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Schutz von Sin­t:ez­ze und Rom:­njaWürde ein Staatsvertrag helfen?

Hamburgs Senat will laut Koalitionsvertrag die Teilhabe von Sinti und Roma stärken. Passiert ist wenig, deshalb fordert die Linke einen Staatsvertrag.

Wird jetzt besser betreut: Sinti-Siedlung in Hamburg-Wilhelmsburg Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | SPD und Grüne in Hamburg haben in ihrem Koalitionsvertrag von 2020 vereinbart, die Teilhabe von Sinti und Roma am gesellschaftlichen Leben zu verbessern. 18 Monate später ist davon wenig zu sehen, zumindest wenig Grundsätzliches. Die Linke fordert deshalb einen Staatsvertrag mit der deutschen Minderheit, wie ihn andere Bundesländer bereits geschlossen haben. Die Schwesterstadt Bremen hat immerhin schon mal einen Rahmenvertrag mit den Sinti und Roma geschlossen.

An Problembewusstsein mangelt es dem rot-grünen Hamburger Senat nicht: „Als Verfolgte sind die Sinti und Roma bis heute in der öffentlichen Wahrnehmung unterrepräsentiert“, ist im Koalitionsvertrag zu lesen. Im Vergleich mit anderen Minderheiten in Hamburg würden Sinti und Roma besonders stark diskriminiert, stellte der von der Sozialbehörde in Auftrag gegebene Bericht „Zusammenleben in Hamburg“ von 2014 fest. Die Einstellungen zu Sinti und Roma sind demnach weniger positiv als zu allen anderen abgefragten Gruppen. Viele Befragte sehen sie nicht gern als Nachbarn und lehnen eine Einheirat in die Familie ab.

Der Senat versucht bereits, dem gegenzusteuern. 2023 soll ein Dokumentationszentrum in dem neuen Stadtteil Hafencity eröffnet werden, dass unter anderem die Geschichte deportierter Sin­t:ez­ze und Rom:­nja aufarbeiten soll. Der Senat kümmert sich wieder um eine lange vernachlässigte Siedlung für Sinti im Stadtteil Wilhelmsburg und erprobt neue Wege, um Sinti-Kinder an die Schule und den Kindergarten heranzuführen.

Die Hamburger Linke sieht darin einen Flickenteppich von Maßnahmen. Sie fordert einen großen Wurf in Gestalt eines Staatsvertrages, wie er sie mit den großen Religionsgemeinschaften geschlossen hat.

Staatsvertrag

Eine Vereinbarung mit dem Staat schützt Minderheiten in einem Bundesland durch finanzielle Förderung und rechtliche Verpflichtungen.

Einerseits entsteht ein fester Ansprechpartner für politische Entscheidungen, die die Minderheit betreffen.

Andererseits wird durch eine Basisfinanzierung die Arbeit des Vertragspartners für die Zukunft abgesichert. So wird eine nachhaltige Teilhabe an Politik und Gesellschaft garantiert.

„Ein Staatsvertrag sichert die gesellschaftliche Anerkennung für Sinti und Roma“, sagt Metin Kaya, Fachsprecher für Migration und interkulturelles Zusammenleben der Linken. Dieser solle nicht nur politische Teilhabe und Minderheitenrechte verbürgen, sondern auch eine Basisfinanzierung der Sinti- und Roma-Vertretungen. Überdies müsse die Stadt „einen Rahmen für gemeinsame Projekte zwischen den einzelnen Gruppen“ schaffen.

Die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Unabhängige Kommission Antiziganismus (UKA) stellte in ihrem Abschlussbericht im Juli fest, dass das Engagement für die Sache der Sinti und Roma durch mangelnde Finanzierung ständig in seiner Existenz bedroht sei. Mehr als 90 Prozent der befragten Vereinigungen forderten daher mehr Unterstützung ihrer Arbeit. Die Kommission empfiehlt deswegen die Berufung ei­ne:s Antiziganismusbeauftragten, die Anerkennung des nationalsozialistischen Genozids an Sin­t:ez­ze und Rom:­nja und die Einsetzung eines unabhängigen Beratungskreises.

