, zu konturenlos, zu geräuschlos
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil tritt zurück. Er war ein Politikertyp, der am liebsten im Verborgenen agierte.
D ass der Rücktritt kommen wird, war klar. Einzig offen war die Frage: Wann überlässt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil einem anderen – designiert ist der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies – das Feld. Die einstigen Kontrahenten unterscheiden sich vor allem durch ihr rhetorisches Talent. Während Lies die Sätze nur so raushaut, übt sich Weil am liebsten in Schweigen. Aber eins haben beide gemeinsam: Man würde an ihnen vorbeilaufen, träfe man sie in Hannover in der Kröpcke-Passage beim Krawattenkauf.
Obwohl Weil als Politiker einer Partei im Sinkflug und insbesondere in dem als Niedersachsen-Sumpf titulierten Bundesland erfolgreich war, wird er den wenigsten in Erinnerung bleiben. Und das nicht nur außerhalb Niedersachsens, sondern auch auf den Bauernhöfen des Agrarlandes, das gern eine Öko-Oase wäre, aber es nie wagte, tatsächlich eine zu werden.
Weil wird zwar geschätzt für sein politisches Geschick – so spielte er eine entscheide Rolle bei der Aufarbeitung des VW-Skandals, managte erfolgreich die Coronakrise und sorgte nach dem Energieboykott gegen Russland rasch für LNG-Terminals. All das aber wird kaum mit seinem Namen verbunden in Erinnerung bleiben. Weil Weil zu farblos, zu konturenlos, zu geräuschlos war. 2013 überschrieb die taz einen Text zu seinem Amtsantritt als Ministerpräsident mit der schönen Schlagzeile: Weil, den niemand kennt.
Mit Weil verschwindet ein Politikertypus, der – nun ja – SPD-eigen zu sein scheint: der schweigsame, unaufällige Beamte, der aus Angst, etwas Falsches zu tun, sich lieber vornehm zurückhält. So hat Olaf Scholz als Kanzler agiert, so hat Stephan Weil als Landesvater regiert. Diese besonnene Zurückhaltung mag in erhitzten Zeiten mitunter wohltuend sein, verbal abzurüsten ist nie verkehrt. Aber reicht das als politisches Konzept, angesichts des sich weiter verschärfenden Rechtsrucks? Möglicherweise braucht es aktuell mehr Politiker:innen, die dem Rechtstrend offensiver (nicht aggressiver) etwas entgegenzusetzen haben. Dazu braucht es jemanden mit mehr Profil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Unmut in der CDU
Merz muss sie vor den Kopf stoßen
Kritik an ARD und Didi Hallervorden
Das träge und schwerfällige Walross
Parteichef unter Druck
Lokale CDU-Verbände kritisieren Merz
Stromverbrauch explodiert durch Hitze
Erneuerbare auf Rekordhoch, Emissionen auch
Kindererziehung nach Trennung
„Das Finanzamt benachteiligt Nestmodell-Eltern“
Börseneinbruch nach Trump-Zöllen
Zu früh für Panik – Crash ist nicht gleich Crash