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Scheuer vor dem UntersuchungsausschussSchöner Kollateralnutzen

Am Donnerstag beginnt der U-Ausschuss zum Maut-Desaster. Verkehrsminister Scheuer steht unter Druck. Für Bahn- und Radverkehr ist das gut.

Hamburg, Regen: Der Helm sitzt. Andi Scheuer allzeit bereit Foto: dpa

Ex-Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) hat als erster Politiker im RTL-Dschungel-Camp Pionierarbeit geleistet, auch wenn er schon nach einem Tag das Lager verließ.

Die Assoziation zum derzeitigen Amtsinhaber liegt nahe. „Will sein Preisgeld dem deutschen Steuerzahler spenden, um die Mautschulden zu begleichen: Dschungelcamper Andreas Scheuer“, spottet die konservative Tageszeitung Welt in einer Satire.

Der neunte Verkehrsminister nach Günther Krause, der gebürtige Passauer Andreas Scheuer (CSU), befindet sich in schwerem Fahrwasser. An diesem Donnerstag wird der Untersuchungsausschuss zum Schei­tern der Pkw-Maut mit der Anhörung von Sachverständigen beginnen, nachdem er sich im Dezember konstituiert hat.

Scheuer wird nicht anwesend sein. Und doch ist er die Person, um die sich alles dreht. Schließlich war es seine vorzeitige Vertragsunterzeichnung, die dem Bund eine Schadenersatzforderung vonseiten der Mautbetreiber von gewaltigen 560 Millionen Euro eingebracht hat.

CSU-Prestigeprojekt

Der Untersuchungsausschuss soll das gesamte Geschehen rund um das Projekt aufklären – die dubiosen Umstände, unter denen die für die Betreiber ausgesprochen günstigen Verträge zustande kamen, warum sie trotz eines anhängigen Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) unterschrieben und nach dem Urteil zum Maut-Stopp überstürzt gekündigt wurden.

Brenzlig wird es für Scheuer vor allem wegen der verheerenden Umfragewerte

Die Pkw-Straßenabgabe für Ausländer war ein Prestigeprojekt der CSU im Bundestagswahlkampf 2013, das die Große Koalition nur sehr widerwillig umgesetzt hat. „Außer der CSU wollte niemand die Maut“, betont der Linksfraktions-Abgeordnete Jörg Cezanne, der Mitglied des Ausschusses ist. Das ist nicht unerheblich. Denn Scheuer verteidigt sich unter anderem damit, dass er den erklärten Willen der Mehrheit im Bundestag umgesetzt hat.

Die österreichische Regierung hatte gegen die Maut geklagt. Sie sah es als diskriminierend an, dass ihre BürgerInnen in Deutschland eine Maut für die Autobahnbenutzung zahlen sollten, während hierzulande gemeldete AutohalterInnen über die Kfz-Steuer entlastet werden sollten.

Trotz des Verfahrens begann das Bundesverkehrsministerium, die Einführung der Maut vorzubereiten. Das war offenbar gar nicht so einfach, denn die dafür vorgesehenen Kosten hatte der Bundestag begrenzt. Es gibt Hinweise, dass den Betreibern die Unterzeichnung schmackhaft gemacht wurde, indem darüber hinausgehende Kosten auf die SteuerzahlerInnen verlagert wurden.

Tricksereien oder Pflichtverletzung

Die Betreiber sollen Medienberichten zufolge angeboten haben, mit der Vertragsunterzeichnung bis nach dem Urteil des EuGH zu warten – was Scheuer ebenso bestreitet wie Tricksereien bei der Vergabe oder die Angemessenheit der Schadenersatzforderung.

Kurz nach dem Urteil des EuGH im vergangenen Juni hatte Scheuer „maximal mögliche Transparenz“ angekündigt, um die Vorgänge aufzuklären. Medienwirksam hatte er dazu auf einem kleinen Wagen einen Berg von Akten aus seinem Ministerium in den Verkehrsausschuss rollen lassen. Doch dann hat er einen großen Teil davon in der Geheimhaltung hochgestuft.

