piwik no script img

Schriftstellerin in IndienArundhati Roy droht Haft

Arundhati Roy zählt zu den bekanntesten Au­to­r:in­nen Indiens. Nun soll sie wegen Äußerungen zu Kaschmir vor Gericht gestellt werden.

Wegen Äußerungen bei einer Konferenz 2010: Autorin Arundhati Roy gerät in Indien in Bedrängnis Foto: Roger Tiresson//DN/TT/imago

LONDON taz | Gegen soziale Ungerechtigkeiten anzuschreiben, das liegt der Inderin Arundhati Roy im Blut. Übergriffe rechtsnationalistischer Hindus auf Muslime, Kasten- und Geschlechterdiskriminierung oder der Konflikt um die umstrittene Region Kaschmir sind Themen, mit denen sie sich auseinandersetzt.

Letzteres könnte der 62-Jährigen, die international mit Büchern wie „Der Gott der kleinen Dinge“ (1997) oder „Das Ministerium des äußersten Glücks“ (2015) bekannt wurde, nun zum Verhängnis werden. Im vergangenen Jahr wurde ein alter Fall wieder aufgerollt: Roy soll wegen Äußerungen zu Kaschmir vor 14 Jahren nach dem Antiterrorgesetz UPAP vor Gericht gestellt werden. Damals hatte der indisch-kaschmirische Hindu-Aktivist Sushil Pandit Anzeige erstattet.

Roy und der kaschmirisch-muslimische Professor Sheikh Showkat Hussain hätten auf einer Menschenrechtskonferenz in Delhi 2010 provokative Reden gehalten. Die Veranstaltung habe die „Abspaltung Kaschmirs von Indien“ propagiert, so der Vorwurf. „Kaschmir war nie ein fester Bestandteil Indiens“, lautet ein Satz über die umstrittene Himalaja-Region, der der indischen Schriftstellerin Probleme bereitet.

Indiens „Gewissen“

Schon damals sorgte die Aussage für Aufsehen. Ihr Haus wurde belagert, als damals Teile der Redebeiträge der Podiumsdiskussion veröffentlicht wurden. Mitglieder der Frauenorganisation der BJP forderten, dass sie ihr Aussage zurückziehe oder das Land verlassen solle. Seit der Unabhängigkeit Indiens ist das ehemalige Fürstentum ein sensibles Thema und Zankapfel zwischen Indien, Pakistan und China, die alle Ansprüche auf das Gebiet erheben.

Im Gegensatz zum Kaschmir-Konflikt geriet die damalige Konferenz in Vergessenheit. Viele Jahre sollten vergehen, bis am Freitag Vinai Kumar Saxena, der Gouverneur von ­Delhi, der der hindunationalistische Volkspartei BJP von Premierminister Modi angehört, die Strafverfolgung gegen die Autorin nach dem strengen Antiterrorgesetz genehmigte. Gegen Roy wird nun wegen Förderung der Feindschaft zwischen verschiedenen ethnischen oder religiösen Gruppen, Behauptungen, die der nationalen Integration schaden und Äußerungen, die zu öffentlichem Unfrieden führen, ermittelt. Auch Hussain wurde wegen Terrorverdachts angeklagt. Beiden drohen längere Haftstrafen.

Die Strafverfolgung wurde international, etwa von dem Ex-Politiker Yanis Varoufakis, mit Sorge verfolgt, aber auch von verschiedenen Seiten in Indien angeprangert, so von der Kommunistischen Partei (Marxist). Mit der „Verfolgung von Arundhati Roy“ unter dem Antiterrorgesetz UPAP wolle die BJP Stärke demonstrieren, äußerte Mahua Moitra, Abgeordnete des ebenfalls oppositionellen Trinamool Congress. Das werde aber nicht gelingen, so die 49-Jährige, die wie Roy als Kritikerin der Regierung gilt. Das Antiterrorgesetz UPAP wurde in jüngster Vergangenheit unter anderem gegen Jour­na­lis­t:in­nen eingesetzt.

Roy hat sich über die Jahre den Beinamen als „Gewissen“ Indiens erschrieben. Ihre Stimme erhob sie für die indigene Bevölkerung Indiens, und auch gegen die soziale Realität des hierarchischen Kastenwesens. Zuletzt war es um die Booker-Preis-Gewinnerin hingegen still geworden. Früher war sie auf Demonstrationen für inhaftierte Ak­ti­vis­t:in­nen oder Treffen, die die Pressefreiheit im Land einfordern, zu sehen. Durch ihre unter anderem kapitalismuskritischen Ansichten sah Roy sich in der Vergangenheit immer wieder der Kritik ausgesetzt, sie sei fortschrittsfeindlich oder unpatriotisch. Doch so ernst wie jetzt wurde es bisher nie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen