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Schutz des VerfassungsgerichtsKein Ersatz für gute Politik

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Von Union bis zu den Grünen herrscht Einigkeit über ein Verfassungsgesetz, das das höchste Gericht krisenfester machen soll. Das ist gut, reicht aber nicht.

RichterInnen des Bundesverfassungsgerichts setzen sich bei einer Urteilsverkündung ihre Barette auf Foto: Uli Deck/dpa/picture alliance

N atürlich ist es richtig, Maßnahmen zu ergreifen, um staatliche Strukturen möglichst resilient gegen autoritäre Vereinnahmung auszugestalten. Nur wenigen Menschen in der Bundesrepublik ist bewusst, wie angreifbar tatsächlich auch unser System von Checks and Balances ist. Denn ein autoritärer Umbau ist nicht nur in Ungarn, Polen oder Israel möglich, sondern auch hier: Bei jetziger Rechtslage kann das Bundesverfassungsgericht mit einer einfachen Mehrheit ausgehebelt werden.

Eine neue Kammer könnte eingeführt werden, die dann von einer autoritären Regierung besetzt würde und mit einem neuen Geschäftsplan politisch heikle Verfahren zugeschustert bekommen könnte – eine entscheidende Institution des Rechtsstaats wäre lahmgelegt. So ist es zu begrüßen, dass von Union bis zu Grünen über Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz des Verfassungsgerichts diskutiert wurde und nun ein Kompromissvorschlag vorliegt.

Bei noch vorhandenem Verbesserungspotenzial zeigen damit sowohl Bundesregierung als auch demokratische Opposition, dass sie in Zeiten der autoritären Bedrohung von innen und außen im Sinne der Demokratie und seiner Institutionen zusammenarbeiten können – trotz inhaltlicher Differenzen im Tagesgeschäft. Das tut parallel zu dysfunktionalem Ampelstreit und rassistischen Entgleisungen von CDU-Chefs auch mal ganz gut.

Aber: Allein mit neuem Verfassungsrecht lässt sich die Demokratie nicht retten. Dass das Bundesverfassungsgericht nun sturmfester gemacht wird, darf nicht zu einem Entlastungsdiskurs führen. Zumal bei den Landtagswahlen im Osten erhebliche Disruptionen bevorstehen könnten und man es etwa in Thüringen nicht hinbekommen hat, Sicherheitsmechanismen einzuführen. Von den bröckelnden Brandmauern zur extrem rechten AfD auf kommunaler Ebene ganz zu schweigen.

Mit Gerechtigkeit gegen Rechtspopulismus

Dagegen braucht es nicht nur mehr Unterstützung für eine starke Zivilgesellschaft, vor allem dort, wo Grundwerte besonders attackiert werden, sondern auch gute Politik. Es braucht keinen Überbietungswettbewerb bei der Übernahme rechtsextremer Forderungen, sondern einen halbwegs anständigen Wettstreit über Probleme wie Wohnungsnot, Klimakrise und eine kaputtgesparte Infrastruktur.

Deutlich besser als eine Verfassungsreform würde gegen den Aufschwung autoritärer Kräfte eine Abkehr von neoliberaler Sparpolitik helfen, die in multiplen Krisenlagen wie ein Katalysator für den Rechtsruck wirkt und soziale Verteilungskämpfe verschärft, die zusätzlich durch eine Normalisierung von rechtsextremen Posi­tionen rassistisch aufgeladen werden.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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20 Kommentare

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  • Ich glaube, mit diesem Kommentar werden Eulen nach Athen getragen (bzw. die geplanten Änderungen als Aufhänger benutzt, um mal wieder ein wenig "ceterum censeo..." loszuwerden).

    Die neuen Sicherungsmaßnahmen für das Verfassungsgericht sollen doch ganz offensichtlich mitnichten sicherstellen, dass es die "richtige" Politik unterstützt, die Wahl der "falschen" Parteien erschweren oder gar richtige Politik ersetzen. Das dürfte auch hoffentlich allen Beteiligten völlig klar sein!

    Die Maßnahmen sind NUR eine finale Rückversicherung, dass niemand, nur weil er eine Kanzlermehrheit gewonnen hat, das Gericht als unabhängigen Wächter der FDGO entmachten und diese dann - im Zweifel ohne zivilen Rückfahrschein - abschaffen kann. DASS niemand, der das wollen würde, so eine Kanzlermehrheit bekommt, ist also - ebenso offensichtlich - ein gänzlich ANDERES Ziel.

    Das MUSS man also logisch notwendig auch mit anderen Mitteln anstreben. Ob das zwangsläufig die sind, die sich der Autor wünscht, ist eine zutiefst diskutable Frage, für die wir ganz dringend AUCH den demokratischen Prozess nicht aus denAugen verlieren sollten, solange er noch so schön bewacht wird... ;-)

  • Der Kommentator möchte im Wesentlichen darauf hinweisen, daß die meisten Radikalwähler durchaus plausible Gründe anführen können, warum sie so wählen.

    Das ist in der Tat das Hauptproblem.



