Söders Coronakurs: Bayerns Bienenkönig
Ministerpräsident Söder ist ein Meister der Metamorphose. Erst war er für die Impfpflicht in der Pflege, jetzt zaudert er. Hauptsache die Ampel ärgern.
S ind es die von ihm persönlich geretteten Hummeln in seinem Hintern, die ihn antreiben? Der vom einstigen Insektizid zum Bienenkönig gewandelte Markus Söder verändert sich in einem Tempo, dass selbst Omikron respektvoll mit den Spikes klappern würde. Nun wollte diese Escape-Variante eines Ministerpräsidenten die Impfpflicht für Pflegeberufe in Bayern aussetzen lassen – die er Mitte Dezember mit beschlossen hatte.
Der dazugehörigen Änderung des Infektionsschutzgesetzes hatte seine CSU im Bundestag im Dezember zugestimmt. Kein Problem, Söder ignoriert das Gesetz einfach – oder sitzt es aus. Derweil sind seine Mannen ganz außer sich wegen der Berufung von Jennifer Morgan zur Staatssekretärin, weil die für Greenpeace gearbeitet hat. Greenpeace ignoriert ja mitunter Gesetze – und das geht gar nicht!
War Söder in Sachen Corona gestern noch im „Team Vorsicht“, fordert er heute Lockerungen. Die Lage hat sich aber auch grundlegend gewandelt: Argumentierte er zuvor für schärfere Maßnahmen, weil die Todeszahlen in Deutschland so hoch seien, „als würde jeden Tag ein Flugzeug abstürzen“, sprechen die täglich rund 150 Toten heute eindeutig für deren Abschaffung.
Es kommt halt auch immer auf den Flugzeugtyp an. Oder auf die Tätigkeit. Als am 15. März 2020 die Menschen in bayerischen Wahllokalen Schlange standen, um ihre Kommunalwahlstimme für die CSU abzugeben, erklärte Söder das für gänzlich unbedenklich. Um am 16. März den Katastrophenfall für Bayern auszurufen, inklusive Veranstaltungsverboten und Betriebsuntersagungen: „Die Lage ist sehr ernst und verändert sich täglich.“
Die regionale Vielfalt Deutschlands mit seinen vielen ulkigen Berg- und Waldvölkern samt ihres Genuschels und Geknödels macht das Land ja fraglos liebenswerter, aber Bayern schlägt dem Bierfass den Boden aus. Selbst politische Bündnispartner haben über den irrlichternden Andreas Scheuer am Ende nur noch den Kopf geschüttelt, aber offenbar ist Söder entschlossen, die Position des freidrehenden Politclowns für seine Partei zu reklamieren und auch international gegen härteste Konkurrenz wie Boris Johnson zu verteidigen. Gegen Söder wirkt selbst Kubicki wie ein seriöser Staatsmann. „Söder gehört in politische Quarantäne“, befand gar die FAZ.
In diesen Zeiten müsse Politik „ein Gefühl von Sicherheit, Verlässlichkeit und Klarheit definieren“, sagte Söder vor einer Woche. Am 7. Februar erklärte er die Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, dann ruderte er wieder etwas zurück. Verlässlichkeit und Klarheit eben, Söders Kernkompetenzen. Wäre ich Biene in Bayern, ich würde mir allmählich echte Sorgen machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund