Steigende Energiepreise: Weg mit der Gießkanne

Die geplante Energiepreisentlastung gerät zum Gewurstel ohne Sinn für soziale Gerechtigkeit. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht?

Olaf Scholz steht an einer Wand mit vielen Heizungsrohren

Diskussion übers Heizrohr? Olaf Scholz greift daneben Foto: Peter Kneffel/dpa

Zum Glück lässt der Winter dieses Jahr auf sich warten. Noch muss nicht auf höchster Stufe geheizt werden. Die Verunsicherung ist trotzdem groß. Die Menschen fragen sich, wie viel Geld sie auf die Seite legen müssen, um die nicht planbaren Nebenkosten zu bezahlen.

Im September kündigte die Bundesregierung den „Doppelwumms“ an, ein 200-Milliarden-Euro-Entlastungspaket, um den rasanten Anstieg der Energiepreise abzufedern. Olaf Scholz wollte damit der zunehmenden Verunsicherung in der Bevölkerung entgegenwirken. Doch seither drehen sich die Diskussionen um eine Unmenge an Details und Umsetzungsfragen.

Eine Gaspreiskommission hat Vorschläge erarbeitet und nun debattiert die Regierung, ob und wie sie diese Empfehlungen umsetzen will – und kann. Denn die Sache ist denkbar komplex.

Parallel dazu wurde eine Strompreisbremse entwickelt. Und es werden immer mehr Rufe nach weiteren Entlastungen laut. Die SPD wünscht sich beispielsweise, dass auch Menschen, die mit Öl oder Holz heizen, entlastet werden.

Auch wenn die Regierung diese Woche eine Ansage machen und damit endlich Klarheit schaffen wird, bleibt das Vorhaben kompliziert. Das Ziel, den Bürgerinnen Sicherheit zu geben, wird wohl nicht erreicht werden.

Ginge es nicht auch gerechter und einfacher?

Auch ist unklar, wie groß der Streuverlust der Maßnahmen sein wird. Also wie viele staatliche Mittel in Haushalte fließen, die die Situation ohne finanzielle Hilfen stemmen könnten. Teil der Debatte ist deshalb auch die Frage, ob begüterte Menschen die geplanten Hilfen versteuern müssen.

Ohnehin fragwürdig: Die vorgeschlagenen Preisbremsen für Gas und Strom orientieren sich am Vorjahresverbrauch. Ein Haushalt bekommt also umso mehr verbilligte Energie, je mehr er im letzten Jahr verbraucht hat. Das ist insbesondere für die Menschen ein Problem, die schon letztes Jahr wenig Geld hatten und beim Heizen gespart haben. Da fragen sich viele zu Recht, ob es nicht gerechter und einfacher ginge.

Karen Pittel, Mitglied der Gaspreiskommission, hat schon Anfang Oktober im Fernsehen ausgeführt, warum es aus ihrer Sicht nicht möglich sei, zielgerichtet Haushalte mit Gasheizung und niedrigen Einkommen zu unterstützen: Es gebe zwar die Daten darüber, wer wie heize und es gebe auch Daten darüber, wer wie viel Geld zur Verfügung hätte, doch es sei aus Datenschutzgründen nicht möglich, diese Informationen zu verknüpfen. Ergo bliebe gar nichts anderes übrig, als schlicht alle Haushalte, die mit Gas heizen, zu unterstützen.

Doch es gäbe eine Alternative: Nämlich stattdessen alle Haushalte mit wenig Geld zu unterstützen, unabhängig davon, wie sie heizen.

In beiden Fällen werden die Haushalte mit Gasheizung und wenig Geld unterstützt, in ersterem Fall werden zusätzlich Reiche mit Gasheizung entlastet, in letzterem arme Menschen ohne Gasheizung. Im Sinne der sozialen Gerechtigkeit wäre Zweiteres wünschenswert.

Energie wird teurer – grundsätzlich und für alle

Warum also dieses staatliche Geld nicht in Form von großzügigen, nicht zweckgebundenen Auszahlungen – einmalig oder mehrmalig – an alle Haushalte mit niedrigem Einkommen verteilen?

Denn wie die Debatten über Strom, Benzin, Heizöl und Holz zeigen, steigen die Preise für alle Energieformen und Heizen wird teurer – grundsätzlich und für alle. Und: Wenn die Energiepreise steigen, dann steigen auch die Preise für viele andere Güter.

Es gibt in Deutschland Menschen, die das verkraften können. Und es gibt Menschen, für die es aus unterschiedlichen Gründen eine existenzielle Bedrohung darstellt. Für die einen wegen der Nebenkostenabrechnung, für die anderen, weil sie mit dem Auto pendeln müssen, für wieder andere, weil die Lebensmittel immer teurer werden.

Ein weiterer Vorteil einer nicht zweckgebundenen Unterstützung: Der Sparanreiz bliebe vollständig erhalten. Denn die Nebenkostenabrechnung würde nicht sinken, stattdessen hätten Betroffene mehr finanziellen Spielraum. Kurzfristig ist das wichtig, weil Energie nicht nur teuer, sondern auch knapp ist. Langfristig ist es wichtig, damit wir die Energiewende schaffen und unsere Klimaziele erreichen können.

Eine großzügige, nicht zweckgebundene Unterstützung aller Haushalte, die wenig Geld zur Verfügung haben, wäre also sozial gerecht, energiepolitisch sinnvoll und zudem einfacher und verständlicher als das aktuelle Maßnahmengewurstel. Und das Ziel, alle Bürgerinnen durch den Winter zu bringen, würden wir damit auch erreichen.

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