    Die Bedrohung durch Rechtsradikale berechtigt die demokratischen Parteien nicht zu schlechter Politik.

    In der Weimarer Republik war es übrigens genau so.



    Hilft nur im Nachhinein nicht mehr.

  • Warum ist Sparen plötzlich neoliberal? Viele hier sind vielleicht schlicht zu jung, aber als die Politik immer schön für alles Schulden gemacht hat und die Zahlungszinsen immer mehr würgten, haben davon vor allem die Reichen und die Großkonzerne profitiert. Da gab es einen Aufschrei als die Sparpolitik beschlossen wurde.

    Gerade im Hinblick auf die nächsten Generationen will man keinen Schuldenberg hinterlassen. Das finde ich eher progressiv als neoliberal. Man muss eben an den richtigen Stellen sparen, ohne wichtige Dinge auszudörren. Es gibt genug Beispiele, wie Millionen und Milliarden in Privatkonzerne ohne Zukunft versenkt werden. Wie sich Firmen durch windige Verträge Steuergelder aneignen. DA muss man ran. Nicht an Sozialkassen und Hilfsprogramme.

    Das Sparen ist wichtig.

    • @Hefra1957:

      Sie vergessen, dass "progressive" "Wirtschaftexperten" nicht müde werden zu betonen, dass höhere Staatschulden ja gar keine Belastung seien, weil sie sich rollierend unendlich aufstocken ließen - auch um die jeweilige Zinslast (ok, Einschränkung: solange es genug Wirtschaftswachstum gibt - dessen Sinnhaftigkeit dann freilich wieder andere "progressive" "Wirtschaftexperten" stark anzweifeln...).

      Hier unten auf dem Boden der normalwirtschaftlichen Tatsachen nennt man das ein "Schneeballsystem", und es ist in der Regel ein Fall für den Staatsanwalt. Auf volkswirtschaftlicher Ebene ist es hingegen einfach die Theorie, dass solches Schuldenmachen zwar im Ergebnis das Gleiche tut wie mehr Geld zu drucken, nämlich staatliche Finanzierungslücken in Inflation umzuwandeln, aber nicht dasselbe schlechte Image hat. ;-)

  • Ex-BVG-Richter Peter Müller CDU rät, es bei bisheriger 2/3 BT-Mehrheit für BVG Richterwahl zu belassen, statt sie abzuschaffen durch Absenkung Quorums auf einfache Regierungsmehrheit. Wohl auch, weil das gegen Grundgesetz Bundestagskonsensprinzip1949 verstößt



    Kommt da Idee CDU BT-Präsidenten Wolfgang Schäuble (1942-2024) BT- Konsensprinzip evtl. näher, durch neu geschaffenen Bürgerrat im Fall von BVG Blockierung durch BT, Bundesrat, BVG Plenum, von Fall zu Fall als Zünglein an der Waage mit außerordentlicher Beschlussbefugnis zu versehen, nach Zufallsgenerator aus Gesamtzahl aller Wahlberechtigten z. B. 100 Personen zu berufen?



    Ohnehin sollte Ampelkabinett endlich Forderung Deutschen Richterbundes 2019, Europol, Interpol 2018 folgen wie im Ampelkoalitionsvertrag 2021 angekündigt, politisches Weisungsrecht von Ministern in Bund, Ländern gegenüber Staatsanwaltschaften, BKA, Generalbundesanwalt, Bafin, Finanzämtern u. u., gemäß § 147 Gerichtsverfassungsgesetz 1895 abzuschaffen, weil das AfD in Regierungsbeteiligung Tor öffnet, staatsanwaltliche Ermittlungen einzustellen, damit es gar nicht erst zu Klagen kommt, Verfahren auf polit. Weisnung verschleppt in Verjährung schicken kann

  • Ich fürchte, es geht nicht darum, das BVG noch besser zu machen. Es besteht dringende Notwendigkeit ersteinmal wieder die Ansprüche an die fachliche Qualifikation der Richter wieder herzustellen, wie es noch vor 20 Jahren Usus war.

    • @Werner2:

      Es gibt den Fachkräftemangel überall.

  • Was ist eigentlich generell mit der Besetzung des Verfassungsgerichtes. Wie kann ein Politiker wie Habarth Präsident werden ?

    Sollte bei einer Neuordnung nicht auch darauf geachtet werden

  • Es ist ein nicht zu vernachlässigendes Merkmal einer politischen Entwicklung, dass in dem Moment, wo die Zustimmung auch bei den Altvorderen nicht mehr so gegeben ist, plötzlich Sicherungen gegen Radikale eingebaut werden 'müssen'. Dabei müsste eigentlich -und die Gerichte geben der Deutschen Umwelthilfe ja auch recht, eine ziemlich einschneidende Klimapolitik betrieben werden, wenn wir überhaupt noch etwas retten wollen für die Menschheit auf diesem Planeten! Die Angst vor radikalen Maßnahmen macht doch diese 'Demokratie' so unglaubwürdig, wenn 'das Volk' durch Parteien wie der FDP, einer mit der Industrie vermauschelten SPD und einer CDU 'vertreten' wird, die vor Allem die Soirgen der Aktienbesitzer im Sinn hat. müssen wir uns 'nur' von Verfassungsrichtern 'vorschreiben' lassen, wie Klimaschutz funktioniert, wer schützt uns vor Politikern, die sich nicht trauen, endlich einmal tabula rasa zu machen, wo diese komischen 'Grünen' schon überfordert waren in ihrer 'Mission' ?

