SPD beschließt Abkehr von Hartz IV: Programmatischer Neuanfang
Die SPD will wieder ein Herz für die Benachteiligten haben. In Berlin hat der Vorstand sein Sozialstaatskonzept präsentiert.
![Andrea Nahles steht neben Lars Klingbeil, dahinter steht "Zukunft in Arbeit" auf der Wand Andrea Nahles steht neben Lars Klingbeil, dahinter steht "Zukunft in Arbeit" auf der Wand](https://taz.de/picture/3236775/14/22399655.jpeg)
Die Sozialdemokraten lösen sich mit ihrem Konzept von weiten Teilen der Agenda-Politik. Ältere Arbeitslose ab 58 Jahren sollen das Arbeitslosengeld I künftig 33 Monate statt wie bisher nur bis zu 24 Monate erhalten können. Auch für Jüngere sollen sich die Bezugszeiten des ALG I verlängern. Zusätzlich will die SPD ein Recht auf Weiterbildung und auf Homeoffice verankern.
Zudem will sie eine Kindergrundsicherung „aus einer Hand“ einführen, die einfach und digital beantragt werden kann. Kinder – vor allem Kinder Alleinerziehender – sollen damit auch aus dem als stigmatisierend empfundenen Hartz-IV-System herausgeholt werden. Zudem plant die SPD einen Mindestlohn von 12 Euro. Auf die Frage, ob die SPD sich für Hartz IV entschuldigen müsse, sagte Nahles: „Wir überwinden, was wir erkannt haben, was nicht der richtige Weg war.“ Die Finanzierung sei kein Problem, parierte sie eine entsprechende Frage.
Für die SPD ist die Einigung auf ein gemeinsames Konzept ein programmatischer Neuanfang. Angesichts dramatischer Wahlverluste und sinkender Umfragewerte versucht die Partei, sich vor den diesjährigen Landtagswahlen vom Stigma der Hartz-IV-Partei zu befreien. Zudem will man programmatisch auf mögliche Neuwahlen vorbereitet sein.
Vereinbarte Bedingung
Juso-Chef Kevin Kühnert sagte der ARD: „Seit 15 Jahren haben in der SPD alle durcheinandergeredet, wenn es um das Thema Hartz IV ging.“ Jetzt habe man endlich mal das aufgeschrieben, wohinter sich die Partei gemeinsam versammeln könne. Der Koalitionspartner feuert aus allen Rohren. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die SPD noch vor der Vorstellung am Sonntag aufgefordert, sich an den Koalitionsvertrag zu halten und die Pläne zur Grundrente entsprechend zu ändern.
Der Minister pocht auf die dort vereinbarte Bedingung, dass nur Bedürftige Sonderleistung erhalten. Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier erklärte, die SPD „beerdige die soziale Marktwirtschaft“. Und Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) warnte vor einem „ideologischen Linksruck“.
Konkrete Folgen hat die Initiative der SPD erst einmal nicht. Der Koalitionsvertrag ist bindend – jedenfalls bis zum Ende dieser Koalition. Möglich ist aber, dass diese keine vier Jahre hält, schließlich haben die Sozialdemokraten eine Mitgliederbefragung zur Hälfte der Legislatur vereinbart. Gäbe es Neuwahlen, hätte sich die SPD dann sozialpolitisch bereits klar positioniert.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links