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Skincare-Hype unter KindernHauptsache, es glänzt

„Sephora Kids“ stilisieren online ihre Skincare-Routinen mit teuren Produkten zum Statussymbol. Das ist nicht das einzige Problem an dem Tiktok-Trend.

Gurken aufs Gesicht legen ist von gestern. Heute geben schon Kinder ihr ganzes Taschengeld für teure Skincare-Produkte aus Foto: Dasha Petrenko/Zoonar/imago

Zwischen Bubbletea trinkenden Teenagern und Lipgloss mit Maracuja-Geschmack findet man im Sephora Store am Alexanderplatz vor allem eines: Eine absurde Vorstellung von Schönheit und davon, was sie kostet. Cleanser, Moisturizer, Seren, Toner, Cremes, Sonnenschutz und Augenmasken landen hier in den Einkaufskörben der jungen Kundinnen, die einen Großteil ihres Taschengelds für eine „glowy“ Haut ausgeben wollen. „Ungefähr 100 Euro zahle ich im Monat für Skincare“, schätzt eine 13-Jährige mit Zahnspange und bunten Haargummis. Sie sei unzufrieden mit ihrer Haut und nutze daher viele verschiedene Produkte.

Die Bereitschaft junger Mädchen, so viel Geld für Skincareprodukte auszugeben, kommt nicht von ungefähr. Seit Monaten trenden Videos sogenannter „Sephora Kids“ auf Tiktok. In diesen Videoschnipseln geben junge Mädchen – meist zwischen acht und zwölf Jahre alt – viel Geld für Skincareprodukte der französischen Kosmetikkette aus und filmen sich bei der Anwendung.

Die Kette, die vor allem für den Verkauf von Luxus-Make-Up bekannt ist, gibt es bereits seit 1969, seit 2018 auch in Deutschland. Die „Sephora Kids“ zelebrieren in den Videos eine mehrschrittige Routine. Das Ziel: eine makellose, faltenfreie und glänzende Haut. Sie tragen eine Vielzahl verschiedener Seren und Cremes nacheinander auf – teilweise sogar Anti-Aging-Produkte. Ihre Botschaft: Wer schön sein will, muss früh anfangen, gegen den Alterungsprozess des eigenen Körpers anzukämpfen.

Filterblase, reine Haut

Das wird auch im Sephora Store am Alexanderplatz deutlich. Hier bevölkern junge Mädchen und Frauen schon mittags den Laden, der im Kaufhof Galeria integriert ist. Auf der Suche nach den neuesten Skincare- und Kosmetikprodukten drängen sich fast ausschließlich weibliche Kun­d:in­nen zwischen den Regalen und Spiegeln. Grelles Licht scheint von der Decke, Mit­ar­bei­te­r:in­nen in schwarzen T-Shirts geben bestens gelaunt Auskunft über die Vorteile der angebotenen Produkte. Die Teenager, die den Großteil der Kundschaft ausmachen, erzählen ausnahmslos, dass sie ihre Haut verbessern wollen. Einige schwärmen von der perfekten Haut der Mädchen auf Tiktok, andere von der ihrer Mitschülerinnen.

Der Trend ist Teil einer besorgniserregenden Entwicklung. Die Medienpädagogin Barbara ­Buchegger sagt, dass die Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen – und auch die Unzufriedenheit damit – vor allem bei Mädchen immer früher beginnen würde. Laut Buchegger hängt das zu einem wesentlichen Teil mit dem Social Media-Konsum von Jugendlichen zusammen.

„Die Algorithmen von Tiktok, Instagram und Co. sind so sehr auf unsere persönlichen Vorlieben zugeschnitten, dass uns nur ein extrem kleiner Ausschnitt der Realität gezeigt wird“, sagt sie. Da Kinder meist nicht in der Lage seien, dieses Phänomen der sogenannten „Filterblasen“ zu reflektieren, sei die Gefahr, unrealistische Schönheitsideale aus dem Internet zu internalisieren, besonders groß.

