Solidarität mit Letzter Generation: „Blockiert lieber RWE als Straßen“
Der Gründer und Vorstandsvorsitzender der Ökoworld AG hatte angekündigt, Geldstrafen für Klimaaktivist:innen zu zahlen. Warum er relativieren musste.
wochentaz: Herr Platow, brauchen Sie Personenschutz?
Alfred Platow: Bisher nicht, und das soll auch so bleiben. Die Anfeindungen der vergangenen Wochen bauten sich aber nicht durch persönliche Besuche oder Begegnungen auf, sondern überTelefon, E-Mail, Google und die sozialen Netzwerke.
In einer ganzseitigen taz-Anzeige hatten Sie angekündigt, Gebühren und Geldstrafen für BlockiererInnen der Letzen Generation solidarisch zu übernehmen. Darauf wurden Sie mit Hass überschüttet und mit Unterstellungen, Sie würden zu Straftaten aufrufen.
Das solidarische Angebot, diese Gebühren zu übernehmen, wurde quittiert mit einer Welle von empörter Berichterstattung. Der taz-Redakteur Erik Peter hatte ein Handyfoto unserer Anzeige auf Twitter geteilt. Dort gab es dann über 3.800 „Gefällt mir“-Angaben, aber auch viel Anfeindung in den Kommentaren. Danach ist einiges hochgekocht und übergekocht: Mitarbeitende wurden am Telefon bedroht, per E-Mail beschimpft, VertriebspartnerInnen wurden verunsichert und gerieten in Aufregung. Es wurde sogar gefordert, die Vogelfreiheit wieder einzuführen, da wir eine terroristische Vereinigung unterstützen würden.
76, ist Gründer und Vorstandschef der börsennotierten Ökoworld AG. Er gilt als Pionier der ethisch-ökologischen Fonds. Mit einer Anzeige in der wochentaz vom 29. April hatte er zuletzt für Aufsehen gesorgt.
Was macht das mit einem? Kopfschütteln, Fassungslosigkeit, Angst?
Es ging weit über Kopfschütteln hinaus. Gewalt lag in der Luft. Also musste ich das korrigieren. Es war der Eindruck entstanden, dass Ökoworld Gesetzesbrüche toleriert oder sogar dazu anstiften möchte. Ich musste entschieden herausstellen, dass dies nicht der Fall ist. Das Grundgesetz, unsere parlamentarische Demokratie und das Rechtsstaatsprinzip sind fundamentale Errungenschaften, hinter denen ich uneingeschränkt stehe.
Sie haben dann relativiert, andere sagen: Der ist zurückgerudert und eingeknickt. Was ist jetzt anders?
Richtig ist, dass ich in der ursprünglichen Meldung Sprengstoff dadurch geliefert hatte, dass die Formulierungen nicht trennscharf waren. Es wurde nicht explizit gesagt, dass die Zahlungen aus privaten Zuwendungen von Gleichgesinnten und mir entnommen werden würden. Es wurde vermutet, dass dafür Sondervermögen unserer Fonds oder Firmengelder genutzt würden. Nach eingehender Situationsanalyse habe ich mich entschieden, meine Unterstützung für zivilen Klimaprotest nun durch eine Zuwendung an den Umwelt-Treuhandfonds zu zeigen. Viele wissen, dass ich Klimaaktivist der ersten Stunde bin und den friedlichen zivilen Klimaprotest im Rahmen der Gesetze für notwendig erachte. Die öffentliche Klarstellung hat Fehlinterpretationen und Ängste reduziert.
Auch Shitstürme flauen ab.
Das ist richtig. Aber unseren kleinen Betrieb hat dieser Sturm überrannt.
Und über das Anliegen der StraßenkleberInnen, die Verhinderung der Klimakatastrophe, wurde wieder gar nicht geredet. Was läuft da falsch?
Es ist die Wasch-mich-aber-mach-mich-nicht-nass-Mentalität. Alle wollen theoretisch Klimaschutz. Alle wollen Nachhaltigkeit. Aber ändern wollen die meisten dafür grundsätzlich nichts. Daher erzeugen die KlimakleberInnen einen solchen Aufschrei.
Hat denn jemand Geld wegen der Solidarität mit der Letzten Generation aus einem Ihrer Öko-Fonds abgezogen?
Gelder gehen kontinuierlich rein und raus. Durch unsere KlimakleberInnenaktivität aber nicht auf einem anderen Niveau als sonst auch.
Oder sind andere solidarisch mit Ihrer Firma geworden und haben neu investiert?
Wir haben tatsächlich auch viele E-Mails bekommen von Menschen, die unsere Initiative aus Überzeugung im Kern begrüßen. Warten wir ab, was daraus an Neuinvestitionen entsteht. Aber darum ging es nie.
1995 haben Sie in einem taz-Interview von jungen Millionenerben mit Gewissensbissen erzählt. Bei denen müssten Sie als Diplom-Sozialarbeiter ob des plötzlichen Reichtums manchmal „fast die Vaterrolle“ übernehmen, um sie mit einer ethischen Geldanlage von Seelenpein zu befreien. Was rät man mit Ihrer Erfahrung den jungen Klimaklebern, was ethisch-moralisch mehr nachhaltige Durchschlagskraft hätte?
Weg von den Blockaden der privaten Infrastruktur, umschwenken auf den Protest am Haupteingang von RWE, Rheinmetall, Heidelberger Zement oder vor dem Bundesstag, den Parteizentralen. Und lernen, dass die Zivilbevölkerung sich durch diese Form von Protest persönlich eingeschränkt sieht und so der Klimaschutz teilweise falsch interpretiert und als Straftat und Terrorismus verstanden wird. Das ist eine unangenehme Erkenntnis. Aber wenn wir den Klimaschutz weiter so emotional in die falsche Richtung aufladen, verlieren wir viele AnhängerInnen. Das darf nicht das Ziel sein.
Böse Zungen sagen, auch Ihre private Kostenübernahme über das Treuhandkonto sei brillante PR und sicher erheblich billiger als die kurzen Werbeclips, die seit Monaten vor der Tagesschau für Ihren Klima-Fonds laufen.
Wie Sie schon zurecht anmerken, das sagen die bösen Zungen. Lassen wir die in dem Glauben.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Und wann sehen wir Sie selbst festgeklebt, vielleicht in Düsseldorf auf der Kö vor einem 100.000-Euro-SUV-Zweitwagen?
Wenn ich eine solche Aktivität plane und umsetze, werde ich als erstes die taz-Redaktion anrufen. Spaß beiseite. Genau das wäre der platte beschriebene Marketing- und PR-Gag. Auf der inhaltlichen Ebene muss ich mich nicht festkleben, bin aber bereit diese, die sich trauen solche oder auch andere weiterentwickelte Protestaktionen umzusetzen, dabei zu unterstützen und zu ermuntern, mutig zu bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen