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Solidarität mit Letzter Generation„Blockiert lieber RWE als Straßen“

Der Gründer und Vorstandsvorsitzender der Ökoworld AG hatte angekündigt, Geldstrafen für Klimaaktivist:innen zu zahlen. Warum er relativieren musste.

Ein Klima-Aktivist wird von zwei Polizisten von der Fahrbahn der A100 getragen Foto: Hannes P Albert/dpa
Bernd Müllender
Interview von Bernd Müllender

wochentaz: Herr Platow, brauchen Sie Personenschutz?

Alfred Platow: Bisher nicht, und das soll auch so bleiben. Die Anfeindungen der vergangenen Wochen bauten sich aber nicht durch persönliche Besuche oder Begegnungen auf, sondern überTelefon, E-Mail, Google und die sozialen Netzwerke.

In einer ganzseitigen taz-Anzeige hatten Sie angekündigt, Gebühren und Geldstrafen für BlockiererInnen der Letzen Generation solidarisch zu übernehmen. Darauf wurden Sie mit Hass überschüttet und mit Unterstellungen, Sie würden zu Straftaten aufrufen.

Das solidarische Angebot, diese Gebühren zu übernehmen, wurde quittiert mit einer Welle von empörter Berichterstattung. Der taz-Redakteur Erik Peter hatte ein Handyfoto unserer Anzeige auf Twitter geteilt. Dort gab es dann über 3.800 „Gefällt mir“-Angaben, aber auch viel Anfeindung in den Kommentaren. Danach ist einiges hochgekocht und übergekocht: Mitarbeitende wurden am Telefon bedroht, per E-Mail beschimpft, VertriebspartnerInnen wurden verunsichert und gerieten in Aufregung. Es wurde sogar gefordert, die Vogelfreiheit wieder einzuführen, da wir eine terroristische Vereinigung unterstützen würden.

Marcus Schumacher
Im Interview: Alfred Platow

76, ist Gründer und Vorstandschef der börsennotierten Öko­world AG. Er gilt als Pionier der ethisch-ökologischen Fonds. Mit einer Anzeige in der wochentaz vom 29. April hatte er zuletzt für Aufsehen gesorgt.

Was macht das mit einem? Kopfschütteln, Fassungslosigkeit, Angst?

Es ging weit über Kopfschütteln hinaus. Gewalt lag in der Luft. Also musste ich das korrigieren. Es war der Eindruck entstanden, dass Ökoworld Gesetzesbrüche toleriert oder sogar dazu anstiften möchte. Ich musste entschieden herausstellen, dass dies nicht der Fall ist. Das Grundgesetz, unsere parlamentarische Demokratie und das Rechtsstaatsprinzip sind fundamentale Errungenschaften, hinter denen ich uneingeschränkt stehe.

Sie haben dann relativiert, andere sagen: Der ist zurückgerudert und eingeknickt. Was ist jetzt anders?

Richtig ist, dass ich in der ursprünglichen Meldung Sprengstoff dadurch geliefert hatte, dass die Formulierungen nicht trennscharf waren. Es wurde nicht explizit gesagt, dass die Zahlungen aus privaten Zuwendungen von Gleichgesinnten und mir entnommen werden würden. Es wurde vermutet, dass dafür Sondervermögen unserer Fonds oder Firmengelder genutzt würden. Nach eingehender Situationsanalyse habe ich mich entschieden, meine Unterstützung für zivilen Klimaprotest nun durch eine Zuwendung an den Umwelt-Treuhandfonds zu zeigen. Viele wissen, dass ich Klimaaktivist der ersten Stunde bin und den friedlichen zivilen Klimaprotest im Rahmen der Gesetze für notwendig erachte. Die öffentliche Klarstellung hat Fehlinterpretationen und Ängste reduziert.

Auch Shitstürme flauen ab.

Das ist richtig. Aber unseren kleinen Betrieb hat dieser Sturm überrannt.

