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Soziale Folgen der Klimapolitik„Wir planen für alle“

Haushalte mit niedrigen Einkommen bräuchten mehr finanzielle Hilfen für Klima-Maßnahmen, sagt Ines Verspohl vom neuen Institut für Klimasozialpolitik.

Eingeschneite Häuser in Frechen bei Köln. Nicht jeder Mensch mit Wohneigentum kann sich eine energetische Sanierung leisten Foto: Christoph Hardt/imago
Hannes Koch
Interview von Hannes Koch

taz: Klimapolitik ist eine teure Angelegenheit, nicht nur für den Staat, sondern auch für die Bürger*innen. Richtig, Frau Verspohl?

Ines Verspohl: Die Klimapolitik kostet die Privathaushalte und Unternehmen einerseits deshalb Geld, weil der Kohlendioxidpreis auf den Marktpreis fossiler Energie aufgeschlagen wird. Andererseits müssen die Bürger, die Firmen und der Staat die Investitionen für die Umstellung auf klimaneutrale Energie finanzieren. Keine Klimapolitik zu machen wäre aber ebenfalls teuer – etwa wegen der zu erwartenden Umwelt- und Gesundheitsschäden.

Im Interview: Ines Verspohl

ist Politikwissenschaftlerin und Geschäftsführerin des neuen privaten Instituts für Klimasozialpolitik, Zukunft KlimaSozial, in Berlin. Dieses wird finanziert von der European Climate Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung mit Sitz in den Niederlanden.

Der Preis für Kohle, Öl und Gas wird permanent zunehmen – so will es die Bundesregierung. Eine gute Idee?

Die Bundesregierung plant, den Kohlendioxidpreis von heute 45 Euro pro Tonne auf maximal 65 Euro 2026 anzuheben. Wie es danach weitergeht, wissen wir nicht. Diese Unsicherheit ist ein Riesenproblem für die Haushalte. Die fragen sich, ob es langfristig günstiger ist, eine Wärmepumpe einzubauen oder eine Gasheizung.

Die Tendenz scheint klar: Fossile Energie, die wir heute noch alle brauchen, wird massiv teurer.

26 Prozent aller armutsgefährdeten Personen in Deutschland leben in Häusern oder Wohnungen, die ihnen selbst gehören

Wenn der CO₂-Preis ab 2027 in ganz Europa eingeführt wird, soll ihn der freie Markt bestimmen. Für die vermutliche Höhe gibt es verschiedene Szenarien. Sie liegen zwischen 45 und 300 Euro pro Tonne. Letzteres wäre für Haushalte, die dann noch fossil heizen müssen, eine zu große Belastung. Deshalb sollte die Politik heute dafür sorgen, dass die Leute in zehn Jahren kein Gas mehr brauchen. Wir müssen allen Privathaushalten ermöglichen, von den fossilen Energien wegzukommen.

Sie haben das private Institut Zukunft KlimaSozial gegründet. Warum ist das nötig?

Wir wollen die Politik in dem Sinne beraten, dass sie Klimapolitik und Sozialpolitik zusammendenkt. Heute passiert das noch zu wenig. Es geht unter anderem darum, wie sich die sozialen Folgen der Klimapolitik abfedern lassen.

In Frankreich erhalten Be­sit­ze­r*in­nen von Wohneigentum bis zu 90 Prozent der Kosten der Energiesanierung als Zuschuss vom Staat. Ist das nicht eine übertriebene Großzügigkeit?

Das ist eine politische Antwort darauf, dass manche Haushalte kaum Geld auf dem Konto haben und gleichzeitig nur niedrige Einkommen oder Renten. Deshalb können sie die Energiesanierung ihrer Immobilien – Dämmung der Fassaden, neue Fenster und Heizungen – nicht selbst bezahlen. Hierzulande war das eine Motivation für den öffentlichen Aufschrei gegen das Heizungsgesetz im vergangenen Jahr. Denn 26 Prozent aller armutsgefährdeten Personen in Deutschland leben in Häusern oder Wohnungen, die ihnen selbst gehören. Wenn wir wollen, dass diese Leute ihr Eigentum sanieren und nicht irgendwann 300 Euro CO₂-Preis zahlen, müssen wir sie unterstützen. Aber die Bedingungen in Deutschland und Frankreich unterscheiden sich. Eine 90-Prozent-Förderung für Hausbesitzer wäre in dieser Höhe hierzulande nicht angemessen. Schließlich wohnt die Hälfte der Bundesbevölkerung zur Miete und kann nicht selbst entscheiden, ob und wie das Haus saniert wird. Für Mieter ist daher ebenfalls eine spezielle Förderung erforderlich.

