Berliner Schnellverfahren gegen Letzte Generation: Populistisch gegen den Rechtsstaat

Der Versuch, Klimaaktivisten im beschleunigten Verfahren zu verurteilen, geht nach hinten los. Die CDU kennt in ihrer Bestrafungswut keine Grenzen.

Ein Polizist führt einen Aktivisten der Letzten Generation von der Straße, an dessen Hand noch Asphalt hängt.

Harter Griff der Justiz Foto: dpa

In einer optimalen CDU-Welt werden Klimaaktivist:in­nen der Letzten Generation quasi rechtlos im Schnellverfahren abgeurteilt, ihre Strukturen mit dem Vorwurf der „kriminellen Vereinigung“ zerschlagen, und ihre Angreifer, die sie in LKW über den Haufen fahren wollen, als Opfer verklärt. Es ist eine Welt, in der bereitwillig der Rechtsstaat dem eigenen Populismus geopfert wird. Die Ak­ti­vis­t:in­nen – als Bedrohung für den deutschen Autofahrer – werden zum Feind stilisiert, gegen den alle Maßnahmen legitim sind.

Es ist eine gute Nachricht, dass zumindest der erste konservative Wunsch diese Woche eine empfindliche Niederlage erlitten hat. Schon der erste Versuch, einen Aktivisten für eine Straßenblockade im „beschleunigten Verfahren“ zu verurteilen, musste am Dienstag vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zurückgewiesen werden. Objektiv lagen die Bedingungen für ein solches Verfahren, das die Rechte des Beschuldigten massiv einschränkt, nicht vor. Und man muss davon ausgehen: Sie liegen nie vor.

Nachdem der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Mai beschleunigte Verfahren für die „Klimakleber“ gefordert hatte – und man davon ausgehen muss, dass er dabei ganz auf einer Wellenlänge mit seiner Justizministerin Felor Badenberg lag – reagierte im Juni die Justiz. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, Anträge auf „Schnellverfahren“ – eigentlich nur üblich bei einfachen Delikten wie Schwarzfahren und Diebstählen – zu stellen, das Amtsgericht schuf extra Abteilungen, die diese bearbeiten sollten.

Dumm für die CDU und jene Teile der Justiz, die bereitwillig den konservativen Vorstellungen folgen wollten, dass im selben Zeitraum zwei höhere Gerichte der Stadt sehr differenzierte Urteile fällten: Es gibt keinen Grund, zwangsläufig vom Tatbestand der Nötigung auszugehen, nur weil ein Autofahrer aufgehalten wird. Und wenn doch, braucht es eine detaillierte Beweisaufnahme über die Länge und Dauer des durch die Blockade ausgelösten Rückstaus, mögliche Umleitungen oder die Dauer des Polizeieinsatzes.

Jetzt dauert's länger

Schon vor dem Prozess schienen die Bedingungen also nicht dafür gegeben, dass die Richterin dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf ein beschleunigtes Verfahren zustimmte. Drei Stunden und eine Zeugenbefragung ließ sie sich Zeit, um zu diesem Urteil zu kommen. Womöglich ist es dem Druck auf sie als extra für solche Verfahren eingesetzte Richterin geschuldet, dass sie das Verfahren nicht sofort abräumte. Nun muss der Fall in einem normalen Hauptverfahren mit umfassender Beweisaufnahme verhandelt werden.

Statt zu einer Beschleunigung führte der populistische Wunsch nach Schnell-Verurteilung also zu einer Doppel-Belastung der Justiz. Wenn sich das, wie abzusehen, wiederholt, droht tatsächlich die Überlastung der Gerichte. Schuld ist daran dann nicht die Letzte Generation, sondern der Populismus der CDU.

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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