EuGH-Urteil: Kein Biosiegel für Halal-Fleisch

Überraschendes Urteil des EuGH: Halal-Fleisch darf kein Biosiegel tragen. Betäubungsloses Schlachten erfüllt nicht die Tierschutzstandards der Bio-Verordnung.

Tierrechtler, die sich als Schaf und Rind verkleidet haben, protestieren vor dem Kanzleramt in Berlin

Protest gegen betäubungsloses Schächten in Berlin (Archivbild) Foto: dpa

FREIBURG taz | Fleisch von geschächteten Tieren darf nicht das EU-Bio-Label tragen. Dies entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Fall aus Frankreich. Das betäubungslose Schlachten garantiere nicht, dass die Tiere so wenig wie möglich leiden.

Konkret ging es um Rinderhacksteaks der Marke „Tendre France“, die Halal-Waren in Bio-Qualität verspricht. „Halal“ heißt für Muslime „erlaubt“, wobei „Halal“-Fleisch in der Regel von betäubungslos geschlachteten Tieren stammt. Dabei werden dem Tier mit einem scharfen Messer Halsschlagader und Luftröhre durchtrennt. Anschließend lässt der Metzger das Tier ausbluten. Ob eine (kurze) Betäubung beim Schlachten zulässig ist, wird in der islamischen Welt unterschiedlich gesehen. Auch „koscheres“ Fleisch für Juden stammt von betäubungslos geschlachteten Tieren.

Das französische Hilfswerk für Schlachttiere (OAPN) klagte vor französischen Gerichten, damit das Halal-Hacksteak nicht mehr mit dem EU-Bio-Logo beworben werden darf. Selbst wenn die Tiere artgerecht gehalten und mit Bio-Futtermitteln ernährt würden, sei das EU-Bio-Siegel für das Fleisch von geschächteten Tieren unzulässig, so die Tierschützer. Daraufhin legte das Oberverwaltungsgericht Versailles dem EuGH die Frage zur Auslegung vor.

So wenig Leiden wie möglich

Der EuGH betonte nun, dass die EU-Bio-Verordnung von 2007 von „hohen Tierschutzstandards“ spricht. Außerdem heiße es in den Erwägungsgründen der Verordnung, dass das Leiden der Tiere bei der Schlachtung „so gering wie möglich“ sein soll. Der EuGH bezieht sich außerdem auf die EU-Schlacht-Verordnung von 2009. Dort ist das Schlachten mit Betäubung grundsätzlich vorgeschrieben.

Zwar sind in der Schlachtverordnung Ausnahmen von der Betäubungspflicht aus religiösen Gründen möglich. Das Schächten sei jedoch, auch wenn es tierschonend durchgeführt wird, „nicht gleichwertig“ mit dem Schlachten unter Betäubung. Der EuGH beruft sich hier auf wissenschaftliche Studien, unter anderem des Wissenschaftlichen EU-Gremiums für Tiergesundheit und Tierschutz aus dem Jahr 2004.

Die EuGH-Entscheidung kommt überraschend, denn der unabhängige Generalanwalt Nils Wahl hatte in seinem vorbereitenden Gutachten keinen Widerspruch zwischen Halal und Bio gesehen. Die EU-Bio-Verordnung enthalte keine Vorgaben für konkrete Schlachtmethoden.

Auch die konventionelle Schlachtung hat Probleme mit der Betäubung

In Deutschland ist das betäubungslose Schlachten im Prinzip verboten. Allerdings können Metzger, die für Mitglieder ihrer Religionsgruppe schlachten, eine Ausnahmegenehmigung erhalten. In der Praxis wird das in Deutschland verkaufte Halal-Fleisch vor allem aus Belgien und Frankreich importiert.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2002 entschieden, dass die Ausnahme für rituelle Schlachtungen sowohl für Juden als auch für Muslime gilt, soweit ihre Islam-Auslegung das Schächten vorschreibt. Seitdem versuchen Tierschützer, aber auch Rechtsextremisten immer wieder ein generelles Schächtverbot durchzusetzen. Die AfD bezeichnete das Schächten in ihrem Bundeswahlprogramm als „tierquälerische Schlachtung“ und will es verbieten.

Doch auch die konventionelle Schlachtung hat Probleme mit der Betäubung. Eine Prüfung des bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ergab vor einigen Jahren, dass in vier von sechs untersuchten Schlachthöfen die Tiere schlampig betäubt wurden. Die Tierrechtsorganisation „Soko Tierschutz“ zeigte 2017 Filmmaterial über Missstände bei der Betäubung in einem Schlachtbetrieb, der Bio-Fleisch erzeugte.

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