Schutz gegen Wölfe: Ein Schäfer ist kein Cowboy
Ein niedersächsischer Hirte darf seine Schafe nicht mit der Flinte gegen Wölfe verteidigen. Das Verwaltungsgericht Lüneburg wies seine Klage ab.
taz |
Wendelin Schmücker sieht man an, dass er es ernst meint mit seinem Beruf. Schon von weitem ist er an seiner Schäferkluft inklusive Stock, Weste und Hut zu erkennen. In einem Fernseh-Interview auf dem Gerichtsparkplatz redet er laut über die norddeutsche Kulturlandschaft, die durch die Schafhaltung geprägt wird.
Unter den Leuten ist auch Ulrike Galler, eine Schäferin aus Lüneburg. Sie trägt eine Jacke mit der Aufschrift „Wir lieben Schafe“. Galler ist ebenfalls Mitglied im Förderverein der Deutschen Schafhaltung (FDS), dessen Vorsitzender der Kläger ist.
Schmücker ist geübt im Umgang mit den Medien. Unter den Journalist:innen vor dem Gerichtsgebäude trifft er einige bekannte Gesichter. Eine Journalistin duzt ihn. „Die Wölfe sollen im Wald bleiben, da haben wir nix gegen“, sagt er lächelnd in eine Kamera. Seine Erfolgsaussichten beurteilt er nicht gerade optimistisch. „Die Chancen sind eher gering, aber schauen wir mal, was die Richter sagen“.
Geld und Emotionen
Den Prozess beginnt der vorsitzende Richter Sebastian Luth mit dem Hinweis darauf, dass es eine politische Frage sei, wie mit den steigenden Wolfszahlen in Deutschland umzugehen ist und dass das nicht im Gericht entschieden werde.
Erkennbar nervös, seine Hände fest ineinander verschlungen hält der Schäfer sein Plädoyer. Seine Knöchel treten weiß hervor, textlich ist er jedoch gut vorbereitet. Fast wie auswendig gelernt rattert er los, spricht von seinen Unterhaltungen mit anderen Schäfer:innen „in der ganzen Welt“ – Frankreich, Österreich und der Schweiz, konkretisiert er.
Bis zu acht Schafsherden besitzt der Berufsschäfer. Etwa 75 Prozent seines Einkommens erzielt er durch den Verkauf von Lammfleisch. Wolfsangriffe bedrohten seine Existenz. Die Entschädigungszahlungen, welche das Land den Schäfer:innen für gerissene Tiere zahle, seien keine Alternative, betont sein Hamburger Anwalt Heiko Granzin.
Die emotionale Bindung des Schäfers an seine Schafe sei einfach zu groß, um eine finanzielle Kompensation für die toten Tiere akzeptieren zu können. Dass genau dieser Handel seine berufliche Existenz begründet, wird im Prozess nicht erwähnt.„Mein Mandant ist Landwirt und liebt Tiere. Es geht ihm nicht darum, Tiere zu töten“, erklärt Granzin beschwichtigend.
Für das reine Verscheuchen reiche eine Schreckschusswaffe, entgegnet Stadtsprecher Theodor Peters gereizt. „Wenn Herr Schmücker nicht töten wollte, könnten wir hier aufhören“.
Theodor Peters, Sprecher der Stadt Winsen
Schmücker scheint die Aufmerksamkeit zu genießen. Die Stadt Winsen, wirft ihm genau das vor. Peters behauptet, der Kläger habe den Rechtsstreit provoziert, wolle lediglich auf sein Anliegen aufmerksam machen. Nicht einmal den notwendigen Sachkundenachweis habe er für den Antrag erbracht. Darauf hat die Klägerseite keine Antwort.
Ende April sei es bei einer seiner Herden zu einem nächtlichen Wolfsangriff gekommen, bei dem 25 Tiere gerissen wurden, berichtet Schmücker. Er selbst sei nicht zugegen gewesen. Um nachts seine Herde bewachen zu können, habe er sich mittlerweile sogar einen Wohnwagen besorgt.
Für die effektive Überwachung sei der Schusswaffengebrauch aber als „letztes Mittel“ unbedingt notwendig. Andere Herdenschutzmaßnahmen seien nicht wirtschaftlich, zu aufwendig, Herdenschutzhunde zu teuer, zu laut für die Nachbar:innen, betont auch seine Schäferskollegin Galler.
Schmückers Klage wurde letztlich abgewiesen, weil er schlicht das „erforderliche waffenrechtliche Bedürfnis“ nicht nachweisen konnte. Zwar erkannte das Gericht an, dass ihm die Wolfsangriffe wirtschaftlich geschadet hätten. Es stellte den Schutz des Wolfes jedoch über die ökonomischen Interessen des Schäfers.
Auch ein erst im Verfahren gestellter Antrag, wenigstens Gummigeschosse nutzen zu dürfen, lehnte das Gericht ab. Einen entsprechenden Antrag müsse er bei der Stadt Winsen stellen.
Für Schmücker war der Prozess vor allem ein wirtschaftliches Anliegen, erklärt er nach der Sitzung. Er werde in Berufung gehen, vorausgesetzt, seine Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten.
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