Sexismus bei Fischfest in Memmingen: Traditionsverein geht baden
Diskriminierung oder Tradition? Im bayerischen Memmingen wird gestritten, ob Frauen bei dem Ausfischen-Spektakel ausgesperrt bleiben dürfen.
Christiane Renz darf aber nicht reinjucken, jedenfalls bisher nicht. Denn sie ist eine Frau. Den Bach ausfischen, damit er gereinigt werden kann, ist ein Privileg des männlichen Geschlechts. Bis jetzt. So steht es in der Satzung des Fischertagsvereins, der rund 4.800 Mitglieder hat und eine gewaltige Macht in der Allgäuer Stadt darstellt.
Renz klagte dagegen, weil sie darin eine Diskriminierung von Frauen sieht, und erhielt im August 2020 vom Amtsgericht Recht. Einen solchen Ausschluss von Frauen dürfe es in einem Verein nicht geben, der zugleich gemeinnützig ist und Steuervorteile genießt, argumentierte die damalige Richterin. Seitdem treibt das Thema die Stadt um.
Der Fischertagsverein ließ das Urteil nicht auf sich sitzen, am Mittwoch traf man sich zur Berufungsverhandlung. Die Verhandlung leitete Konrad Beß, Vorsitzender des Landgerichts. Für diesen Fall ist Autorität ebenso gefordert wie Fingerspitzengefühl. Hier im bayerischen Allgäu geht es um den größten Traditionsverein der Stadt. Und es geht um Grundsätzliches, das es in der Gesellschaft nicht mehr geben sollte – die Diskriminierung von Frauen. Kann oder darf es da überhaupt einen Kompromiss geben, eine „gütliche Einigung“, wie sie Richter Beß vorschwebt?
„Ein moderner Verein“?
Mit Engelszungen redet er auf die beiden Parteien ein: Dass es teuer wird für die Verlierer, wenn sie bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hoch klagen. Dass dem Verein der Entzug der Gemeinnützigkeit drohe, „wenn sie Frauen für immer und ewig ausschließen“. Und Beß erwähnt, dass schon beim ersten Prozess deutschlandweit über die angebliche Rückständigkeit der Stadt berichtet wurde – teils mit Empörung, teils als skurrile Posse vom Land. Jedenfalls nicht gerade zum Ruhme der Stadt.
Die Vorschläge des Richters stoßen auf Ablehnung. Christiane Renz hält nichts davon, einen eigenen Frauenverein zum Ausfischen zu gründen, oder eine Unterabteilung im Verein, der ein weibliches Ausfischen organisiert. „Ich will ja beim normalen Ausfischen mitmachen“, sagt sie.
Und ihre Anwältin Susann Bräcklein aus Berlin sieht in zwei nach Geschlecht getrennten Veranstaltungen eine „Gender-Apartheid“. Den Vorschlag, in die Vereinssatzung eine Ausnahmeregel aufzunehmen, hält wiederum der Vorsitzende Michael Ruppert für „nicht praktikabel“.
Vor dem ersten Prozess hatte Ruppert, der auch CSU-Stadtrat ist, gesagt: „Dass Frauen nicht mitmachen dürfen, beruht auf einer jahrhundertealten Tradition.“ Nun meint er: „Wir handeln durchaus zeitgemäß, wir sind ein moderner Verein.“
Diskriminierungsverbot vs. Vereinigungsfreiheit
Die 55-jährige Renz, selbst Mitglied im Fischertagsverein, erzählt, dass sie intern versucht habe, für ihre Position zu werben. Dass sie auf zwei Mitgliederversammlungen beantragt hat, Frauen zuzulassen. Doch das wurde mit breiter Mehrheit abgeschmettert. Das Verhalten der Frau sieht Ruppert anders: „Sie hat nie wirklich für ihr Anliegen geworben, es geht ihr um alles oder nichts.“
Rechtlich lautet die Kernfrage, ob das Diskriminierungsverbot oder die Vereinigungsfreiheit mehr wiegen – beides ist im Grundgesetz geschützt. Vor Gericht spielt der Verein die Bedeutung des Ausfischens herunter: Es dauere nur 20 Minuten und sei eher Randaspekt des Fischertags. Bei allem anderen seien am jeweils letzten Samstag im Juli die Frauen mit dabei.
Christiane Renz hingegen meint: „Das Ausfischen ist der zentrale Teil des Festes, da wird der Fischerkönig bestimmt.“ Anwältin Bräcklein sieht es als „Bürgerrecht“. Das Ausschließen von Frauen sei ein „klares Diskriminierungsmerkmal, nackte Willkür“. Am 28. Juli verkündet das Landgericht sein Urteil.
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