Pressefreiheit im Iran: Die Angst vor den Worten

Iran lässt einige politische Gefangene wieder frei. Doch das Regime verschärft seinen Kurs gegen kritische Journalistinnen.

Ein Mensch sitzt in einem Massenschlafraum mit Doppelstockbetten auf einem Stuhl und hat eine Zeitung vor sich aufgeschlagen

Ein Gefangener liest Zeitung im Evin-Gefängnis in Teheran Foto: West Asia News Agency via reuters

„Warum verhaftet ihr nicht gleich die ganze Familie?“, schrieb die Journalistin Nasila Marufian auf Instagram, als am 6. Februar die Festnahme der iranischen Journalistin Elnaz Mohammadi bekannt wurde. Ihre Zwillingsschwester steht schon seit Ende September unter Arrest, war mehrere Wochen in Einzelhaft. Das Vergehen von Elahe Mohammadi: Sie hatte über das Begräbnis von Mahsa Amini berichtet, jener jungen Frau, die in Gewahrsam der Sittenpolizei gestorben ist und deren Tod im Iran eine landesweite, anhaltende Protestbewegung ausgelöst hat.

Warum man nun auch Elnaz Mohammadi festnehmen ließ, ist unklar. Nach einem Bericht der iranischen Tageszeitung Shargh wurde Elnaz Mohammadi am 5. Februar zu einer Befragung vor einem Gericht des berüchtigten Evin-Gefängnisses für politische Gefangene vorgeladen, bevor sie dort verhaftet wurde. Am 12. Februar kam Mohammadi auf Kaution wieder frei. Was ihr vorgeworfen wird, ist noch nicht bekannt.

Mit dieser jüngsten Festnahme steigt laut Angaben des „Committee to Protect Journalists“ (CPJ) die Zahl der festgenommenen Journalisten seit Beginn der Proteste im Iran auf 95.

Manche werden zur Befragung vorgeladen und festgenommen, wie der Herausgeber Mohammad Zare-Foumani, bei anderen bricht man in ihre Wohnungen ein und verschleppt sie vor ihren Familien, wie den Journalisten Ehsan Pirbornash, in anderen Fällen wiederum werden sie mitten auf offener Straße verhaftet, wie die Fotografin Yalda Moayeri. Weil so viele Frauen darunter sind, ist Iran heute nach China das Land mit den meisten inhaftierten Journalistinnen weltweit.

Tägliche Gratwanderung

Sicher waren Journalisten im Iran noch nie. Laut der NGO „Reporter ohne Grenzen“ rangiert Iran unter den zehn Ländern mit der am meisten eingeschränkten Pressefreiheit weltweit. Wer dennoch kritisch berichten will, für den oder die ist der Beruf eine täglich neu zu beschreitende Gratwanderung. Zu den Tabu-Themen, die iranische Journalistinnen und Journalisten am besten gar nicht erst ansprichen, gehören etwa der Oberste Führer Ali Khamenei, die Revolutionsgarden und religiöse Fragen – was indirekt auch Frauenrechte beinhaltet.

Die Kunst bestand bisher darin, bis an die rote Linie zu gehen und nicht weiter. Eine Kunst deshalb, weil diese Linie ständig neu gezogen wurde. Die Mohammadi-Schwestern versuchten immer wieder, die Linie zu erkennen und sie als Grenze einzuhalten. Doch manchmal nahmen sie das Risiko in Kauf, zu weit zu gehen. Elahe schrieb Anfang 2020 über die grauenhaften Zustände im Frauengefängnis Qarchak während der Pandemie. Elnaz berichtete über Frauen der Bachtiari-Nomaden, denen die Regierung den Zugang zu Verhütungsmitteln versagte, um die Geburtenrate in die Höhe zu treiben.

Dabei verschoben sich die roten Linien ständig. Das Risiko, einmal zu weit zu gehen, war ein ständiger Begleiter. Für ihre Gefängnis-Reportage wurde Elahe Mohammadi ein Jahr lang mit einem Berufsverbot belegt und von Agenten dauerüberwacht. Die Schwester Elnaz kam wegen ihres Berichts zur Geburtenpolitik mit einer „Verwarnung“ davon.

