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Sondierungen von Union und SPDDie Grünen pokern hoch – und das ist richtig so

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Friedrich Merz hat es versäumt, die Grünen früh einzubeziehen. Jetzt bekommt er die Quittung dafür. Nun muss Merz zeigen, dass er Kompromisse kann.

Nein-Sager:innen: Britta Haßelmann (vorne rechts) und die neue Grünen-Fraktion im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

F riedrich Merz und seine Ko­ali­ti­ons­part­ne­r:in­nen in spe haben sich offenbar verrechnet. Die Grünen fügen sich nicht einfach den Plänen für die Turbo-Verfassungsänderung, die die voraussichtlich künftige Bundesregierung noch vom alten Bundestag verabschieden lassen will. Für ein paar warme Worte sind sie nicht zu haben, sie lassen ihre Muskeln spielen. Das dürfte nicht nur Union und SPD überraschen, denn in den Ampel-Jahren waren die Grünen aus Staatsräson trotz Demütigungen kompromissbereit bis zur Selbstaufgabe.

Die Unionchefs Markus Söder und Friedrich Merz betrachteten Grünen-Bashing bis vor Kurzem als konservativen Volkssport. Jetzt sind sie bei den geplanten Grundgesetzänderungen für die Abschaffung der Schuldenbremse für Militärausgaben und das „Sondervermögen“ für die Infrastruktur nicht nur im Bundestag auf ihre Stimmen angewiesen. Auch im Bundesrat müssen die grün mitregierten Länder die Verfassungsänderung mittragen. Das gibt den Grünen viel Macht.

Trotzdem hat es Friedrich Merz versäumt, die Grünen bei den Verhandlungen über Schuldenbremse und „Sondervermögen“ früh einzubeziehen; stattdessen hat er sie vor vollendete Tatsachen gestellt und düpiert. Das zeigt seine krasse diplomatische Unfähigkeit. Hoffentlich stellt er sich in internationalen Runden geschickter an, sollte er tatsächlich Bundeskanzler werden.

Die Grünen pokern hoch, und das ist richtig. Merz hat ihnen kein akzeptables Angebot gemacht, um ihre Zustimmung zu erreichen. Die ­Vokabel „Klima“ in ein rechtlich bedeutungsloses Papier aufzunehmen, wie in Aussicht gestellt, wäre nicht einmal ein symbolisches Entgegenkommen. Dass die Grünen etwas Verbindliches verlangen und sich nicht mit vagen Versprechen abspeisen lassen, spricht für sie.

Am Ende werden die Grünen nicht stur bleiben

Jetzt kann Merz beweisen, ob er das politische Handwerk beherrscht und eine tragfähige Lösung findet. Die finanzielle Lage des Staates ist prekär, das wissen die Grünen besser als so man­che:r Christdemokrat:in. Sie werden sich auf ein akzeptables Angebot einlassen, denn sie verstehen sich als konstruktiver Teil des Bundestags. Auch wenn es zeittechnisch anspruchsvoll ist, könnte es eine Lösung für die Teilabschaffung der Schuldenbremse geben – wenn Merz will. Union und SPD könnten anbieten, sie nicht nur für Verteidigungsausgaben, sondern auch für Klimaschutz abzuschaffen.

Für das Öffnen der Militärausgaben wird es im neuen Bundestag keine Mehrheit mehr geben. Ohne diese Verfassungsänderung aber werden in den kommenden Jahren zunehmend Militär- gegen Sozialausgaben ausgespielt. Das würde das Land weiter zermürben.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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32 Kommentare

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  • Ja klar. Wenn man die Zustimmung der Grünen will, muss man Kompromisse machen. So funktioniert halt Politik. Verrückt aber auch. Allein ich hab die Befürchtung, nachdem diverse Unioner wie auch Sozen jeweils ihrer Partei ein "totales Umfallen" vorwerfen, wirds mit den Grünen nicht anders aussehen. Es wäre wirklich allerhöchste Zeit, zu zeigen, dass Politik mit Verantwortungsbewußtsein und Kompromissbereitschaft überhaupt noch möglich ist.

  • Die völlig unschuldigen - teils noch ungeborenen - jüngeren Generationen sollen höhere Abgaben für die Renten- und Pflegekassen leisten als die heutigen. Sie sollen teure Umweltstandards bezahlen (steigende Preise für CO2-Zerfikate). Sie sollen die in ihrer Zeit anfallenden Kosten zum Erhalt der Infrastruktur tragen + die jetzt anstehenden + die eingesparten der letzen 20 Jahre + Zinsen.

