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Sanktionen gegen Irans RevolutionsgardenStreit um EU-Terrorliste

Die EU-Staaten streiten über weitere Iran-Sanktionen. Es soll die Revolutionsgarden treffen – für die iranische Wirtschaft wäre das ein harter Schlag.

„Die Revolutionsgarde als Terrororganisation zu listen ist politisch wichtig“, so Baerbock zum Iran Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin taz/dpa | Der Auswärtige Dienst der EU sieht rechtliche Hürden für die Einstufung der iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation allein auf Ebene der EU. Für die Aufnahme einer Organisation auf die EU-Terrorliste sei beispielsweise eine nationale Gerichtsentscheidung oder Verbotsverfügung notwendig, sagte eine Sprecherin am Donnerstagabend auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Das bedeutet, dass die EU-Ebene allein nicht ohne eine solche nationale Entscheidung handeln kann“, erklärte die Sprecherin.

Um die Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation wird seit Monaten verhandelt und gestritten. Am Mittwoch hatte das Europäische Parlament seine Haltung zu den Revolutionsgarden verdeutlicht: „Angesichts ihrer terroristischen Aktivitäten, der Unterdrückung von Demonstranten und der Lieferung von Drohnen an Russland“ solle die EU die iranischen Revolutionsgarden samt Hilfstruppen auf die EU-Terrorliste setzen, forderte eine Mehrheit der Europaabgeordneten.

Das iranische Außenministerium warnte die EU vor diesem Schritt. Dies hätte „negative Folgen“, die EU würde sich selbst schaden. Die Stellungnahme der EU-Parlamentarier sei „unangemessen“.

Die EU-Staaten wollen am Montag neue Sanktionen gegen den Iran beschließen. Es wäre das vierte Sanktionspaket der EU gegen den Iran nach Beginn des aktuellen Aufstands gegen das islamistische Regime im September. Einer Vorab-Einigung zufolge werden sie rund drei Dutzend Personen und Organisationen treffen, die an der brutalen Unterdrückung von landesweiten Protesten nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini beteiligt sind. Wer genau sanktioniert wird, ist noch geheim. Die Revolutionsgarden werden aber am Montag zunächst nicht auf die EU-Terrorliste gesetzt.

Linke kritisiert unklare Kommunikation

Die Linkspartei indes vermisst in Deutschland erneut eine eindeutige Haltung des Außenministeriums bezüglich der Terror-Einstufung der Revolutionsgarden. Auf eine Frage der Linken-Abgeordneten Martina Renner im Bundestag hatte Europa-Staatsministerin Anna Lührmann am Mittwoch in einer schriftlichen Antwort erklärt: Mit Blick auf den Rat für Auswärtige Angelegenheiten am kommenden Montag werde „bereits an weiteren Listungen gearbeitet, darunter auch Individuallistungen von iranischen Revolutionsgarden.“ Unerwähnt blieb allerdings das Vorhaben, die Garden auch als komplette Organisation auf die Terrorliste der EU aufzunehmen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte mehrfach bekräftigt, sich seit Monaten dafür einzusetzen. Erst vor zehn Tagen aber hatte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen den Willen des Außenministeriums diesbezüglich in Frage gestellt. Außenministerin Baerbock gab danach ein klares Statement ab: „Die Revolutionsgarde als Terrororganisation zu listen ist politisch wichtig und sinnvoll“, erklärte Baerbock auf Twitter. Vor einer Listung müssten aber rechtliche Hürden genommen werden.

Linken-Politikerin Renner kritisiert nun eine erneut indifferente Haltung und Kommunikation: „Dass die Außenministerin öffentlich von einer Gesamtlistung spricht, das Auswärtige Amt nun lediglich von Individuallistungen, zeigt, dass das weitere Vorgehen diesbezüglich offen gelassen wird“, sagte Renner der taz.

„Angesichts fünf durchgeführter Todesurteile drängt die Zeit, Maßnahmen gegenüber dem iranischen Regime auszuweiten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen“, sagte Renner weiter. In ihrer Frage im Bundestag hatte sie auch darauf hingewiesen, dass Deutschland für den Iran trotz Hinrichtungen und Menschenrechtsverletzungen nach wie vor der wichtigste Handelspartner in der EU ist. „Die Revolutionsgarden sind im Iran ein starker Wirtschaftsakteur. Die lange überfällige Listung als Terrororganisation, und damit mögliche Sanktionen und Vermögenseinziehungen, würden sie hart treffen.“ Zudem forderte Renner, Botschaftsangehörige auszuweisen, die offensichtlich für den iranischen Geheimdienst agierten.

Außenministerium beteuert klaren Kurs

Auf Nachfrage der taz verwies das Außenministerium auf das klare Statement von Außenministern Baerbock, die Revolutionsgarden als Terrororganisation auf EU-Ebene listen zu wollen. „Wir haben die EU gebeten, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu prüfen. Parallel dazu arbeitet die Bundesregierung weiterhin daran, die Verantwortlichen für die gewaltsame Niederschlagung der Proteste und die Repressionen in Iran zur Rechenschaft zu ziehen“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.

Bereits in den letzten Monaten seien Dutzende Anführer sowie regionale Verbände der Revolutionsgarden individuell nach dem Menschenrechts-Sanktionsregime gegen Iran gelistet. Zudem verwies der Sprecher auf die neuen Sanktionsvorhaben des EU-Außenrats am Montag. Staatsministerin Führmann hatte auch daran erinnert, dass die Bundesrepublik in November die Sondersitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen initiiert hatte, bei der eine Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen im Iran mandatiert wurde.

Dazu, warum die klare Haltung zur Terrorlistung sich nicht auch in der Antwort der Staatsministerin im Bundestag niederschlug, gab das Auswärtige Amt keine Erklärung ab.

Neben dem regelmäßigen Verweis auf rechtliche Hürden gibt es politische Vorbehalte einzelner EU-Staaten. So wird teilweise an die Fortführung des Atomabkommens geglaubt, eine Terror-Listung der Revolutionsgarden stünde dem im Weg. Ebenso scheint manchen die Wirtschaftsmacht der Revolutionsgarden zu groß, um Verbindungen komplett kappen zu wollen.

Aufnahme auf Terrorliste hätte weitreichende Folgen

Laut Experten hätte die Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation, über individuelle Sanktion hinaus, jedenfalls eine weitreichende Bedeutung. Julia Grauvogel, Expertin für Sanktionen und Forscherin am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg, erklärte der taz: „Die Revolutionsgarden sind an zahlreichen Unternehmen beteiligt. Diese Firmen wären dann von den entsprechenden Sanktionen für Terrororganisationen, also dem Einfrieren von Geldern und sonstigen Vermögenswerten, betroffen, sodass wirtschaftliche Beziehungen nicht mehr möglich wären.“

Für Grauvogel hätte die Einstufung insofern eine wichtige symbolische Bedeutung, aber auch wirtschaftlich massive Auswirkungen. „Das ist auch der Grund, warum das iranische Regime auf die Ankündigung so sensibel reagiert.“

Der Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad verweist diesbezüglich auf Schätzungen, wonach die Revolutionsgarden mit jedem zweiten Unternehmen im Iran verbunden seien. Wichtige Industriebereiche wie Bau, Verkehr, Telekommunikation und Energie würden von ihnen dominiert. Der Islamwissenschaftler Wilfried Buchta schätzte 2020, dass die Revolutionsgarden weit über 1.200 Firmen und Unternehmen in Iran und im Ausland besäßen und damit mindestens 40 Prozent der gesamten iranischen Wirtschaft kontrollierten.

Die Revolutionsgarden sind direkt dem Revolutionsführer Ali Chamenei unterstellt und wurden nach der islamistischen Revolution 1979 als Gegengewicht zur regulären Armee gegründet. Die EU und das deutsche Außenministerium werfen den Revolutionsgarden schwere Menschenrechtsverletzungen vor.

Die sogenannte EU-Terrorliste wurde als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 eingeführt und umfasst laut Europäischem Rat aktuell 21 Organisationen und 13 Einzelpersonen, die mit terroristischen Handlungen in Verbindung gebracht werden. Die Liste wird mindestens zweimal im Jahr überprüft, es ist möglich, dagegen zu klagen.

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11 Kommentare

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  • Für die Aufnahme einer Organisation auf die EU-Terrorliste sei beispielsweise eine nationale !!!!! Gerichtsentscheidung oder Verbotsverfügung notwendig, sagte eine Sprecherin am Donnerstagabend auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

    Wo liegt denn das Problem? Traut sich niemand ein Gerichtsurteil gegen Mörder zu fällen?

  • Eine merkwürdig verklausulierte Diskussion IMO. Ich bin kein Jurist, aber wenn ich die Rechtslage richtig verstehe, ist es doch so:

    inhaltlichen sind alle Kriterien für eine Einstufung der Revolutionsgarden zur Terrororganisation erfüllt. Das geht aber nicht, so lange sie von der dortigen Regierung gedeckt werden. Die Trennung von Organisationen und Staaten erscheint mir in Nicht-rechtsstaaten wie dem Iran widersinnig, gelebte Praxis ist sie jedenfalls nicht. Wenn Staat und Organisation nicht trennbar sind, sollte man also ehrlicherweise eigentlich fragen: "erklären wir den Iran zum Terrorstaat oder nicht?", denn darum geht es doch eigentlich.

  • Die Schutzstaffel des Ajahtollahregimes gehört selbstverständlich auf die Terrorliste der EU, so wie die Wagner Söldner des sog. Kremlkochs mit dem Hackenkreuztatoo am Hals.

  • Angesichts der Tatsache, dass Anton Hofreiter mit Hungerblockaden droht, wenn deutsche Konzerne nicht bekommen, was sie wünschen, ist bei diesem Thema höchste Wachsamkeit geboten. Es geht immerhin um Doppelstandards in der Außenpolitik. Hofreiter wörtlich: Wenn ein Land deutschen Konzernen künftig seltene Erden vorenthalte, werde man fragen: "Was wollt ihr eigentlich essen?". Sind nicht Hungerblockaden Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Ausserdem müsste einem "Grünen" Nahrung sowieso wichtiger sein, als seltene Erden. (Quellen: Berliner Zeitung vom 15.12, Wikipedia Artikel über Hofreiter)

  • Nun komme ich ja nicht aus dem Völkerrecht - aber auch als Nicht-Jurist kann man erkennen, wie gefährlich es ist, wenn man beginnt, Terror-Paragraphen gegen reguläre Streitkräfte zu benutzen (langfristig zu denken, scheint nicht mehr in Mode zu sein, aber ich erinnere doch daran, dass man damit einen gefährlichen Präzedenzfall mit einem enormen Eskalationspotential schafft); auf die Doppelmoral, die solche Forderungen angesichts der deutschen Komplizenschaft in die weltweite Ermordung von Menschen mit Drohnen und andere Verbrechen hat, muss man vermutlich nicht eigens hinweisen.

    • @O.F.:

      Der Meister des Relativierens und der Verharmlosung hat wieder zugeschlagen.

      Das sind doch nur reguläre Streitkräfte so wie das Schweizer Heer in etwa.

      Eine ganz normale Armee eines ganz normalen Staates.

      • @Jim Hawkins:

        Vielleicht haben Sie ja noch nichts davon gehört, die Bevölkerung des Iran versucht seit Monaten dieses Horror-Regime los zu werden.

        Der Preis dabei ist sehr hoch und jede Unterstützung bei diesem Kampf hilfreich.

        Die Revolutionsgarden sind das militärische und wirtschaftliche Zentrum dieses Regimes.

        Natürlich wäre es hilfreich dieses zu sanktionieren.

        Sind ihnen die Menschen im Iran und die Opfer die sie bringen wirklich egal?

        • @Jim Hawkins:

          Ups, war für O.F.

      • @Jim Hawkins:

        Sie wissen ganz genau, dass nicht die Schweizer gemeint waren, sondern die von US-Streitkräften verübten Drohnenmorde, die von deutschem Boden ausgehen und hunderte unschuldige Opfer als "Kollateralschäden" töten.

        Recht ist nur Recht, wenn es für alle gilt, sonst ist es Willkür.

        • @Jörg Schulz:

          Stimmt. Außerdem impliziert der Ausdruck "reguläre Streitkräfte" ja kein Werturteil, sondern bezieht sich auf den offiziellen, staatlichen Status eines bewaffneten Verbandes; aber ohne strategisches Mißverstehen geht es scheinbar nicht mehr...

        • @Jörg Schulz:

          Na dann, rauf mit der US-Army auf die Terrorliste.

          Wir vergleichen einfach so lange alles miteinander, bis alles dasselbe ist.