Das scheint auch die Beauty-Industrie erkannt zu haben. Denn die Vermarktung vieler Skincare- und Kosmetikprodukte richtet sich gezielt an extrem junge Kund:innen. Lipgloss mit Erdbeer-, Aprikosen- oder Drachenfruchtgeschmack, knallige Farben und Verpackungen, die mit comicartigen Motiven bedruckt sind, ziehen eine Zielgruppe an, die für die Industrie längst zu einer der wichtigsten geworden ist. So zeigt eine Studie des Marktforschungsinstituts Euromonitor International, dass die Gewinne, die die Skincare-Industrie zwischen 2017 und 2021 verzeichnen konnte, zu 49 Prozent auf die Generation Alpha – also jene, die nach 2010 geboren sind – zurückzuführen sind.

Wer mithalten will, braucht Geld

Während im Sephora Store zum zweiten Mal innerhalb einer halben Stunde „Hold my Hand“ von Jess Glynne läuft, betritt eine Mutter mit ihren drei Töchtern den Laden. Die Mädchen testen die „Guava ­Vitamin C Bright-Eye Gel Creme“ von Glow Recipe – das 40 ­Milliliter Fläschchen kostet hier 34,95 Euro – und sprühen sich mit dem „Körpernebel“ von Sol de Janeiro ein. „Das habe ich auf Tiktok gesehen!“ quietscht eines der Mädchen begeistert.

Dass Jugendliche auf der Suche nach Vorbildern heute vor allem auf Social Media fündig werden, sei nicht ausschließlich negativ zu beurteilen, sagt Medienpädagogin Buchegger. So werde in den sozialen Medien eine Vielfalt von Körpern dargestellt, die helfen könnten, Unsicherheiten zu überwinden. Problematisch wird es, wenn Kinder und Jugendliche sich in einer Filterblase bewegen, die ihre Unsicherheiten verstärkt. Da in der Pubertät – der Zeit von Pickeln, Akne und fettiger Haut – gerade die Haut ein heikles Thema sein kann, schlagen Videos von „Sephora Kids“ mit makelloser Haut in genau diese Kerbe.

Das Problem sind aber nicht nur die vermittelten Schönheitsideale. Schließlich ist Skincare auch eine Frage des nötigen Taschengeldes. Dennoch wird in den „Sephora-Hauls“ betont, wie wichtig gerade teure Produkte für eine gesunde Haut seien. Skincareprodukte dienen also längst nicht mehr ausschließlich als Instrument, einem unrealistischen Schönheitsideal näher zu kommen, sondern auch als eine Art Statussymbol. Wer hier mithalten will, muss entweder großzügige Eltern oder einen Nebenjob haben.

Bedenklich ist auch, dass die Skincareroutinen der Kinder als gesund verkauft werden. In den Videos der „Sephora-Kids“ wirkt es so, als ginge es ihnen um „natürliche“ und „gesunde“ Haut. Die Verknüpfung von Gesundheit und Schönheit ist grundsätzlich nichts Neues: Viele Firmen bewerben ihre Produkte als „klinisch getestet“, auch Fitness- und Food-Influencer bedienen eine ähnliche Erzählung. Das führt dazu, dass der Kauf von Kosmetika und Skincareprodukten nicht nur dazu dient, schön auszusehen, sondern wird auch als Teil von Selfcare verstanden – ein Begriff, der vor allem seit der Coronapandemie hoch im Kurs steht.

Sie testen die Guava Vitamin C Bright-Eye Gel Creme – 40 Milliliter kosten 34,95 Euro

Dass bereits Kinder einer mehrschrittigen Skincareroutine nachgehen, ist jedoch alles andere als gesund: Haut­ärz­t:in­nen warnen seit dem Aufkommen des Trends vor den Folgen, die die Verwendung zu vieler und zu aggressiver Skincareprodukte haben kann. So können Inhaltsstoffe wie Ritanol oder Fruchtsäure, die etwa in Produkten der Marke Sol de Janeiro enthalten sind, laut Ex­per­t:in­nen zu Hautauschlägen führen oder die Haut lichtempfindlicher machen.

