Selbstgemachte Pasta einer Expertin: Die Knoblauchlektion
Knoblauch anbraten und auf seinen guten Geschmack hoffen? So einfach ist es nicht. Wie es richtig geht, zeigt Sara Lusena in ihrem kleinen Café.
Der Kinder wegen ist sie nach Europa zurück. Erst nach Mailand, wo sie aufgewachsen ist. Weil sie dort nur miese Jobs als Privatlehrerin bekam, ihr amerikanisches Diplom wurde nicht anerkannt, ist sie nach Berlin. Dort wohnt auch ihre Schwester. „New York mit kleinen Kindern, alleinerziehend dazu, das willst du nicht“, sagt sie.
Sie hat in New York Literatur studiert, das Schöne im Wort – und nebenher gejobbt trotz des Stipendiums. Die Hauptsache für sie: alles mit Leidenschaft tun. Leidenschaftlich kocht sie auch seit vier Jahren in Berlin. „Ich koche gerne, aber gut essen ist meine wirkliche Passion.“ Eigentlich wollte Lusena das Café in Berlin mit ihrem Exfreund, einem Koch, machen. Eine Woche bevor es losging, trennte er sich von ihr. Ihr Glück, dass der Laden ihrer Mutter gehört und nicht gemietet ist. Das hält ihr den Rücken frei.
Jetzt, das ist die Idee, soll Lusena zeigen, wie man Knoblauch richtig zubereitet. Und zwar so, dass am Ende drei Sinne bedient werden: Geruch, Geschmack und Nachgeschmack. Nicht nur soll sich im Raum dieser herrliche Duft von angebratenem Knoblauch verbreiten, der Knoblauch soll auch auf der Zunge ein rauchig-röstig-schwefliges Feuerwerk anzetteln. Und nach dem Essen soll er auf den Geschmacksknospen hängen bleiben, auch nachdem das Gericht verspeist ist; es soll nicht geschluckt und vergessen sein.
Sara Lusena ist die Richtige für diese Lektion. Sie steht im blauen Hemd, ihrer Schürze und der Wollmütze auf dem Kopf in ihrer kleinen Lokalität, die „Café Rosa“ heißt. Rosa, nach der rosa Farbe, in der sie den Raum gestrichen hat. „Rosa, weil Rosa glücklich macht.“
Vier Vintage-Tische stehen im Raum und eine höher gelegte Tischplatte als Tresen. Zu essen gibt es täglich zwei Pastagerichte, für jeden Gast extra zubereitet, zum Trinken Kaffee, selbstgemachte Limonade und Hibiskustee, der so stark ist, dass er salzig schmeckt. Auch die Nudeln macht Lusena selbst. „Mit Knoblauch?“, fragt sie jede und jeden, als wäre es eine Glaubensfrage.
Bevor die Lektion beginnt, packt Lusena eine halbe Stunde Theorie davor. Theorie, das sind Geschichten über Knoblauch. Dass sie nur zwei Menschen kenne, die Knoblauch nicht vertragen. Eine davon ist die Frau, die schon Stunden im Lokal sitzt, weil sie auf jemanden wartet. Dann, dass, ganz wichtig, niemals vorgeschälter Knoblauch benutzt wird. Dass, ebenso wichtig, die Zehe niemals mit Metall in Berührung kommen darf. „Man sagt, Metall nimmt dem Knoblauch das Aroma.“ Und dass fast alle Italiener und Italienerinnen, die bei ihr reinschneien, zwar wollen, dass mit Knoblauch gekocht wird, ihn dann aber nicht essen. Dagegen essen fast alle Deutschen den Knoblauch. „Geht, wenn es um kulturelle Identität geht, in die Küche und guckt da“, sagt sie.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Auch von ihrem Vater erzählt sie. Sie verehrt ihn, liebt ihn, er half ihr mit den Kindern, als sie wieder in Italien lebte. „Er hat wahnsinnig gerne gegessen, auch Knoblauch, war immer dick.“ Und sie erzählt, dass er ihr seine sephardische Kultur nicht weitergegeben hat, zu viel historisches Unglück sei damit verknüpft. In der Küche vom Café hängt ein Foto von ihm. Er ist vor ein paar Monaten an Corona gestorben.
Und dann erzählt sie noch diese Geschichte von Hanne und Hans, österreichische Freunde, die oft bei ihrer Mutter zu Besuch waren. Bekochte die Mutter sie, durfte kein Knoblauch ans Essen, denn Hans wollte nicht, dass Hanne, die Knoblauch sehr mochte, danach roch, wenn er sie küsste. Hanne hat für ihn verzichtet. „Aber wozu?“ Hans sei ein Frauenheld gewesen und irgendwann mit einer anderen über alle Berge. „Ach Hanne, hättest du doch Knoblauch gegessen.“ Jetzt kommt Lusena richtig in Fahrt. Denn Beziehungen seien wie Knoblauch: „Wenn er nicht durch ist, ist er nicht gut, und ist er verkocht, schmeckt er auch nicht.“
Dann endlich stellt sie sich in die Küche, nimmt eine Knoblauchzehe und drückt sie mit dem Handballen flach. Das ist der erste wichtige Trick, denn jetzt lässt sich die Knoblauchzehe ganz leicht schälen. Wer es nicht schafft, mit schierer Handkraft die Zehe platt zu drücken wie sie, kann auch den hölzernen Griff eines Messers zu Hilfe nehmen. Dann rupft sie die Knoblauchzehe längs auseinander und pult den Stielansatz heraus, „ich weiß nicht, warum ich ihn rausnehme. Ich mache es eben so.“
Sie gießt Olivenöl in die Pfanne, pflückt die länglichen Stücke klein, gibt sie ins Öl. In heißes? „Nein, nein, der Knoblauch soll sich langsam entfalten, nicht geschockt werden.“ Sobald das Öl heiß ist, bleibt sie in der Nähe. „Ein paar Sekunden abgelenkt, und alles kann vorbei sein.“ Auch sie hätte schon Knoblauch verbrannt und sich geärgert.
Als der Knoblauch gelb ist, nimmt sie die Pfanne vom Feuer, stellt sie schräg und lässt die Knoblauchstückchen unter Beobachtung im heißen Öl weiterbrutzeln. Werden sie nicht so golden, wie sie es für gut befindet, stellt sie die Pfanne zurück auf die Flamme und wiederholt das Prozedere. Als die Knoblauchstückchen die leichte goldene Ockerfarbe haben, nimmt sie sie heraus und brät im Fett Chili und Rosmarin an. Knoblauch, grüner Chili, schwarzer Pfeffer, Sardellenpaste, Pinienkerne, Rosmarin, Parmesan. Auf Maronennudeln. Ihre Variation eines toskanischen Rezeptes.
Sie serviert die Pasta auf Vintage-Tellern. Sie ist eine Müllvermeiderin. Wer die Pasta mitnehmen will, bekommt sie in einem Teller, über den sie einen zweiten Teller legt. Das schlägt sie in ein Tuch ein. „Du kannst mir die Sachen später wiederbringen“, sagt sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben