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Selenskyj in WashingtonFrieden im Anzug

Bei seinem Auftritt im Weißen Haus zeigt sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj modisch kompromissfähig. Und erfreut damit Donald Trump.

Schwarzer Anzug im Weißen Haus: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Foto: Aaron Schwartz/ZUMA Press/imago

Berlin taz | Es ist nur ein Detail, eine Äußerlichkeit. Und doch scheint die Frage der Kleidung beim Ukraine-Gipfel in Washington eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Schon als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag vor dem Weißen Haus aus dem Auto stieg, klopfte ihm US-Präsident Donald Trump anerkennend auf das schlichte, schwarze Jackett. „It’s the best I have“, entgegnete der ukrainische Präsident – das sei das Beste, das er habe. Und schon herrschte eitel Sonnenschein zwischen den beiden.

Kurz darauf im Oval Office ging es weiter. Hier lobte der Reporter Brian Glenn vor laufenden TV-Kameras Selenskyjs Anzug. „Sie sehen fantastisch aus“, sagte Glenn, der für seine Hofberichterstattung bekannt ist. „Das hab ich auch gesagt“, fiel Trump ihm ins Wort.

Glenn ist kein Unbekannter. Er hatte Selenskyj schon bei dessen Oval-Office-Besuch im Februar gefragt, warum er keinen Anzug trage. Damals erschien der Ukrainer, wie gewohnt, in einem schlichten, schwarzen Langarmshirt. Einen Anzug halte er für unpassend, solange der Krieg andauere, verteidigte er sich. Das Treffen endete in einem Debakel. Auch weil Trump die Kleidung des Ukrainers für unangemessen hielt, für eine Respektlosigkeit.

Was bei Staatsbesuchen im Weißen Haus angemessen ist, bleibt Geschmackssache. So präsentierte Trump seinen Gästen am Montag stolz ein Regal, in dem unter einem üppigen Kronleuchter rote Kappen ausgestellt waren – allesamt mit aufgedruckten Slogans, die zum Ausdruck bringen sollen, wie „great“ der US-Präsident ist. Selenskyj und Frankreichs daneben stehender Präsident Emmanuel Macron durften diese stilprägende Kollektion bewundern. Ein Foto dieser Szene postete Trumps Kommunikationsassistentin auf X.

Neudesign nach dem Eklat im Februar

Der Dresscode scheint ein entscheidender Punkt auf dem Weg zum Frieden zu sein. Aber wie soll sich Selenskyj dem beugen, ohne sich zu verbiegen? Dafür hat er offenbar gute Berater.

Nach dem Eklat im Februar wandte sich sein Team an den ukrainischen Designer Viktor Anisimov, der Selenskyj noch aus dessen Zeit als Komiker kannte. Anisimov entwarf einen Anzug, der alle Erwartungen vereinte. Bereits im April bei der Trauerfeier für den verstorbenen Papst Franziskus im Vatikan hatte Selenskyj diesen neuen Stil präsentiert.

Das Jackett wirkt schlicht, eher wie eine Jacke. Es fehlen eigentlich nur militärische Abzeichen und ein Tarnmuster, und man könnte es nahtlos auch beim Frontbesuch tragen. Dank des großen Kragens geht es dennoch als Anzugjackett durch.

Kurz gesagt: Dieser Anzug ist quasi das Sinnbild für den politischen Kompromiss, den Selenskyj eingehen muss. Er drückt Kompromissfähigkeit und weitgehende Anpassung an die vielleicht seltsamen Vorstellungen des Gegenübers aus, ohne sich selbst zu verleugnen. Und es dient dem Frieden, wenigstens beim anstehenden Gespräch. Für Trump hat das gereicht.

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11 Kommentare

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  • Der indische PM Modi hat sich bei seinem Staatsbesuch in Washington DC dann wohl auch völlig "daneben benommen". Aber vermutlich gelten für den als Vertreter eines der größten Länder der Welt andere Regeln.

    • @Il_Leopardo:

      Eine indische Kurta geht bei Indern als formelles Kleidungsstück durch - ein Langarmshirt geht dagegen nirgends auf der Welt als angemessen in einer formellen Umgebung durch.

    • @Il_Leopardo:

      Traditionelle Kleidung des Herkunftslandes ist erlaubt. Das war bei S. nicht der Fall.

  • Es gibt wirklich wichtiges als der Kleidungsstill von Selenski. Fairweise muss man aber sagen, dass auch schon unter Biden der Still als respektlos empfunden wurde. Andere Länder, die sich im Krieg befanden haben sich bei Treffen auf diplomatischer Ebene schließlich auch an diplomatische Etikette gehalten.

  • "Es ist nur ein Detail, eine Äußerlichkeit. Und doch scheint die Frage der Kleidung beim Ukraine-Gipfel in Washington eine wichtige Rolle gespielt zu haben."



    Das war nur der Anfang. Während der Presse-Konferenz im Oval-Office gab es weitere unangebrachte Fragen und anzügliche Äusserungen zu Selenskijs Dress-Code. "Oh, Sie sehen aber gut aus".



    Im Grund der gleiche Scheiß wie im Februar, nur anders verpackt.



    Machen wir uns nichts vor. Gar nichts ist erreicht. Trump, und vor allem J.D, Vance, dürften überrumpelt gewesen sein mit welcher Man-Power die Europäer in dieses völlig unvorbereitete Treffen gestolpert sind.

    • @LeKikerikrit:

      Gar nichts ist erreicht?



      Zum Eklat im Oval Office ist es nicht gekommen, weil Selensky die falsche Kleidung anhatte, sondern weil er Trump vor laufender Kamera erklärt hat, für einen Waffenstillstand mit Russland brauche sein Land Sicherheitsgarantien.



      Nun ist ein halbes Jahr vergangen, und Trump hat das prinzipiell eingesehen.

      • @Barbara Falk:

        Was Trump eingesehen hat, ändert sich stündlich.

  • Er könnte als Oberbefehlshaber auch einfach eine Uniform tragen. Das spart das Geld für den Designer.

    Aber gut, so sieht er wenigstens nicht mehr so aus, als wöllte er zum Angeln gehen 😉

  • Trump ist schon schlimm genug, fast ebenso unerträglich sind die Speichellecker wie Glenn. Dessen einziges Problem ist, welchen Anzug Selenskyj trägt, eine Schande für den Berufsstand der Journalisten.

  • Über Geschmacksfragen lässt sich ja vortrefflich streiten. Dass sich darin aber ein Donald Trump als bestimmender Faktor aufspielt, ist gelinde gesagt 'nicht en vogue'.



    Mit dem immer gleichen, ellenlangen roten Binder, einer Frisur, wie aus einem Comic und einer Baseball-Cape mit den unsäglichen drei Buchstaben, gibt er sich ja selbst nicht gerade als Mode-Ikone. Dass jetzt W.Selenskyj dieses Spiel mitmachte und wohl zu seinen Gunsten ausnützte, gebührt unser aller Respekt.



    Einfältig Menschen, auch wenn sie meinen viel Macht zu haben, sind oft einfach zu handeln.

  • Ja, für den MAGA-Schowmaster Trump reicht es, wenn er bestimmt, wie die Schow läuft, und das Schutzgeld kassiert. Deswegen wird die Schow weiter gehen. Das Drehbuch wird in Koproduktion mit ...