Welche Bevölkerungsgruppen sind außerdem von steigenden Energiekosten betroffen?

Es geht auch um diejenigen, die ihre Autos weiter brauchen, weil das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs zu gering ausfällt. Wir beim Institut planen für alle Bevölkerungsgruppen mit unteren und mittleren Einkommen.

In Frankreich gab es vorübergehend eine besondere Förderung für Elektroautos. Für wen galt diese und wie sah sie genau aus?

Die Idee war, dass Leute mit wenig Einkommen und langen Pendelwegen zur Arbeit ein E-Auto vergünstigt leasen konnten. Die Kosten betrugen nur 50 bis 150 Euro monatlich, der Staat übernahm den Rest. So half die französische Regierung ihren Bürgern, von Benzin auf Strom zu wechseln und den Absatz von kleinen Elektrofahrzeugen aus heimischer Produktion zu erhöhen. Allerdings wurde das Programm wegen unerwartet hoher Nachfrage zunächst gestoppt.

Österreich bietet Pendlerinnen und Pendlern ebenfalls eine außergewöhnliche Förderung an.

Wer in abgelegenen Gegenden ohne ausreichenden öffentlichen Nahverkehr wohnt, erhält einen höheren Klimabonus. Der geht grundsätzlich an alle, um der Bevölkerung die Einnahmen aus dem dortigen CO₂-Preis zurückzuerstatten.

Haben wir in Deutschland ähnliche Programme, die nach sozialen Lagen unterscheiden?

Bisher bloß in einem Fall: Wer weniger als 40.000 Euro zu versteuerndes Einkommen hat, das entspricht ungefähr dem Durchschnittseinkommen für zwei Vollzeitjobs, bekommt einen höheren Zuschuss beim Austausch der Heizung.

Sie argumentieren: Das Klimageld, das hierzulande gefordert, diskutiert und vorbereitet wird, reiche nicht. Warum?

Das Klimageld ist dafür gedacht, die finanziellen Belastungen auszugleichen, die den Privathaushalten durch den CO₂-Preis entstehen. Es würde aber zu gering ausfallen, als dass man sich damit eine Wärmepumpe kaufen könnte. Um die Investitionen in klimafreundliche Heizsysteme und Fahrzeuge zu ermöglichen, sind zusätzliche Instrumente der Klimasozialpolitik nötig.

Und woher sollen die Mittel kommen, mit denen der Staat das alles bezahlt?

Die Haushalte werden sich an den Investitionen beteiligen müssen. Was den Staat betrifft, haben wir bisher keinen Vorschlag formuliert. Grundsätzlich gäbe es aber die Möglichkeit, solche Ausgaben mit einer höheren Staatsverschuldung zu finanzieren. Ein zweiter Weg bestünde darin, höhere Steuern beispielsweise auf Erbschaften und Vermögen zu erheben. Das ist eine politische Entscheidung – ebenso wie der Verzicht auf eine zusätzliche Klimasozialpolitik. Dann aber müssten die Haushalte alles selbst bezahlen – in Gestalt der hohen CO₂-Preise, der Investitionen und auch der Schäden, die durch die unterlassene Klimapolitik entstehen.

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16 Kommentare

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  • zu allem elend hinzukommt noch eine unsägliche bürokratie, an diesem beispiel gut zu sehen:



    dieser parteilose landrat tritt zurück, weil (u.a.):



    "Neubauer hatte zuvor bereits in einem MDR-Beitrag über Bürokratie-Wirrwarr seinen Rückzug angekündigt. Er kritisierte unter anderem die jahrelangen Bearbeitungszeiten bei der Genehmigung von Windkraftanlagen, die mit großen Mengen Papier einhergingen. "Für uns bedeutet das, dass hier oben jemand zehn Leitz-Ordner reinstopft. Und diese zehn Leitz-Ordner, die müssen wir drei oder vier Mal kopieren und im Haus verteilen, durch die Gegend fahren", klagte er."



    www.t-online.de/na...-anfeindungen.html



    er ist übrigens der einzige nicht-cdu-landrat in diesem bundesland. (s.ebd.)