Zwei junge Frauen mit Kopftuch schauen in die Kamera

Niloufar Hamedi (r.) und Elahe Mohammadi berichteten über den Tod von Jina Mahsa Amini berichteten Foto: Sharg

Inzwischen sind die roten Linien im Iran aber noch einmal deutlich enger gezogen. Selbst jetzt, wo es auf den Straßen im Iran wieder weitgehend ruhig ist und zahlreiche politische Gefangene freigelassen wurden, halten die Verhaftungen von Journalisten an.

Geleakte Gespräche

„Das Regime versucht damit im Augenblick gezielt, Informationen über verletzte und festgenommene Demonstranten zu verhindern“, sagt Yeganeh Rezaian, Expertin von CPJ, gegenüber der taz. Geleakte Gespräche zwischen hochrangigen Revolutionsgardisten zeigten vor einigen Wochen die Sicht des Regimes: Bisher habe man den „medialen Krieg auf ganzer Linie verloren“. Mit den üblichen Mitteln der Unterdrückung versucht das Regime nun, die Kontrolle über das Narrativ noch irgendwie zurückzugewinnen.

Im Falle der Verhaftung von Elnaz Mohammadi vermutet Rezaian, dass sie direkt mit deren Schwester zusammenhängt. „Das Regime setzt Familienmitglieder, Verwandte und Freunde oft als Druckmittel gegen Journalisten und andere politische Gefangene ein“, sagt Rezaian. Auf diese Weise würden beispielsweise auch falsche Geständnisse erzwungen.

Schon im Oktober haben iranische Geheimdienste Elahe Mohammadi und ihrer Kollegin Nilufar Hamedi, die ein Foto von Mahsa Amini im Koma in einem Teheraner Krankenhaus veröffentlicht hatte, vorgeworfen, nicht als Journalistinnen, sondern als Agentinnen im Auftrag ausländischer Mächte gehandelt zu haben. Die Anklage soll die Journalistinnen diskreditieren und zugleich andere Kollegen abschrecken. „Ihr könntet den Journalismus genauso gut abschaffen“, reagierte der iranische Journalisten-Verband auf die absurden Anschuldigungen.

Während Mohammadi und Hamedi noch auf ihren Prozess warten, wurden andere Journalisten schon verurteilt, so der Fotoreporter Aria Jafari von der halbstaatlichen Nachrichtenagentur ISNA (Iranian Students’ News Agency), der zu 7 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt wurde, oder die Fotografin Yalda Moaiery, die 6 Jahre Gefängnis absitzen und zwei Monate gemeinnützige Arbeit als Straßenkehrerin leisten muss. In einem Video, in dem sie beim Straßenkehren zu sehen ist, sagt sie trotzig: „Ich habe nicht nur kein Problem damit, einer so ehrenwerten Tätigkeit nachzugehen, sondern ich werde sie auch, da ich ohnehin nicht mehr fotografieren darf, mit Leidenschaft ausführen.“

Bei aller Härte, die die Islamische Republik gegen Journalisten und Journalistinnen anwendet, die nichts anderes tun, als ihren Beruf auszuüben, ist es unwahrscheinlich, dass der „mediale Krieg“ noch gewonnen werden kann. Selbst wenn es dem Regime gelingen sollte, die eigenen Berichterstatter mundtot zu machen, informieren sich die meisten Iranerinnen und Iraner heute ohnehin lieber über soziale Medien und persischsprachige Auslandsmedien, wo rote Linien und Zensur gar nicht existieren. Daran werden auch die Warnungen des Regimes nichts ändern, dass diese Medien vom „Feind“ finanziert seien.

Im Grunde ist die Niederlage im Medienkrieg selbstverschuldet. Solange heimische Journalisten bedroht, verhaftet und gefoltert werden, werden sich die Iraner weiterhin auf Telegram, Iran International, Manoto oder BBC Persian verlassen, um kritisch und objektiv informiert zu werden.

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