    Dafür müßten in Zukunft die Unschuldigen viel effektiver, mehr und länger arbeiten als die heutigen Verursacher. Diese dagegen erlauben sich kürzere Wochen- und Lebensarbeitszeiten. Es sind sogar Steuererleicherungen geplant. SPD und CDU/CSU planen in widerlicher Weise die Ausbeutung junger Menschen um ihren heutigen Wählern eine schöne Zeit zu finanzieren.

    Ekelhaft!

    Das Mindeste ist, jedes jetzige Steuerkonto mit einer Einmalzahlung zu belasten (Lastenausgleich) und den Solidaritätszuschlag wieder in voller Breite zu erheben. Das Verfahren ist bekannt und könnte kurzfristig reaktiviert werden.

    Hoffentlich gibt es noch genügend Abgeordnete, die über ein Gewissen verfügen. Wenn nicht, stellt hoffentlich das Bundesverfassungsgericht klar, daß eine spätere Generation nicht überlastet werden darf.

  • Ich bin begeistert, dass den Grünen ein Mitsprachrecht gegeben wird, obwohl allen klar sein muss, dass Schwarz nur mit Rot regieren wird und die Grünen dabei ignoriert oder als Teufel angesehen wird. Söder, unser Grünenfreund, würde sicherlich die Partei verbieten wollen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Falsch, da viele Gesetze durch den Bundesrat müssen sind die Grünen zb was Sondervermögen angeht sehr relevant.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Ach - Söder , morgen oder übermorgen wieder einen 🌳 im Arm.



      Da kann ich nix mehr drauf geben.



      Aber er hat ja auch noch zur Not " seine " Baumüller Gruppe zuhause 😉

  • Einfache Lösung:



    Herr Merz braucht die Grünen gar nicht. Es geht auch ohne Grundgesetzänderung.



    Adenauer (Sozialist? Wohl kaum!) und der Lastenausgleich liefern die Vorlage für eine simple Lösung:

    Vermögensabgabe (900 Mrd. EUR).



    Diese kann der Bundestag (auch der neue) mit einfacher Mehrheit beschließen.







    Übrigens:



    30 Billionen EUR beträgt die Summe der Vermögen in der BRD ungefähr, verteilt auf ca. 21 Anlage- und 9 Geldvermögen (jeweils Billionen also tausend Milliarden).

    3 % davon (900 Mrd.) sollten mit (nur etwas) guten Willen über ein Jahrzehnt verteilt (also 3 Promille pro Jahr) als Vermögensabgabe einzusammeln sein.



    Es geht doch um die Existenz dieser Republik, oder?

    • @DHM:

      Da wäre aber der Verein der " Familienunternehmer " wohl - not enthused. Interessiert sind ja die Aufnahmekriterien, für diesen rund 600 Mitglieder umfassenden Verein - mindestens 10 Angestellte und bei einer Umsatzgröße von 50 - 99,9 Millionen Euro, beträgt der Mitglieder - Mindestbeitrag ca. 1.400 Euro jährlich.

  • Im Bundestag haben die Grünen zusammen mit der AfD eine Sperrminorität. Pikant...

  • Die Vorgeschichte sollte auch berücksichtigt werden:



    6.11.24 deutschlandfunkkultur.de



    "In diesem Szenario sieht Politologe von Lucke ein Kernproblem für den Wahlkampf der kommenden Wochen. Als Beispiel nennt er einen Auftritt von Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder. „Diese Schärfe in der Abgrenzung zu den Grünen macht es meiner Ansicht nach sehr schwierig, dass nach der Wahl dann doch eine schwarz-grüne Koalition zustande kommt.“



    Damit schränke die Union ihren eigenen Spielraum bei einer möglichen Regierungsbildung ein. Es wäre eine negative Folge der schrillen Rhetorik."



    Jetzt ist die Zeit der Weichenstellungen und der Herstellung einer Regierungsfähigkeit, die von der Union in Zukunft sicher nicht im Sinne der Grünen und ihrer Klimaschutzziele mit eigener Agenda ausgestaltet werden wird. Diese Zwickmühle war vorhersehbar, auch für Söder und Merz. Jetzt kommt vielleicht die politische "Kreidezeit".

  • Schön, dass sich alle einig sind viel Geld für alles und jeden auszugeben. Und jeder darf noch Wünsche äußern.



    Und nun kommt Grün und will das Thema unserer Zeit auch bedienen, den Klimawandel, und es gibt Stress.



    Und nein Frau Krüger nicht das Soziales wird gegen Verteidigung ausgespielt, sondern Klima gegen Generationengerechtigkeit. Kein Wort zum Thema Rente derzeit.

    • @Tom Farmer:

      Die Rente wird um 4 prettiest erhöht, also mehr als Mindestlohn. Im Papier wurde Rente mehrfach erwähnt, also erzählen sie keinen Quatsch.

    • @Tom Farmer:

      Wenn die Welt den Bach runtergeht (wg Klimawandel) nützt einem die Rente auch nichts mehr.

  • Da können die Grünen ja gleich noch die Vermögenssteuer auf die Tagesordnung setzen. Und nach all diesem Gemache fühle ich mich bestätigt, dass ich Merz und Klingebeil absolut nicht vertraue.

  • Das ist kranker Humor par excellence, jetzt braucht man genau von jenen die man als Linke Spinner und schlimmeres tituliert hat und man sogar von den Bundesverfassungsgericht mit verklagt hat, wegen der Umwidmung von 240 Mrd Cornahilfen, wie die Klage ausgegangen ist das weiß jeder, jetzt sollen genau jene für ein Sondervermögen ( Schulden ) zustimmen in unfassbarer Höhe. Die Grünen sollten jetzt auf ( all in ) gehen, sollten die Grünen nicht das bekommen was sie wollen, dann sollten sie das Lügengebilde das Merz gebildet hat, ohne schlechtes Gewissen einfach alles einstürzen lassen.

    • @taz.manien:

      Einen Bundeskanzler in spe, der gezeigt hat, wie er und seine Partei - die CDU, Demokratie definieren, nämlich als eine Regierungsform der Täuschung, Hinterhältigkeit, Verlogenheit, des Hintergehens, unsozial nicht im Sinne - und nicht für das Wohlergehen des Volkes zu agieren.



      Somit eine ganz klare Absage an die Redlichkeit, die eine Partei und - ein Politiker als Kanzler aber für sein Land aufbringen muss, - uns allen erteilt hat - ist es nun an den Grünen, die nötige Notbremse zu ziehen, um uns vor schlimmeren, durch eine CDU Regierung zu bewahren.

  • Man könnte auch einfach wieder sehr hohe Einkommen, sehr hohe Vermögen und sehr hohe Erbfälle/Schenkungen effektiv angemessener als heute einbeziehen.



    Man könnte ferner alle umweltschädlichen Subventionen auf Null setzen.



    Dann sollte man immer noch mit Schulden investieren, aber der Druck, auch der soziale Druck wäre ein ganz anderer geworden.

    • @Janix:

      Man könnte auch einfach mal ein Auge auf andere Staaten werfen. Uruguay z. B. - Linke Regierung - schon auf zu über 90 % mit erneuerbaren Energien umgestellt. Ein Land in beispielhaften Wohlstand. Vielen Deutschen, nicht nur der Regierung - fehlt es an Mut und Courage.

  • "Diplomatisch"



    ist ja nicht gerade das Wort des Jahres.



    Dass Merz sich da noch fortbilden kann, ist kein Geheimnis. Die Grünen sehen mit Ihrer Öffentlichkeitsarbeit aber auch nicht besonders professionell aus.



    Es ist kein Geheimnis, dass der Weg zur Grundgesetzänderung an den Grünen nicht vorbei führt.



    Menschen, die wissen, wie Diplomatie geht, hätten das Merz bei Verhandlungen einfach spüren lassen und anschließend Ihre Erfolge präsentiert.



    Öffentliche Anklagen und Gejammer wirkt statt dessen eher hilflos.



    Eigentlich bräuchten die Grünen keine Stärkung durch die Öffentlichkeit.



    Aber Verhandeln will gelernt sein und so wie Merz seine neue Rolle finden muss, gilt es wohl auch für die Grünenspitze.

  • Soso, dann wollen die Grünen also mit der AFD zusammenarbeiten?

    • @Harald Butenschön:

      Haben Sie da bitte eine Quellenangabe zu Ihrer Vermutung/ Behauptung ?

      • @Alex_der_Wunderer:

        Ich würde das so auch nicht behaupten. Aber angenommen, die Union würde irgendein Gesetzesvorhaben von Rot/Grün zeitgleich mit der AfD blockieren, würde das hier ganz selbst verständlich als Zusammenarbeit gewertet werden.

  • Für mein Empfinden muss die Verteidigungsfähigkeit wiederhergestellt werden. Dafür ist eine Grundgesetzänderung jetzt erforderlich.



    Pendlerpauschale, Agrardiesel, Mütterrente und Mehrwertsteuerrabatt für die Gastronomie gehören nicht dazu.



    Alles andere möge der nächste Bundestag entscheiden. Wozu ist der denn gewählt?

  • Wenn die Grünen auf diesem Wege etwas durchdrücken können, ist das gut. Wenn dadurch die Schuldenbremse bleibt, ist das eine Katastrophe für ganz Europa.

    • @Claude Nuage:

      Man, sollte sich als Mensch und schon garnicht als Partei - in etwas hineinmanövrieren lassen.

  • "Dass die Grünen etwas Verbindliches verlangen und sich nicht mit vagen Versprechen abspeisen lassen, spricht für sie."

    Das wäre dann aber das erste Mal...

    Wenn ich mich recht erinnere hat die erste Rot-Grüne Koalition in NRW Garzweiler II durchgewinkt.



    Für die Grünen in Hessen war Terminal 3 des Frankfurter Flughafens, der Bau von A48 durch den Danni und A66 durch den Fechenheimer Wald auch kein Problem, vom Ländle wollen wir jetzt lieber nicht sprechen und Joschka Fischer hatte das Privileg, Deutschland in den ersten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg seit 1939 zu führen.

    Nö, die Grünen muss man sich nicht schönreden.

    • @Elmudo:

      Ich denke, das die Grünen in allen genannten Fällen als kleinerer Koalitionspartner bittere Kröten geschluckt haben. Dabei haben sie sich jeweils als zuverlässiger Koalitionspartner und regierungsfähig gezeigt. Ganz im Gegensatz zu einer FDP der jüngeren Zeit.

    • @Elmudo:

      Die Grünen muss man sich zwar nicht schönreden, aber CDU/CSU und SPD einfach machen lassen, ist auch keine Lösung.

    • @Elmudo:

      Nein, die Grünen muss man sich nicht schönreden -- wenn man sich das anschaut, was die anderen zu bieten haben. Ein bisschen Wasserstoff und Kernfusion und schwupps sind wir raus aus dem Klimawandel. Mehr Pendlerpauschale und noch ein paar Steuersenkungen dazu, und wir haben wieder Wachstum. Ganz dolles Wachstum sogar.



      Wow -- ich bin beeindruckt vom Superwums, den Merz und Konsorten in 16 Arbeitsgruppen entfesseln werden. Und freue mich auf deren Auftritte auf internationalem Parkett als Super-Dealmaker. Wetten, dass wir 2026 Fußballweltmeister werden?

  • Genau das ist auch meine Einschätzung. Vielen Dank, dass das mal so klar geschrieben wird.

  • Hoppla, die Grünen wurden abgestraft, weil sie es akzeptierten, Klimaschutzmaßnahmen ohne sozialen Ausgleich zu beschließen - Stichwort ausgebliebenes "Klimageld". Jetzt sollen sie den gleichen Fehler noch einmal machen? Die Schuldenbremse ist ein neoliberales Herzensprojekt, um eine Ausrede für Sozialkürzungen zu haben. Sie sollte ganz weg.

    • @Wondraschek:

      Naja vielleicht ist es weder in linkem noch im konservativem Interesse, dass der Staat einfach Probleme mit Geld zuschüttet. Geld zu verteilen ist auch keine Umverteilung. Ich bin kein Fan der Schuldenbremse, aber das auf lange Sicht ein ausgeglichener Haushalt angestrebt werden soll, ist trotz allem vernünftig.

      • @wirklich?:

        Es ist durchaus möglich eine Schuldenbremse zu haben, welche Investitionen in die Zukunft durch Schulden erlaubt.

        Aber, ehrlich gesagt, der Haushalt hat für Jahrzehnte vor der Einführung der Schuldenbremse funktioniert. Daher spricht erstmal nix gegen eine vollständige Abschaffung.