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Scholz und Laschet zum Kohle-ExitGefährliche Unehrlichkeit

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Armin Laschet und Olaf Scholz wollen am Kohlausstieg 2038 festhalten und gleichzeitig die Klimaziele erreichen. Das ist komplett unrealistisch.

Früher Aufhören scheint in weiter Ferne: Kohlebagger in Sachsen Foto: Hendrik Schmidt/dpa

E s ist eine paradoxe Situation: Sowohl CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet als auch sein SPD-Konkurrent Olaf Scholz haben erklärt, am Kohleausstiegsdatum 2038 festhalten zu wollen. Zugleich bekennen sich aber beide zu den deutschen Klimazielen, die Klimaneutralität bis 2045 und eine Emissionsreduktion um 65 Prozent gegenüber 1990 bis 2030 vorsehen.

Das passt schlicht nicht zusammen. Praktisch alle Ex­per­t*in­nen sind sich einig, dass die Kohleverstromung bis 2030 weitestgehend beendet sein muss, wenn Deutschland seine Klimaziele einhalten will. Auch der zuständige Mi­nis­te­r Peter Altmaier (CDU) und Ministerin Svenja Schulze (SPD) gehen davon aus, dass der Kohleausstieg deutlich vor 2038 vollzogen wird. Wenn die Kanzlerkandidaten der Parteien nun das Gegenteil behaupten, dann sind sie entweder schlecht informiert – oder sie verschweigen die Wahrheit, um im Wahlkampf keine neue Empörung in den Kohlerevieren zu produzieren.

Für das Klima sind ihre Aussagen nicht unbedingt ein Problem, denn das Klimaziel für 2030 ist von der EU vorgegeben und kann nicht aufgeweicht werden, egal wer in Deutschland Kanz­le­r*in wird. Doch die Glaubwürdigkeit der Politik nimmt großen Schaden, wenn die Kandidaten von Union und SPD trotzdem den Eindruck erwecken, dass bis 2038 in Deutschland Braunkohle verstromt werden kann. Die Menschen in den Revieren verdienen Ehrlichkeit schon vor der Wahl.

Denn tatsächlich wissen wohl auch Scholz und Laschet, dass der Ausstieg früher kommt. Was sie ausschließen, ist nur ein Vorziehen des gesetzlichen Enddatums. Und das ist auch vernünftig, weil sonst neue Entschädigungen für die Betreiber drohen. Erreicht werden wird der frühere Ausstieg stattdessen über einen höheren CO2-Preis im EU-Emissionshandel, der die Kohle aus dem Markt drängen wird, sofern es bis dahin genug Alternativen gibt.

Doch statt das jetzt klar zu sagen, damit sich alle darauf einstellen können, wollen Laschet und Scholz offenbar erst einmal abwarten – und die Verantwortung später auf die EU abschieben. Das ist gefährlich und feige.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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14 Kommentare

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  • Es gibt eine Reihe Genossenschaftsbanken, deren Mitglieder demokratisch Investitionen in fossile Energien verbieten. Leider sind noch zu viele Bürger bei Privatbanken und finanzieren so die Umweltzerstörung unwissentlich mit.

  • "Doch die Glaubwürdigkeit der Politik nimmt großen Schaden, wenn die Kandidaten von Union und SPD trotzdem den Eindruck erwecken, dass bis 2038 in Deutschland Braunkohle verstromt werden kann."

    Die Glaubwürdigkeit krankt auch, wenn behauptet wird, dass bis 2038 zu den 100% von heute alle Kraftwerke weiter laufen, statt wie geplant kontinuierlich Kraftwerke abgeschaltet werden.

  • Das entscheidende was passieren muss ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, daran hängt ein Ausstieg jedweden Datums. Und daran hängt auch, wie oft und viel Kraftwerke bis 2030 laufen. Kapazität und Vollaststunden sind ja auch was unterschiedliches.

    Beim erneuerbare Ausbau bremst die Union und selbst eine progressive Regierung wird Mühe haben, da Tempo rein zu bekommen. Besser man verwendet politische Kraft darauf, statt sich in das Abenteuer zu stürzen, den rechtlichen Ausstieg auf 2030 vorzuziehen.

  • Beide Kandidaten wären eine völlige Katastrophe als Kanzler, va. aber fürs Klima. Unwählbar.

  • Euch ist allen soweit klar, dass ohne Kohlekraftwerke auch diese Webseite nicht erreichbar wäre?

    • @anorak2:

      *gähn* Ist ja nicht so als ob das nicht stimmt, und man nicht genug Alternativen hätte. Aber klar "traditionelle" mögen halt keine Veränderungen...

    • @anorak2:

      Diese Aussage erinnert in fataler Weise an Aussagen des Kernphysikers Erich Bagge aus Kiel, der Ende der 70er Jahre öffentliche Mahnungen an die Anti-AKW-Bewegung im Norden aussprach, dass bei uns die Lichter ausgehen würden, wenn das AKW Brokdorf auch nur ein weiteres Jahr verhindert bzw. verzögert würde. Vielleicht passiert das dann ja Silvester 2021, wenn Brokdorf vom Netz geht...

  • Ahja und woher nehmen wir die 110 Terrawatt die aktuell mit Kohle abgedeckt werden? Saugen wir uns die aus den Fingern oder wird es einfach weiterhin von aussen importiert? Darüber hinaus kommen immer mehr Elektro Autos dazu und belasten das Stromnetz weiter. Und eine Frage die ich bisher nie richtig beantwortet bekommen habe - wie werden Schwankungen im Netz ausgeglichen - gerade früh und abends - wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht geht? Aber jeder schreit nur - raus aus der Atomkraft , raus aus der Kohle ... Bis wir im dunklen sitzen oder gigantische Preissteigerungen haben, weil wir alles importieren müssen... Das ist übrigens meistens Atomkraft ^^

    • @Codeman:

      Informieren ist keine Bringschuld!

    • @Codeman:

      Wenn der dicke Altmeier nicht auf der Bremse stünde wären wir schon viel weiter. Augen auf bei der Bundestagswahl!!

    • @Codeman:

      Gute Fragen - hier die Antwort: Speicher, Speicher, Speicher! Das will aber niemand so richtig wahrhaben. Aber ohne geht es nicht! Vorher bitte noch klären, dass die Speicher dezentral überall in Deutschland stehen, damit eine sinnvolle Abwärmenutzung mitgemacht werden kann. Dann sind Speicher nämlich viel effizienter, als wenn die Abwärme ungenutzt in die Luft gepustet wird.

  • Natürlich ist es unehrlich. Unehrlich sind alle Versprechungen, die über eine Wahlperiode hinausgehen.

  • Die ganze Art des Kohleausstiegs ist total Banane, die blanke Geldverbrennung. Wenn der CO2-Preis so weitersteigt will sowieso niemand mehr Braunkohle verstromen.