  • Konsequenter Klimaschutz und Kapitalismus gehen nicht zusammen, das haben die letzten 50 Jahre gezeigt.

    Das liegt an den Triebkräften innerhalb des Kapitalismus, dem Zwang der Wirtschaft permanent zu wachsen, Politikern die Steuereinnahmen benötigen, um die Infrastruktur zu finanzieren und an den konditionierten Menschen, die sich über Konsum definieren.

    Konsequenter Klimaschutz würde mit vernünftigem Verzicht funktionieren: auf Wohnfläche pro Kopf, auf Flüge, auf das Privatauto, auf Fleischkonsum, auf kurzlebige Produkte (T Shirt bis Smartphone).

    Das würde den CO2 Ausstoß rasch reduzieren, ist im Kapitalismus nicht umsetzbar - das große Dilemma.

    Daher geht nur langsamer Klimaschutz, der uns in eine 2,5-3 Grad Erwärmung führt.

    Dieses Dilemma - die weitere "Verschwendung" fossiler Energien einerseits und das hilflose Bemühen der CO2 Reduktion auf anderen Ebenen, läßt viele Menschen ratlos und desillusioniert zurück.

    Die Politik und Gesellschaft kann, ohne die Systemfrage zu stellen, kein überzeigendes Gesamtkonzept anbieten.

    Bitte nicht falsch verstehen, jedes Windrad und jede Solarfläche ist wichtig und kann helfen, die Klimakatastrophe minimal abzumildern.

    • @Paul Schuh:

      Das ist kein Problem des Kapitalismus, sondern der Demokratie.



      Die Punkte, die sie korrekterweise für einen konsequenten Klimaschutz fordern, lassen sich auch in einem kapitalistischen System darstellen. Durch Lenkungssteuern, weitere Abgaben und Gesetze.



      Dann ist aber bei uns nach vier Jahren Wahltag und ich fürchte, dass Ihre Meinung dort nicht die Mehrheit findet bzw. Politiker, die ja wiedergewählt werden wollen, dieses Programm von vorneherein nicht anbieten.



      Sie fordern also (im positiven Sinne) "Klimadiktatur"

  • Ich habe aufgehört, den Artikel zu lesen, als ich las, dass die Umstellung von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien in zehn Jahren geschafft sein soll.



    Sorry, das ist nicht machbar.



    Weder haben wir das Geld, noch die Handwerker, dass in dieser kurzen Zeitspanne zu schaffen.



    Das ist mit Verlaub gesagt, Traumtänzerei.

  • Die Statements sind ja nicht gerade mit Details bestückt. Solch Allgemeinplätze hören sich zwar nett an, geben aber keine neuen Aspekte für eine Weiterentwicklung von dringend notwendigen Konzepten.



    Mal sehen was da noch kommt. Sonst heißt es zum Schluss noch, schade um das Geld der European Climate Foundation.

  • Klimaschutz ist für die Konzerne im bisherigen Stil bei weitem nicht lukrativ genug. Solange deren Einfluss auf die Regierungen derart übermächtig bleibt, fahren "wir" wie gewohnt weiter in Richtung Wand.

  • Der nächste Bundeskanzler heißt wohl Friedrich Merz. Da wird die Sozialpolitik eher komplett eingestampft als ausgebaut. Alles, was die Ampel in dieser Legislatur an sozialem versäumt hat, wird danach auch nicht kommen.

  • Klimaschutz ist an sich sozial, da Klimaschäden alle treffen und sich Arme dagegen schlechter wehren können. Und wenn die Vorfinanzierung eben auch die Bonzen mal wieder einbezieht.

    Zum Bild oben: Frechen liegt kurz vor Köln, trotz einiger Hügel doch eher in der immer wärmeren Kölner Bucht. Da ist es inzwischen selten, dass überhaupt mal Schnee fällt. Vielleicht auch an den abgebildeten Flachdächern zu vermuten, die offensichtlich noch nicht unter der immensen Schneelast zusammenbrachen. Parallel zur Dämmung können wir uns überlegen, ob es nicht häufig wirklich auch Stoßlüftung plus Pullover auch weitgehend tut in solchen Fällen.