Und über das Anliegen der StraßenkleberInnen, die Verhinderung der Klimakatastrophe, wurde wieder gar nicht geredet. Was läuft da falsch?

Es ist die Wasch-mich-aber-mach-mich-nicht-nass-Mentalität. Alle wollen theoretisch Klimaschutz. Alle wollen Nachhaltigkeit. Aber ändern wollen die meisten dafür grundsätzlich nichts. Daher erzeugen die KlimakleberInnen einen solchen Aufschrei.

Hat denn jemand Geld wegen der Solidarität mit der Letzten Generation aus einem Ihrer Öko-Fonds abgezogen?

Gelder gehen kontinuierlich rein und raus. Durch unsere KlimakleberInnenaktivität aber nicht auf einem anderen Niveau als sonst auch.

Oder sind andere solidarisch mit Ihrer Firma geworden und haben neu investiert?

Wir haben tatsächlich auch viele E-Mails bekommen von Menschen, die unsere Initiative aus Überzeugung im Kern begrüßen. Warten wir ab, was daraus an Neuinvestitionen entsteht. Aber darum ging es nie.

1995 haben Sie in einem taz-Interview von jungen Millionenerben mit Gewissensbissen erzählt. Bei denen müssten Sie als Diplom-Sozialarbeiter ob des plötzlichen Reichtums manchmal „fast die Vaterrolle“ übernehmen, um sie mit einer ethischen Geldanlage von Seelenpein zu befreien. Was rät man mit Ihrer Erfahrung den jungen Klimaklebern, was ethisch-moralisch mehr nachhaltige Durchschlagskraft hätte?

Weg von den Blockaden der privaten Infrastruktur, umschwenken auf den Protest am Haupteingang von RWE, Rheinmetall, Heidelberger Zement oder vor dem Bundesstag, den Parteizentralen. Und lernen, dass die Zivilbevölkerung sich durch diese Form von Protest persönlich eingeschränkt sieht und so der Klimaschutz teilweise falsch interpretiert und als Straftat und Terrorismus verstanden wird. Das ist eine unangenehme Erkenntnis. Aber wenn wir den Klimaschutz weiter so emotional in die falsche Richtung aufladen, verlieren wir viele AnhängerInnen. Das darf nicht das Ziel sein.

Böse Zungen sagen, auch Ihre private Kostenübernahme über das Treuhandkonto sei brillante PR und sicher erheblich billiger als die kurzen Werbeclips, die seit Monaten vor der Tagesschau für Ihren Klima-Fonds laufen.

Wie Sie schon zurecht anmerken, das sagen die bösen Zungen. Lassen wir die in dem Glauben.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Und wann sehen wir Sie selbst festgeklebt, vielleicht in Düsseldorf auf der Kö vor einem 100.000-Euro-SUV-Zweitwagen?

Wenn ich eine solche Aktivität plane und umsetze, werde ich als erstes die taz-Redaktion anrufen. Spaß beiseite. Genau das wäre der platte beschriebene Marketing- und PR-Gag. Auf der inhaltlichen Ebene muss ich mich nicht festkleben, bin aber bereit diese, die sich trauen solche oder auch andere weiterentwickelte Protestaktionen umzusetzen, dabei zu unterstützen und zu ermuntern, mutig zu bleiben.

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14 Kommentare

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  • Ich habe da eine Idee, wie sich sie die "Klimakleber soll'n arbeiten gehen"-Fraktion ihren eigenen Arbeitseifer einmal mehr unter Beweis stellen können. Im Stau stehen kann ja jede*r. Stattdessen bspw. in Spanien Straßenbauarbeiten im Sommer übernehmen und die spanischen Kolleg*innen entlasten.[1] Gerne auch bei über 40 ° C arbeiten. Während dem Verlegen von Gehwegsplatten u.ä. dann fröhlich "Und Freitag trenn ich Müll"[2] singen ...



    [1] taz.de/Ungewoehnli...930663&s=hitzetod/



    [2] www.youtube.com/watch?v=XXHzNGWi_Vg

  • Da hat noch einer nicht gemerkt, dass es für "das da ist besser als dies hier" lang zu spät ist, wenn beides gleichzeitig möglich ist. Letzte Generation machen lassen und verstärkt die Orte blockieren, die den Klimawandel am meisten verstärken - was spricht dagegen?

  • Beim Klima geht's logischerweise um Kosten und vor allem Verzicht. Diejenigen die jetzt schon verzichten, weil sie kein Geld haben, im Wohnsilos wohnen, nicht nach Kreta fliegen, sondern Urlaub auf Balkonien machen, haben schlicht kein Geld um weitere Kosten zu tragen. Und jene die die Kosten tragen (können), wollen nicht verzichten. Muss man sie halt dazu bringen, dass sie die Kosten auch derjenigen in den Wohnsilos tragen, dann können auch die verzichten.

  • Ich mag Banken nicht besonders und für die Nöte der Reichen kann ich nur schwer Empathie entwickeln, dennoch finde ich den Hinweis zum Festkleben vor "RWE, Rheinmetall, Heidelberger Zement oder vor dem Bundesstag, den Parteizentralen" sinnvoll. Als erklärter Nichtautofahrer, ohne Urlaubsflüge, ohne Klamottenkauf etc. denke ich dennoch, dass es sinnvoll ist, bei den Entscheidern zu blockieren. Die Angestellten auf dem Weg zur Arbeit, die Eltern, die nach Dienst, ihr Kind abholen müssen, kurzum die Lohnabhängigen sind in dem Moment die falschen Ansprechpartner - da sind viele dabei, die von ihrem Job leben - und beim Zu-spät-Kommen bekommen die samt Kind Ärger mit der Kita und Lohnabzüge. Die geplante Baustelle zur Kanzleramtserweiterung wäre ein prima Ort.

  • Das Schlimme ist, dass die Weltgesellschaft beim Thema Umsteuern, Bedürfnisse überprüfen, weg vom Selbstdarstellen, hin zum egalitären Kooperieren noch ganz am Anfang steht.



    Das Schlimme ist, dass Politiker_innen nur Wäherstimmen fürchten und sich nicht getrauen, die Superreichen zu schröpfen.



    Es gibt nicht mal ein Einfuhrverbot von Uran aus Russland.

    • @Land of plenty:

      Letzteres ist für die Gesellschaft ein Hinweis darauf, dass die Politik es scheinbar auch bei der Klimapolitik nicht wirklich ernst meint, wenn sie schon bei Embargos gegen kriegstreibenden Staaten eigennützige Lücken lässt.



      Damit zerstören die demokratischen Politiker ihre Glaubwürdigkeit und letztlich die Demokratie.

  • Was bisher sehr wenig genutzt wurde sind legale Protestformen mit ähnlichem Ergebnis. Überall dort wo innerstädtisch Radfahrer erlaubt sind, aber ihr Recht im Alltag nicht mehr wahrnehmen. So genügt es auf vielen Straßen als langgezogene Gruppe mit einer 1,5m Abstandsnudel auf dem Gepäckträger legal auf der Straße zu fahren um den Verkehr durch mangelnde Überholmöglichkeiten quasi zum Erliegen zu bringen. Spätestens wenn dass von zwei Seiten erfolgt und per Video abgesichert wird um alle, die Mindestabstände nicht einhalten wegen Verkehrsgefährdung anzuzeigen.

    • @mwinkl02:

      Wow, gute Idee und damit Ihnen und Ihren RadfahrerInnen wirklich nichts passiert würde ich mit meinem Chevy Suburban hinter her fahren, dann überholt uns niemand mehr ;-)

  • Und wieder wird nicht über das Klima gesprochen, sondern lediglich über eine Person und ein paar Klimakleber.

    Ein Fondsverwalter bekommt eine kostenlose Berichterstattung und Werbung für seine Sache, über die Klimkleber gibt's nix Neues und die Presse hat einfach mal wieder was rausgehauen.

  • 122 Millionen Umsatz in 2021.

    Da kommt man sicher schnell ins Grübeln, wenn die Kundschaft rebelliert.

  • Alfred Platow: "Es ist die Wasch-mich-aber-mach-mich-nicht-nass-Mentalität. Alle wollen theoretisch Klimaschutz. Alle wollen Nachhaltigkeit. Aber ändern wollen die meisten dafür grundsätzlich nichts."

    Da hat Herr Platow vollkommen recht. Die meisten Bürger wollen nichts an ihrem Lebensstil ändern, denn sobald sie auf etwas verzichten sollen, fangen sie an den Klimawandel als "nicht so schlimm" zu bezeichnen, damit sie auch weiterhin im Auto die 500 Meter zum Bäcker fahren können oder im Billigflieger nach Mallorca reisen dürfen. Und wohlhabende Rentner möchten auch noch einmal (oder auch zwei- oder dreimal) eine Kreuzfahrt auf eines dieser schwimmenden Hochhäuser machen - die nicht nur die Meere verpesten, sondern auch die Atmosphäre - und denken dabei weder an ihre Enkelkinder noch an andere junge Menschen, die das später "ausbaden" müssen.

    Es ist gut, dass die jungen Menschen "Druck" machen, denn wenn man jetzt noch ein paar Jahre abwartet, dann wird es wohl zu spät sein. Nach dem jüngsten Bericht des Club of Rome werden die Treibhausgas-Emissionen 2030 nämlich ihren Höhepunkt erreichen, und ab da wird ein sich selbst verstärkender Klimawandel ausgelöst. Man kann ja gerne die Methoden der Letzten Generation (LG) als 'nicht zielführend' bezeichnen, aber die LG versucht wenigstens die Bürger aus ihren Dornröschenschlaf zu erwecken, während Politiker nur weiterhin über den Klimawandel "schwafeln" und dann doch wieder 'brav' das machen was die Wirtschaftsbosse wollen.

    Drastische Strafen für Klimaschutzaktivisten werden ja seit einiger Zeit gefordert. Wer fordert eigentlich endlich mal drastische Strafen für die Verursacher des Klimawandels, die das Leben und die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder mit ihrer Gier nach noch mehr klimaschädliches Wirtschaftswachstum auch weiterhin frech in Gefahr bringen?

    "Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben." [George Bernard Shaw, 1856-1950]

    • @Ricky-13:

      ."Wer fordert eigentlich endlich mal drastische Strafen für die Verursacher des Klimawandels, die das Leben und die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder mit ihrer Gier nach noch mehr klimaschädliches Wirtschaftswachstum auch weiterhin frech in Gefahr bringen?"

      Niemand, weil's ja 90% der Bevölkerung beträffe. Und auch in der Jugend gibt es genug die das Thema nur am Rande interessiert. Das Drama wird einfach seinen Lauf nehmen.

    • @Ricky-13:

      Sie genießen doch auch den Wohlstand in Deutschland....scheinen ein Smartphone oder einen Laptop zu haben und beteiligen sich an Diskussionen in Foren der TAZ. Also auch alles etwas, das die Treibhausgas-Emissionen in die Höhe treibt. Warum verlangen Sie, von anderen Verzicht, während Sie weiterhin das Weltklima verpesten dürfen? Man soll doch selbst im Kleinen anfangen, heißt es immer. Also mutig voran!

      • @Seacloud:

        Ja, und wie sieht es da bei Ihnen damit aus? Ihr Kommentar lässt vermuten, dass Sie Ihr rebellierendes Gewissen beruhigen wollen, in dem Sie die Stimmen die Ihr Gewissen erwecken, relativieren und zum Schweigen bringen wollen.



        Gehen Sie doch ihren eigenen ersten Schritt in eine bessere Zukunft für uns alle.