Die Bundesländer gehen auf verschiedenen Wegen gegen Antiziganismus vor. Schleswig-Holstein setzte den Schutz von Sin­t:ez­ze und Rom:­nja in der Landesverfassung fest. Dies überträgt sich in einen Schutz der Minderheitensprache Romanes, die ausschließlich innerhalb der Familienverbände gelehrt und weitergegeben wird. Es wurde ein Ort für eine Siedlung für Sin­t:ez­ze und Rom:­nja in Kiel geschaffen. Zudem werden Me­dia­to­r:in­nen an Kieler Schulen gefördert, weil Kinder der Gruppe häufig diskriminiert werden.

Der bayrische Landtag stimmte 2018 einem Staatsvertrag mit Vertretungen von Sin­t:ez­ze und Rom:­nja zu. Das Land verpflichtete sich damit, die kulturelle Identität der Minderheit zu schützen. In Bremen existiert seit 2013 eine Rahmenvereinbarung. Eine solche führte beispielsweise in Rheinland-Pfalz in einen Staatsvertrag. Hamburg hingegen fehlt eine vertragliche Regelung komplett. Und an der politischen Teilhabe hat sich seit 2001, als Mario Mettbach, der aus einer Sinti-Familie stammt, ausgerechnet für die Schill-Partei in den Hamburger Senat einzog, nichts geändert.

Rudko Kawczyinski, Vorsitzender der Rom und Cinti Union in Hamburg, kritisiert die Dissonanz zwischen politischem Willen und Realität: „Wir sind der Spielball in den Händen der Hamburger Politik“, findet er. Seit Mitte der Neunzigerjahre würden Projekte durch wechselnde Regierungsparteien willkürlich „an- und ausgeknipst“. Es fehle eine vertragliche Grundlage, auf der man planungssicher arbeiten könne.

Hamburg müsse sich endlich dazu bekennen, die mehr als 60.000 in der Stadt lebenden Sin­t:ez­ze und Rom:­nja als nationale Minderheit anzuerkennen. Vor den Wahlen sei der politische Wille einer Anerkennung von allen Parteien signalisiert worden – sogar von der AfD. Der Genozid an Sin­t:ez­ze und Rom:­nja müsse strukturell Aufgearbeitet werden: „Die Stadt hat einen großen braunen Fleck auf der sozialdemokratischen Weste“, kritisiert Kawczyinski.

Arnold Weiß, seit 2013 Vorsitzender des Landesvereins der Sinti in Hamburg, wünscht sich „selbstverständlich“ einen Staatsvertrag. Der Landesverband fühle sich und andere Vereinigungen unangemessen behandelt.

Nachdem 2019 gemeinsam mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma der Wunsch nach einem Staatsvertrag an den Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) herangetragen wurde, sei es aber bloß zu einem Gespräch auf Staatsratsebene gekommen – so heißen in Hamburg die Staatssekretäre. Das Gespräch sei ergebnislos geblieben.

Aus der Sicht von Arnold Weiß ist die Diskussion über die Diskriminierung von Sin­t:ez­ze und Rom:­nja und was dagegen zu tun wäre in Hamburg noch wenig entwickelt: „Es kommt immer wieder zu rassistischen Äußerungen in Schulen und Behörden, die häufig gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden“, kritisierter.“ Es fehlt eine institutionalisierte Antziganismuspolitik.“ Zu oft suchten die Behörden nicht das Gespräch. Zur Abschaffung eines Durchreiseplatzes etwa, der für reisende Sinti und Roma wichtig ist, seien die Verbände nicht gefragt worden.

Die taz fragte den Senat, ob Hamburg auch einen Staatsvertrag nach dem Vorbild anderer Bundesländer plane. „Die Überlegungen dazu sind noch nicht abgeschlossen“, teilte eine Pressesprecherin mit.

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