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Salvini versus SeenotrettungDer Scharfmacher und sein Volk

Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini weiß sich in seiner harten Linie gegen Seenotretter wie Carola Rackete im Einklang mit der Mehrheit.

Matteo Salvini versus Carola Rackete: Bei der Mehrheit der Italienerinnen gewinnt Salvini Foto: dpa

Rom taz | „Salvinis Politik rettet Menschenleben.“ Klar liegen die Dinge für Umberto, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. Trotz seines kahlrasierten Schädels wirkt der hochgewachsene, schlanke Mittvierziger kein bisschen wie ein Skinhead. Mit freundlichem Blick und ruhiger Stimme legt er dar, was ihm am italienischen Innenminister so gefällt. Seit Matteo Salvini die italienischen Häfen zugemacht habe, sei die Zahl der von Libyen kommenden Flüchtlingsboote drastisch gesunken, ergo seien auch viel weniger Menschen im Mittelmeer ertrunken, erklärt der Fernbusfahrer, während sich eine Zigarette anzündet.

Dann geht der Griff zum Smartphone, sofort ist Umberto auf Salvinis Facebookseite, geht auf einen Videopost, auf dem der Minister gegen Carola Rackete, die „deutsche Kriminelle“, wettert und gegen die Migranten, die in Italien nichts verloren haben.

Wochenlang beschäftigte das Kräftemessen zwischen der deutschen NGO SeaWatch und Salvini Italien. Erst bekamen die Retter vom Innenminister ihr Fett weg, dann, nach der Aufhebung des Haftbefehls gegen die Kapitänin, auch die Justiz. Die müsse dringend „reformiert“ werden, damit solche „Schandurteile“ nicht fallen, und die zuständige Richterin solle doch gefälligst aus dem Justizdienst ausscheiden und „für die Linke kandidieren“, zürnt der Lega-Chef.

Und schon kündigt sich die nächste Runde in seiner Auseinandersetzung mit den Rettern an. Am Donnerstag nahm das Segelschiff Alex der italienischen NGO Mediterranea 54 Menschen an Bord, steuerte dann Richtung Lampedusa.

Diesmal kann Salvini nicht wie im Fall der unter niederländischen Flagge fahrenden und von einer deutschen Organisation betriebenen SeaWatch verlangen, die Flüchtlinge sollten doch in die Niederlande oder nach Hamburg geschafft werden. Doch auch jetzt kennt er ein alternatives Reiseziel, Italiens Grenzen seien „heilig“, Lampedusa stehe „nicht zur Verfügung“, die Alex könne doch Kurs auf Tunesien nehmen.

„Wo sollen die je Arbeit finden?“

Stattdessen ist „Alex“ inzwischen Richtung Malta unterwegs. Das Segelschiff sei jedoch nicht in der Lage, die Geretteten an Land zu bringen, erklärt die Hilfsorganisation und bittet daher darum, diese mit Motorbooten der italienischen oder maltesischen Küstenwache nach Malta fahren zu können.

Unter den Flüchtlingen sind den Angaben zufolge 22 Frauen, darunter zwei Schwangere. Die meisten stammen demnach aus der Elfenbeinküste, aus Guinea und Kamerun.

Nachdem die Hilfsorganisation dazu aufgefordert hatte, die Geretteten mit Motorbooten der Küstenwache nach Malta zu bringen, erklärte Salvini im italienischen Fernsehen, es handele sich offenbar um einen „Akt der Piraterie“. Die Seenotretter bezeichnete er als „Hausbesetzer“.

Völlig richtig, findet Sara, auch sie nennt ihren Nachnamen nicht. Die junge Frau verdient als Verkäuferin ihr Geld, und sie glaubt, schon jetzt seien zu viele Migranten im Land, „wo sollen die je Arbeit finden?“ Mittlerweile treffe man doch an jeder Straßenecke bettelnde Afrikaner, und früher oder später müssten die doch in die Kriminalität abrutschen.

Linke im Abseits, wenn sie offene Grenzen propagiert

Der ältere Mann neben ihr am Tresen der Espressobar nickt, „arme Schweine“ seien das, er selbst würde auch zu kriminellen Methoden greifen, wenn er in ihrer Haut stecken würde – also gebe es keine andere Lösung, als sie draußen zu halten.

Kapitänin Rackete will Salvini verklagen

Die Kapitänin der deutschen Hilfsorganisation „Sea-Watch“ will den italienischen Innenminister Matteo Salvini wegen Verleumdung verklagen. „Wir haben bereits eine Klage (gegen Minister Salvini) vorbereitet“, sagte Racketes Anwalt Alessandro Gamberini dem Radio Cusano Campus am Freitag. Es sei nicht einfach, alle Beleidigungen, die Salvini in diesen Wochen gemacht habe, zu sammeln. Salvini habe nicht nur Beleidigungen ausgesprochen, sondern auch zu strafbaren Handlungen angestiftet. Das sei noch schwerwiegender, wenn es ein Innenminister tue, sagte Gamberini.

„Er ist es, der die Wellen des Hasses bewegt“, sagte Gamberini mit Blick auf Salvini. Es sei zwar schwer, mit einer Verleumdungsklage diesem Hass entgegenzutreten. Es gehe aber darum, ein Zeichen zu setzen. Erst am Freitag bezeichnete Salvini die 31-Jährige auf Facebook als „reiche und verwöhnte deutsche Kommunistin“.

Nur wenige Stimmen erheben sich gegen diesen Chor. Am Freitag veröffentlichte die Tageszeitung La Repubblica einen Artikel Matteo Renzis, bis Ende 2016 Ministerpräsident, bis März 2018 Vorsitzender der gemäßigt linken Partito Democratico.