    • @Dietmar Rauter:

      Warum setzen Sie "Demokratie" in Anführungszeichen? Ist echte Demokratie für Sie nur, wenn das Volk mehrheitlich die aus Ihrer Sicht "richtigen" Parteien wählt?

  • Haben Sie daran gedacht dass die Brandmauer auf kommunaler Ebene kontraproduktiv sein könnte. Beispiel die AFD stellt den Antrag das Dach der Kita vor dem Winter zu sanieren da undicht. Die anderen Parteien lehnen den Antrag wegen Brandmauer ab und stellen drei Monate später einen ähnlichen Antrag. Es kommt zu Wasserschäden, der Bürger bekommt das mit und ist meiner Meinung nach zurecht verärgert. Die Parteien speziell auf lokaler Ebene sollen pragmatisch Probleme lösen und keine politischen Spiele spielen.

    • @Miriam:

      Es muss differenziert werden, natürlich ist auch das wieder ein Mittel der AfD, sich selbst als normal, wählbar und harmlos darzustellen. Harmlose Allerweltsanträge können die anderen Parteien natürlich mittragen, hier ist politische Kreativität gefragt.



      Interessant wird es bei den Lieblingsthemen der AfD, Gängelung von Nicht-Biodeutschen, Asylbewerbern, Moslems.



      Darüber hinaus fällt die AfD, egal auf welcher Ebene, nicht als eifrige, sachorientierte Problemlösungspartei, sondern als hasserfüllte Propadandamaschinerie auf, die Probleme eher verschärft als löst.

  • Das spannende ist ja, dass - egal ob man Linke, BSW, AfD, Grüne, FDP, SPD, CDU etc. für gut- oder schlecht heißt - den Wählerwillen nicht goutiert, in dem man bereits dafür sorgen will, dass die Richter nicht mehr entsprechend der jahrzehntlang geübten Praxis ernannt werden

    • @eicke81:

      Sie werden doch noch genau nach dieser Praxis ernannt, nur wird das jetzt im GG festgeschrieben, sodass man eine Zweidrittelmehrheit benötigt um die Arbeitsweise des Gerichts anzugreifen.

  • Wenn man mit den Änderungen in Zukunft politische Einflußnahme verhindern will, ist das dann ein Eingeständnis, daß diese Einflußnahme bisher vorkam ?



    Die intransparente Besetzungspraxis des Gerichts, die Deals auf Gegenseitigkeit bei der Besetzung, das vorhandene Personal mit ehemaligen Politikern sowie die regelmäßigen Treffen der Richter mit der Regierung sprechen dafür.



    Aber, Überraschung, daran wird sich auch nach der Änderung, nichts ändern.



    Die Parteien, die bisher 100 Prozent der Richterstellen unter sich verteilen wie Pfründe, werden das auch in Zukunft tun.

  • Kein Ersatz für gute Politik!



    Mit Gerechtigkeit gegen Rechtspopulismus!



    Abkehr von neoliberaler Sparpolitik!



    Das kann ich nur voll und ganz unterschreiben!!!



    Vielen Dank!

  • Ja richtig. Der Schutz der Verfassung wäre, nach den Ursachen für die rechte Gesinnung zu suchen und sie zu beseitigen. Soziologen und Politologen haben längst Analysen dazu. Aber PolitikerInnen, die bei einem Attentat erstmal nach schärferen Gesetzen und mehr Geld für die Polizei schreien statt auf die Ursachen zu schauen, haben halt keine Handlungsalternativen. Es reicht halt nicht im Kopf.

    Und daher muss man es wohl als Glück ansehen, dass führende PolitikerInnen die entsprechende Folge der Anstalt gesehen haben, in der genau diese Problem analsiert wurde. Denn erst danach kam die Initiative auf.

    Und wirklich etwas gegen die Ursachen des Rechtsextremismus in Deutschland zu machen, traut sich niemand. Denn die Ursachen berühren das System Detuschland im Innersten.

  • Ich wundere mich immer wieder, dass es Menschen gibt, die glauben, dass Extremisten und Autokraten sich mit Gesetzen einhegen lassen.

    Sollte Deutschland eine autokratische Regierung bekommen, dann wird das Verfassungsgericht ganz einfach abgeschafft. So wie viele andere demokratische Institutionen. Und alle nicht konformen Menschen in Deutschland werden dann verfolgt und im schlimmsten Fall ermordet.

    Die Vorstellung, man könne Autokraten und ihr Wirken durch Gesetze verhindern ist etwas blauäugig.

    Das lässt sich sehr schön an vielen Beispielen autokratischer Herrscher belegen.