Das hat Folgen für die Arbeit des Untersuchungsausschusses, der im Februar mit der Befragung von ZeugInnen beginnen will. „Ich fürchte, bei der Mehrzahl der relevanten Zeugen werden wir schnell die Öffentlichkeit ausschließen müssen“, sagt der Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn, der für die Grünen Mitglied des Untersuchungsausschusses ist.

Die Grünen wollen gegen die Geheimerklärung klagen. Für Scheuer wird das nicht gut ausgehen: Hat die Klage Erfolg, werden die ZeugInnen medienwirksam öffentlich angehört. „Wenn er die Akten aber zu Recht hochgestuft hat, hat er eine Pflichtverletzung begangen, als er sie in den Verkehrsausschuss gebracht hat“, erklärt Kühn.

Mit Radpolitik punkten

Für Scheuer geht es um viel. Andererseits: Es muss schon etwas von erheblicher Durchschlagskraft sein, was der Untersuchungsausschuss zutage fördert, damit es für den 45-Jährigen gefährlich wird. Denn seinen Rücktritt fordern Linkspartei, Grüne und FDP jetzt schon. Brenzliger wird es für ihn wegen der verheerenden Umfragewerte. Bei einer Umfrage für den Sender Sat.1 unterstützten zwei Drittel der Befragten die Forderung, auch 60 Prozent der befragten CSU-Anhänger.

Dass der Verkehrsminister unter enormem Druck steht, hat Folgen. Er muss sich auf anderen Gebieten ­profilieren, damit der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder weiter seinen Verbleib im Amt rechtfertigen kann.

Selbst politische GegnerInnen bescheinigen Scheuer einen großen Gestaltungswillen und erhebliche Sachkenntnis. Scheuer ist keineswegs so unbedarft, wie er aufgrund seiner Selbstinszenierung mit spektakulären Fotos und Videobotschaften via Twitter erscheint.

Von 2009 bis 2013 war der Bayer, der erst auf Lehramt und dann Politikwissenschaft studierte, bereits Parlamentarischer Staatssekretär unter dem damaligen Verkehrsminister Ramsauer (CSU). Er vertritt allerdings die Interessen der Autobranche mit Verve, sperrt sich etwa gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen.

Andi, Retter der Bahn

Aber er hat in anderen Bereichen sehr viel mehr in Bewegung gesetzt als seine Vorgänger. „Andreas Scheuer macht eine bessere Bahn- und eine besser Radpolitik als seine Vorgänger“, stellt Philipp Kosok fest, Bahnexperte des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD).

Der Grund: „Er setzt auf Gewinnerthemen.“ Die Menschen wollten mehr und besser Bahn und Rad fahren. 900 Mil­lio­nen Euro stellt der Bund in den kommenden Jahren für die Radinfrastruktur, vor allem für Radwege zur Verfügung, so viel wie noch nie.

Auch wenn OppositionspolitikerInnen es schon lange gefordert hatten, war es erst Scheuer, der die Mehrwertsteuer auf Fernverkehrtickets gesenkt hat. Nie zuvor hat ein Verkehrsminister so viel Geld für die Bahn lockergemacht. 86 Milliarden Euro kann die Bahn in den kommenden Jahren ausgeben.

Das bereitgestellte Geld reicht nach Kosoks Meinung jedoch nur, um den Verfall der Bahn aufzuhalten und nicht für den nötigen Ausbau des Schienennetzes.

Nicht da, wo es wehtut

Vor allem: Scheuer ist bereit, die Bahn-Struktur infrage zu stellen, die sein Vorgänger Krause bis zu seinem Rückzug 1993 mit der Bahnreform vorbereitet hat und mit der der Konzern zur AG mit Gewinnauftrag wurde. Scheuer hat die Opposition eingeladen, über eine große Bahn-Reform „ohne Denkverbote“ zu sprechen.

Die Gewinnerorientierung des Ministers hat allerdings auch ein Problem. „Der Minister setzt nicht da an, wo es wehtut“, sagt Kosok. Dazu müsste er im Flug- und Straßenverkehr für Kostenehrlichkeit sorgen, indem etwa die Klimaschäden eingepreist würden. „Das wäre eine echte Verkehrswende“, sagt er. „Aber das Wort ‚Verkehrswende‘ nimmt Andreas Scheuer nicht in den Mund.“

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