Rom selbst, so Renzi, sei doch dem Mythos nach von einem Migranten – von Romulus – gegründet worden, und während Salvini es „ekelhaft“ findet, dass Carola Rackete auf freien Fuß gesetzt wurde, greift Renzi mit ganz anderer Stoßrichtung zum selben Adjektiv: „Aus Wahlkalkülen Menschen im Meer zu lassen, ist ekelhaft“, befindet er.

Daniela verzieht die Mundwinkel, als sie den Namen Salvini hört. Nie würde sie den wählen, doch auch sie – Römerin jenseits der 60 – hat ihre Zweifel, glaubt, dass die Linke definitiv im Abseits landet, wenn sie „offene Grenzen“ propagiert. Italien allein sei überfordert, meint sie, das Problem bedürfe einer europäischen Lösung, und Salvini wirft sie vor allem vor, dass er seit seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr sich nur ein einziges Mal bei einem der Gipfel der EU-Innenminister habe blicken lassen.

Doch Salvini muss sich über solche Einwürfe keine Sorgen machen. 60 Prozent der Italiener gaben ihm in einer vor wenigen Tagen durchgeführten Meinungsumfrage in der Auseinandersetzung mit SeaWatch recht, nur 29 Prozent meinen, die deutsche NGO habe richtig gehandelt.

Und die Lega ist so populär wie nie: Während sie bei den Europawahlen am 26. Mai 34 Prozent holte, liegt sie jetzt bei 38 Prozent, und die noch rabiatere Rechtspartei Fratelli d’Italia („NGO-Schiffe versenken!“) kommt auf 6,4 Prozent.

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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Der Scharfmacher und sein Volk"

    Könnte fast eine Schlagzeile irgendwo aus den 30ern sein...

  • Und wieder ein Artikel, der eine "europäische Lösung" fordert. Aber wie soll die aussehen, wenn immer weniger Länder bereit sind, Flüchtlinge in größerer Anzahl aufzunehmen? Zumal die Stimmung in den wenigen liberalen Ländern auch noch kippen wird, wenn infolge offener Grenzen oder zumindest Fluchtkorridore deutlich mehr Menschen als zuletzt ankommen. Außerdem wollen die Flüchtlinge mehrheitlich ins wirtschaftlich starke Deutschland und nicht irgendwo nach Osteuropa - eine faire Verteilung wird auch aus diesem Grund kaum umsetzbar sein.

    Ich bin pessimistisch, was die Zukunft Europas angeht.

  • 0G
    05653 (Profil gelöscht)

    Eine Festung hatte meistens vier Mauern. Über eine davon wurden Fäkalien entsorgt. Die Festung Europa macht keine Ausnahme. Nur einigt das Beschwören der nationalen Parole die Europäer nicht wie erwartet, denn sie ist weder kontrollierbar noch wird sie jemand in ihren besessen perversen Auswüchsen aufhalten können.

  • "Seit Matteo Salvini die italienischen Häfen zugemacht habe, sei die Zahl der von Libyen kommenden Flüchtlingsboote drastisch gesunken, ergo seien auch viel weniger Menschen im Mittelmeer ertrunken"

    Nach dem weitgehenden Rückzug der eigentlich völkerrrechtlich vorgeschriebenen Überwachung des Schiffsverkehrs durch die Anrainerstaaten treibt mich vermehrt die Frage um, wer zählt wie und wann die Glücklosen, die es nicht irgendwie an Land schaffen.



    Vielleicht wird einfach nicht mehr so genau hingeschaut ?



    Und das sehen nicht nur als übermoralisch verdächtigte Deutsche so:



    Mediterranea, das Segelboot italienischer Aktivisten, rettet 54 Migranten auf See (Corriere della sera von heute).



    Auch hier scheint sich ein Drama anzubahnen, verursacht durch den Polit-Proll Salvini.



    Die LN wurde mit 17,34% gewählt - bei einer (1) aktuellen Umfrage mit 1500 Teilnehmern erreichte sie max 38%, alle anderen Umfragen liegen darunter.



    In den ersten 6 Monaten sind rund 2000 sog Phantomlandungen (keine größeren Häfen) in Italien erfolgt, im Juni allein 600 davon.



    Das zeigt, dass es Salvini nur um Krawall geht.



    Italien hat überdies nach unverdächtigen Quellen (Die Welt) ab 2017 rund 882 Mio Eur von der EU für die Flüchtlingsprobleme erhalten

    • @horsefeathers:

      Ich sehe das genau umgekehrt, das zeigt das die NGOs mit ihrem provokativem Verhalten einfach nur die italienische Regierung anprangern wollen, die Flüchtlinge sind da nur Mittel zum Zweck.



      Warum genau blieb denn die Sea Watch 3 wochenlang vor Lampedusa liegen anstatt beispielsweise nach Portugal zu fahren? und warum liegt jetzt die Alan Kurdi ebenfalls vor Lampedusa obwohl Tunesien die Aufnahme der Flüchtlinge zugesagt hat?

  • Schon toll, wie sich Menschen die widerlichste und hartleibigste Haltung zusammenrationalisieren können. Salvinis Politik rettet leben, also.

    Und bevor (wie bereits in anderen Kommentarspalten) das ganze zu einem "Deutschland-gegen-Italien"-Spiel ausartet: wir sind nicht beim Fussball. Auch in Italien ist eine halbe Million Spenden für SeaWatch gesammelt worden.

    Ich bin eher bei denen, und mir ist Salvini nicht mehr oder weniger zuwider als Höcke, von Storch oder Seehofer.

  • Haben diese 60 Prozent denn nun wirklich rein gar nichts aus ihrer jüngeren Geschichte gelernt? So nach dem Motto: "Wir sind das dumme, dumme Volk".