Sofortprogramm vorgestellt: Linke gegen „Bekenntnisquatsch“
Mindestlohn, Mietendeckel und Kindergrundsicherung würden die Linken sofort einführen – wenn man sie ließe. Bekenntnisse zur Nato finden sie absurd.
Das richtete sich vor allem an die Adresse von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der im Tagesspiegel erneut bekräftigt hatte, wer Regierungsverantwortung übernehmen wolle, müsse sich klar zur Nato bekennen. Das zielte auf die Linkspartei und deren außenpolitische Positionen, zu denen die Auflösung der Nato zählt.
Dabei wollten Bartsch und Wissler doch am Montag unterstreichen, dass die Linke gewillt und bereit ist, mitzuregieren. Sie präsentierten in Berlin, auch im Namen der Ko-Fraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow, ein Sofortprogramm für den Fall, dass man sie fragt. „Wir können uns ja auch Schöneres vorstellen, als mit dem Architekten der Agenda 2010 zu verhandeln“, stichelte Wissler in Richtung Scholz. Aber darum gehe es nicht, sondern darum, jetzt das Leben für die Mehrheit der Menschen im Land zu verbessern.
Was die Linke plant, liest sich wie ein vorgezogenes Sondierungspapier: Soziale Themen stehen im Vordergrund, wie ein Mindestlohn, ein bundesweiter Mietendeckel und eine Kindergrundsicherung. Hier gibt es große Überschneidungen mit SPD und Grünen. Ein anderes Bündnis als mit diesen beiden Parteien käme für die Linke auch nicht in Frage.
Über Mindestlohn herrscht Konsens
Die Linke wirbt für einen Mindestlohn von 13 Euro, SPD und Grüne fordern 12 Euro, da könnte man sich sicher einigen. Eine Kindergrundsicherung mit Aufschlägen für niedrige Einkommen wollen sowohl SPD als auch Grüne, die Linke schlägt von allen dreien den höchsten Garantiebetrag vor, nämlich 328 Euro.
Differenzen gibt es beim Thema Renten, die Linke will das Niveau nämlich im ersten Schritt wieder auf 53 Prozent anheben, Grüne und SPD versprechen lediglich, es bei 48 Prozent zu sichern. Die Linke will zudem die Renten der Menschen im Osten bis 2022 angleichen.
Die steuerpolitischen Vorschläge aller drei Parteien gehen dagegen in eine ähnlich Richtung: Alle drei versprechen, Vermögen wieder zu besteuern. In ihrem Sofortprogramm will die Linke zudem noch eine einmalige Vermögensabgabe für Multi-Millionäre einführen, um die Lasten der Corona-Krise gerecht zu verteilen.
Beim Thema Klima ist sich die Linkspartei vor allem mit den Grünen einig, dass es eine Energiewende mit verbindlichen Ausbauzielen brauche, die sich am 1,5-Grad-Ziel orientieren müsse. Dass die Wirtschaft bei den nötigen Transformationsprozessen unterstützt werden muss, dürfte Konsens in allen drei Parteien sein. Pikanterweise nimmt die Linkspartei im Sofortprogramm vor allem die Automobilindustrie in den Fokus und schlägt einen Industrie-Transformationsfonds von 20 Milliarden Euro pro Jahr vor, der vor allem den Zulieferern den ökologischen Umbau erleichtern solle.
„Nato“ taucht nicht auf
Das strittige Thema Außenpolitik hat die Partei im Sofortprogramm dagegen nach hinten gestellt. Das Wort Nato taucht dort gar nicht auf. Stattdessen heißt es in dem Papier, man wolle die Rüstungsausgaben um 10 Milliarden Euro senken. Das entspräche dem Rüstungsetat von 2018. Das Geld würde die Linke stattdessen in Schulen und Kitas stecken.
Auch die Forderungen aus dem Wahlprogramm, die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurückzuziehen und Waffenexporte zu verbieten, finden sich in dieser Schärfe nicht im Linken Sofortprogramm. Dort heißt es abgemildert, man werde Rüstungsexporte in Krisengebiete stoppen und SPD und Grüne beim Wort nehmen, „die Auslandseinsätze der Bundeswehr auf den Prüfstand zu stellen.“
Bartsch forderte, statt Bekenntnisse zu verlangen, soll man doch lieber über konkrete Inhalte zu reden. „Was ist die Nato, was soll die Nato, wohin soll sie sich entwickeln.“ Die Linke wolle ein System kollektiver Sicherheit unter Einschluss Russlands. „Wenn wir dahin kämen, kann man es meinetwegen Nato nennen.“
Das ist allerdings Bartschs persönliche Meinung. Ohnehin würde am Ende von Koalitionsverhandlungen die Basis der Linken über einen Vertrag abstimmen. Und da denken längst nicht alle so pragmatisch wie Bartsch.
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