Schweiz streitet über Halal-Fleisch: Die Qual beim Schächten
Müssen Tiere beim betäubungslosen Schlachten unnötig leiden? Die Schweiz debattiert ein Importverbot für koscheres und Halal-Fleisch.
Auslöser der Debatte ist ein mit „Koscheres Fleisch soll in der Schweiz verboten werden“ überschriebener Artikel des Zürcher Tagesanzeiger über einen Nationalratsbeschluss vom Juni. Darin beauftragte es den Bundesrat, also die Regierung, „unter Berücksichtigung internationaler Verpflichtungen, ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Produkte zu erlassen“.
Der Antragsteller, der sozialdemokratische Abgeordnete Matthias Aebischer, nannte in der Begründung lediglich Froschschenkel, Pelze und Gänsestopfleber. Das führte damals kurzzeitig zu einem Sturm der Entrüstung in der französischsprachigen Westschweiz, wo die „Foie gras“ beliebt ist.
Als Beleg für seine Schlagzeile zitierte der Tagesanzeiger nun die Präsidentin der Tierschutzvereinigung „Alliance Animale“, Katharina Büttiker. Sie sagte, es stehe „außer Frage, dass Halal- und Schächt-Fleisch zu den tierquälerisch hergestellten Produkten zählen, deren Import verboten werden muss.“
Importverbot verstösst gegen WTO-Regeln
Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen verweist hingegen auf einen Passus des Parlamentsbeschlusses, wonach „die internationalen Verpflichtungen der Schweiz berücksichtigt werden“ müssen. Erst 2016 hatte der Bundesrat festgestellt, ,,dass Importverbote für islamisches Halal- oder jüdisches Schächt-Fleisch im Prinzip gegen das Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) verstoßen, sofern sie nicht sanitätspolizeilich begründet sind“.
Die allererste Volksinitiative in der Schweiz hatte bereits 1893 das Schächtverbot in der Verfassung verankert. Die Initiative war von Tierschützern lanciert worden, die Abstimmungsdebatte war jedoch antisemitisch geprägt: Es ging vor allem um den Widerstand gegen die Immigration von Juden.
Inzwischen ist das Verbot aus der Verfassung gestrichen, dafür 1978 im Tierschutzgesetz aufgenommen worden. Es sieht vor, dass trotz Schächtverbot die Einfuhr von Koscher- und Halal-Fleisch erlaubt bleibt, „um eine ausreichende Versorgung der jüdischen und der islamischen Gemeinschaft mit solchem Fleisch sicherzustellen“.
2016 wurden 140 Tonnen koscheres Fleisch und 512 Tonnen Halal-Fleisch in die Schweiz importiert. Seit 2001 scheiterten bereits zwei Volksinitiativen mit dem Ziel eines Importverbots.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen