Selenskyj in Washington: Frieden im Anzug
Bei seinem Auftritt im Weißen Haus zeigt sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj modisch kompromissfähig. Und erfreut damit Donald Trump.

Kurz darauf im Oval Office ging es weiter. Hier lobte der Reporter Brian Glenn vor laufenden TV-Kameras Selenskyjs Anzug. „Sie sehen fantastisch aus“, sagte Glenn, der für seine Hofberichterstattung bekannt ist. „Das hab ich auch gesagt“, fiel Trump ihm ins Wort.
Glenn ist kein Unbekannter. Er hatte Selenskyj schon bei dessen Oval-Office-Besuch im Februar gefragt, warum er keinen Anzug trage. Damals erschien der Ukrainer, wie gewohnt, in einem schlichten, schwarzen Langarmshirt. Einen Anzug halte er für unpassend, solange der Krieg andauere, verteidigte er sich. Das Treffen endete in einem Debakel. Auch weil Trump die Kleidung des Ukrainers für unangemessen hielt, für eine Respektlosigkeit.
Was bei Staatsbesuchen im Weißen Haus angemessen ist, bleibt Geschmackssache. So präsentierte Trump seinen Gästen am Montag stolz ein Regal, in dem unter einem üppigen Kronleuchter rote Kappen ausgestellt waren – allesamt mit aufgedruckten Slogans, die zum Ausdruck bringen sollen, wie „great“ der US-Präsident ist. Selenskyj und Frankreichs daneben stehender Präsident Emmanuel Macron durften diese stilprägende Kollektion bewundern. Ein Foto dieser Szene postete Trumps Kommunikationsassistentin auf X.
Neudesign nach dem Eklat im Februar
Der Dresscode scheint ein entscheidender Punkt auf dem Weg zum Frieden zu sein. Aber wie soll sich Selenskyj dem beugen, ohne sich zu verbiegen? Dafür hat er offenbar gute Berater.
Nach dem Eklat im Februar wandte sich sein Team an den ukrainischen Designer Viktor Anisimov, der Selenskyj noch aus dessen Zeit als Komiker kannte. Anisimov entwarf einen Anzug, der alle Erwartungen vereinte. Bereits im April bei der Trauerfeier für den verstorbenen Papst Franziskus im Vatikan hatte Selenskyj diesen neuen Stil präsentiert.
Das Jackett wirkt schlicht, eher wie eine Jacke. Es fehlen eigentlich nur militärische Abzeichen und ein Tarnmuster, und man könnte es nahtlos auch beim Frontbesuch tragen. Dank des großen Kragens geht es dennoch als Anzugjackett durch.
Kurz gesagt: Dieser Anzug ist quasi das Sinnbild für den politischen Kompromiss, den Selenskyj eingehen muss. Er drückt Kompromissfähigkeit und weitgehende Anpassung an die vielleicht seltsamen Vorstellungen des Gegenübers aus, ohne sich selbst zu verleugnen. Und es dient dem Frieden, wenigstens beim anstehenden Gespräch. Für Trump hat das gereicht.
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