  • Kanada hat das Rad schon 2019 erfunden:



    www.canada.ca/en/e...ing-in-canada.html



    2024:



    1544 Can$/Jahr Klimageld für Familie mit 2 Kindern.



    Deren System ist gerecht, effizient und durch 10jährige Festlegung der CO2-Preisanstiege gut planbar.



    Daher auch sofortige Lenkungswirkung.



    Könnte man sich abgucken.



    Könnte.

    • @So,so:

      Man könnte sich von Kanada auch andere Errungenschaften abgucken:



      - geringere Sozialleistungen



      - gesteuerte Integration



      - Achtung von Eigentum

      macht man aber nicht...

  • Junge junge, selbst Fachleute sind gnadenlos in den negativen Denkstrukturen von gestern/von Schuldgelddenken gefangen.

    Für eine positive Gesellschaft brauchen wir Positives Denken. Positives Denken führt zu einem Positivem Geldsystem (Positive Money System).

    Beim Positivem Denken ist Schluß mit "wir haben kein Geld dafür". "wir müssen die Schuldenbremse einhalten", "wir müssen Schulden abbezahlen".

    Für das neue Zeitalter ist alles schon vorgedacht. Guckst Du hier:

    www.moneytransformation.org/

    Hier:

    positivemoney.org/eu/

    Und hier:

    monetative.de/

    Ines Verspohl plant für alle innerhalb des alten, völlig perversen Schuldgelddenkens (Negative Money). Das wird scheitern.

  • "...40.000 Euro zu versteuerndes Einkommen hat, das entspricht ungefähr dem Durchschnittseinkommen für zwei Vollzeitjobs..."

    Sowas bleibt unkommentiert liebe tazzis? Eine Nachschau beim Bundesamt für Statistik kommt auf fast 52.000€ - für eine Volzteitstelle!



    Bei einer solchen Fehleinschätzung über das tatsächliche Einkommen der Bevölkerung wundern viele Artikel und Kommentare hier nicht mehr...

    • @Samvim:

      Naja, das ist nicht nur ein Problem der taz, sondern auch des Wirtschaftsminiserium. Hat dieses doch den Grenzwert eingeführt, unwissentlich wie niedrig dieser liegt und bestenfalls die Oma beinhaltet mit Ihrem Häuschen aus den 1960-ern. Das wartet auf eine Vollsanierung und und wird weiter warten, denn die Oma packt das auch mit ihrem Jahreseinkommen unter 40 TEuronen nicht an denn sie ist zu alt um den Rest der Euronen bei der Bank aufzunehmen. Von der Stressübernahme solch ein Projekt zu stemmen ganz abgesehen. Diese Festlegungen sind einfach vollkommen Lebensfremd. Viel wichtiger wäre ein staatliches Consulting (komplette Projektabwicklung) mit Vorfinanzierung der gesamten Maßnahmen unter Absicherung einer Rückzahlung aus Beteiligung an der Immobilie. Schließlich ist die staatliche Investiton bleibend und Wertsteigernd. Ein Wohnrecht ist natürlich zu vereinbaren. Dann müssen die Oma und Opas nix investieren (haben ja auch nix) aber die Energiewende wird gelingen.

  • "26 Prozent aller armutsgefährdeten Personen in Deutschland leben in Häusern oder Wohnungen, die ihnen selbst gehören." Kann mir jemand erklären, wie ein Eigenheimbesitzer 'armutsgefährdet' sein kann? Wenn man sich ein Haus nicht leisten kann, sollte man verkaufen und nicht annehmen, die Allgemeinheit habe den eigenen Lebensstandard zu finanzieren.

    • @hamann:

      Geringe Rente, geringes Einkommen, steigende Nebenkosten?



      Da gibt es auch genug Orte, wo einfach keiner das Haus kaufen möchte.



      Sozialabbau, verfehlte Strukturpolitik, niedrige Löhne und Renten, damit hat die Allgemeinheit den Vermögenszuwachs und die sprudelnden Renditen der Milliardäre finanziert. So rum läufts doch.

    • @hamann:

      Leben in den eigenen vier Wänden kann trotzdem noch billiger als Mieten sein. Verkaufen ist daher meist keine Lösung um aus einer finanziellen Krise zu kommen.