Über die körperlichen und psychischen Gefahren, die Tiktok-Trends wie der der „Sephora Kids“ mit sich bringen, täuschen die dröhnenden Pop-Songs und die Parfümwolke, in die der Sephora Store am Alexanderplatz gehüllt ist, gekonnt hinweg. Nachdem die schwarz-weiß gestreiften Sephora-Papiertüten prall gefüllt und die Bubbleteas so gut wie leer geschlürft sind, machen sich die jungen Kun­d:in­nen auf den Weg nach Hause. „Meine Haut ist so schlimm“, meint ein junges, dunkelhaariges Mädchen, etwa 12 Jahre alt. „Ich hoffe, dass die Produkte von Sephora helfen“. Beim Abbau absurder Schönheitsideale hilft der Hype rund um die Kosmetikkette nicht.

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18 Kommentare

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  • In meiner Kindheit war der Pumuckl der Haupt-Influencer: "Beim Waschen geht die Haut kaputt!" Das hat meine Mama auch nicht amüsiert, aber sie hat mich trotzdem zum Waschen erzogen. Das waren halt noch andere Zeiten. Heute ist also TikTok das Problem. Problematisch ist das nur, wenn die Eltern die Erziehung verweigern oder den ganzen Unsinn sogar noch unterstützen, mit Geld oder sogar aus Dummheit.

  • Kid's sind so - was haben wir nicht alles gemacht...



    Laaaach 😁

  • Wie sähe denn bessere Selfcare von "Skin-, Mind- & Money" aus? So etwa?



    * waschen mit milder Seife - nicht zu viel, nicht zu wenig



    * Sonnenschutz wie Sonnenschutzcreme und Kleidung (zu viel, starke Sonnenstrahlung lässt Haut altern und kann Krebs verursachen)



    * gesunde Ernährung (Körperzellen erneuern sich; diese wie auch alle (auch die Haut versorgende) Organe, die Haut selbst benötigen viele, verschiedene Nährstoffe, Kalorienüberversorgung vermeiden; so nicht erkrankt sorgt die Haut selbst für guten Zustand)



    * ggf. zur Hautärztin, auf jeden Fall zu Vorbeugeuntersuchungen



    * Distanz und kritische Haltung zum Kapitalismus entwickeln, entsprechend auch die Rolle und Motivation von sich, Kosument*innen, herstellenden und verkaufenden Unternehmen und Werbung inklusive zugehöriger Influencerinnen reflektieren



    * auf Schminken bestenfalls verzichten bzw. zumindest in kleinem Rahmen halten



    ... führt allerdings zu weniger Umsatz.

  • @WILLIFIT

    Und doch haben wir "old jeezers" diese Welt gemacht, in der die jungen Menschen aufwachsen müssen.

    Ich schäme mich.

  • Der große Drogeriemarkt mit dem "M" ist in unserer Stadt ein beliebter Tummelplatz dieser Wesen vom Planeten Tiktox.



    Ich bin sehr dankbar, eine Jugend erlebt zu haben, in der die Mädels wie Menschen und nicht wie geklonte Horrorbabes aus einem dystopischen Albtraum aussahen.

    • @willifit:

      Hmm... Naja auch in meiner Jugend der 90er gab es das schon. Da ich auf dem Dorf aufgewachsen bin in einem geringem Umfang als in der Stadt.

      In Senecas "das Leben ist kurz" liest man auch das es vor 2000 Jahren nicht viel anders war.

      Aber ja, gut finde ich das auch nicht. Vermutlich gibt es dann demnächst mal wieder eine leichte Bewegung zurück, zu mehr "Natürlichkeit".

      Bedenklich ist aber das Eltern in dem Artikel überhaupt nicht vorkommen in dem es um Kinder geht und es ihnen erst ermöglichen sowas überhaupt zu machen.

  • Ich habe schon vor einigen Wochen einen Artikel gelesen, in dem es um 10-jährige ging, die Anti-Aging-Produkte vorstellen. Das Anti-Aging für 10-jährige absoluter Nonsens ist, sollte jedem einleuchten.

    Und ich habe mich nach dem Artikel das gleiche gefragt, wie nach diesem Artikel.

    Was geht in den Eltern vor? Das Geld kommt doch von denen. Das Kinder noch nicht bereifen, was sie für einen Unfug veranstalten, ist ja verständlich. Sind ja noch Kinder. Aber die Eltern haben doch eine Verantwortung. Was geht in Eltern vor, die so einen Unfug bei ihren Kindern dulden oder noch schlimmer, unterstützen?

  • Werbung schadet der Umwelt und dem Geldbeutel. Selbst Erwachsene werden täglich zum Kauf überflüssiger Produkte verleitet, ohne es zu merken.



    "Quatsch, ich hab' schon seit Jahren keine Werbung mehr gesehen!"



    Wirklich nicht?



    - Bunte Verpackungen



    - Schildchen, die den regulären Preis als "Discount-billig" ausloben



    - Produkt Placement in der Lieblingsserie



    - Identifikationsfiguren in allen Medien, die das hohe Lied der Eigenverantwortung singen und leben wie im Luxusmöbelprospekt



    - Vorabendprogramme, in denen Produkte nach nicht überprüfbaren Kriterien verglichen werden



    Das alles, und noch viel mehr ist Werbung.



    Der Kapitalismus findet immer neue Sprachrohre, sprich KI-Influencer, und neue Zielgruppen. Kinder kaufen Anti-Falten-Creme, weil die Eltern nicht mehr darauf hereinfallen. Widerlich und gehört verboten.

  • Konsum

  • Kinder könnten durch solch teuren Produkte dazu motiviert werden, fleißig zu lernen, einen guten Schulabschluss zu machen, möglicherweise zu studieren, um einen Job zu bekommen, der sie soviel Geld verdienen lässt, dass sie sich diese teuren Produkte auch leisten können.



    Ich finde, das solche Zusammenhänge schon in Grundschulen zum Unterrichtsthema und die lukrativesten Berufe dort vorgestellt werden müßten.

    • @Karl Heinz:

      Wer einen Beruf nur deswegen auswählt, weil er lukrativ ist, wird damit in den meisten Fällen auf die Nase fallen.



      Beispiel: Es gibt Handwerker, die sich eine goldene Nase verdienen. Wer das jetzt nachmacht, um reich zu werden, wird sein Leben in billigen Betrieben absitzen müssen, weil schlicht die Motivation fehlt, im gewählten Handwerk wirklich gut zu werden.



      Genauso läuft es auch bei den akademischen Berufen, die nur zum Reichwerden ausgesucht wurden.

    • @Karl Heinz:

      Das ist als Scherz gemeint?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Könnte sich jedenfalls niemand mehr beschweren, er habe nicht gewusst, dass Krankenpflege schlechter bezahlt wird als Computerprogrammierung... ;-)

    • @Karl Heinz:

      Soll das Satire sein?

  • Da kann man nur frei nach Karl Valentin sagen: Erziehung nützt nichts. Die Kinder machen ihren Eltern sowieso alles nach.

  • Es gibt bei TikTok kein Einzelproblem, TikTok ist ein weltweites Riesenproblem, vergleichbar mit dem Klimawandel.

  • Zu einer anderen Meldung schrieb ein Kommentator, dass ihn die Beeinflussung der jungen Menschen trotz uneingeschränkter Informationsmöglichkeiten erschreckt.

    Hier sieht man deutlich, welche Informationen Prioritäten haben.



    Das heißt für mich: Information = Werbung. Es werden nur die Informationen wahrgenommen, in denen den Menschen etwas angedreht werden soll.

  • das ist halt ein riesenmarkt: die kiddies, die sich um ihr aussehen sorgen, wie ihre mütter + z.t. ihre väter.



    in meiner umgebung kümmern sich schon die 6jährigen darum.



    werden ja vo ihren eltern auf internet-nutzung dressiert. weltweit.