Selenskis Einladung an Xi Jinping: Empathie hat keine Priorität

Ukraines Präsident Selenski lädt Chinas Regierungschef Xi in die Ukraine ein. Doch die Volksrepublik leiten Eigeninteressen statt humanitäre Bedenken.

Der chinesische Präsident Xi Jinping in Moskau am 21. März 2023 Foto: sputnik/reuters

Es ist nicht das erste Mal, dass der ukrainische Präsident um eine Audienz bei Xi Jinping bittet. Mehrfach hatte Selenski bereits sein Interesse bekundet, mit Chinas Staatschef sprechen zu wollen. Er tat dies häufig auf ungewöhnlichen Wegen, etwa während Zeitungsinterviews.

Tatsächlich ist es beschämend, dass China einerseits Moskau hofiert, während es Kiew weiter die kalte Schulter zeigt. Zwar gab es Gespräche auf Ministerebene, doch diese waren eher der Versuch Pekings, sich den Anschein von Neutralität zu geben. In Europa hat man Chinas perfide Taktik längst durchschaut. Dass Selenski gute Miene zum bösen Spiel macht, beruht auf taktischen Gründen und Wunschdenken.

Unter westlichen Diplomaten in Peking sitzt der Schock tief. Zu Beginn der russischen Invasion versuchte die Leiterin der ukrainischen Botschaft wochenlang, Gesprächstermine bei Chinas Regierungsvertretern zu ergattern – ohne Erfolg. Seither hat sich folgendes China-Bild festgesetzt: Die Staatsführung kennt ausschließlich Eigeninteressen, humanitäre Bedenken stehen am Ende der Prioritätenliste.

von der Leyen findet harte Worte für China

Das bedeutet aber nicht, dass Europa die Hoffnung aufgeben sollte, dass Xi irgendwann doch einmal Druck auf Putin ausübt. Chinas Regierungsvertreter haben unterschätzt, wie sehr die Loyalität gegenüber Russland die diplomatischen – und möglicherweise bald wirtschaftlichen – Beziehungen zwischen Brüssel und Peking belastet. Und die EU ist immerhin der mit Abstand größte Handelspartner der Chinesen.

Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede am Donnerstag deutlich gemacht hat, weht künftig ein deutlich rauerer Wind aus Brüssel. Sie zitierte in ihrer Analyse auch die Abschiedsworte Xi Jinpings an Putin während des Staatsbesuchs in Moskau Mitte März: „Im Moment gibt es Veränderungen, wie wir sie seit 100 Jahren nicht mehr gesehen haben. Und wir sind diejenigen, die diese Veränderungen gemeinsam vorantreiben.“ In Europa werden seine Worte noch lange nachhallen.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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