SPD-Pläne für Vermögensteuer: Nur das zweitbeste Instrument
Was Vermögen angeht, gleicht Deutschland mittlerweile einer Feudalgesellschaft. Der SPD-Vorschlag einer Vermögensteuer greift leider viel zu kurz.
D ie Ungleichheit bei Vermögen ist in Deutschland dramatisch – nicht wenn man sie mit egalitären Träumereien misst, sondern mit den Niederlanden, Frankreich, Spanien vergleicht. Das obere eine Prozent besitzt hierzulande, so das SPD-Papier zur Vermögensteuer, bis zu einem Drittel des Gesamtvermögens. Und die unteren 40 Prozent haben nichts. Die Zahlen sind eindeutig.
Reich wird man in Deutschland in zunehmendem Maße nicht durch Arbeit, Lohn oder Gehalt, sondern durch Mieten oder Aktiengewinne. Wer hat, wird allein dadurch reicher, dass er besitzt. Wer nichts hat, hat hingegen nur wenig Chancen, zu Wohlstand zu kommen. Dass die FDP, die doch Leistung großschreibt, diese Absage an das meritokratische Prinzip achselzuckend akzeptiert, zeigt, dass sie zur Partei reiner Besitzstandswahrung verkommen ist.
Die Deutschen klammern sich noch immer an den Kinderglauben, dass sie eigentlich eine gleiche Gesellschaft sind. Dabei erinnert das Land mittlerweile, was das Vermögen angeht, an eine Feudalgesellschaft. Es gibt oben eine kleine Gruppe, die ihren Besitz stetig mehrt, und unten eine sehr große Gruppe von Habenichtsen mit geringen Aufstiegsmöglichkeiten. Es ist ein Rätsel, dass unsere kritische, aufgeklärte Öffentlichkeit diese Entwicklung hinnimmt wie ein Naturgesetz. Denn zudem sind Steuern für Besitz in Deutschland extrem gering. In Großbritannien und Frankreich, auch keine egalitären Modellgesellschaften, sind sie mehr als viermal höher.
Das beste Mittel, um zu verhindern, dass wie von selbst immer weniger immer mehr besitzen, ist die Erbschaftsteuer. Doch die ist hierzulande so gut wie wirkungslos. In Deutschland werden pro Jahr 400 Milliarden Euro vererbt, mehr als 98 Prozent davon steuerfrei. Ob man erbt oder nicht, markiert die neue Klassenspaltung in Deutschland.
Die SPD möchte nun eine Vermögensteuer einführen. Das ist erfreulich, auch wenn es nur das zweitbeste Instrument zur Verringerung der Reich-Arm-Kluft ist. Immerhin hat die SPD nach langem Zögern den Ernst der Lage verstanden und scheut sich nicht, sogar das schlimme Wort Umverteilung in den Mund zu nehmen. Ganz Genaues lässt sich zu den SPD-Plänen noch nicht sagen. Denn es liegt bislang nur eine schmale Skizze vor, ohne konkrete Zahlen, die offenbar mit Blick auf die Wahlen in Sachsen und Brandenburg veröffentlicht wurde.
Klar ist schon jetzt: Der SPD-Vorschlag, der bis zu 10 Milliarden Euro im Jahr bringen soll, ist viel zu vorsichtig. Um die Jahr für Jahr wachsende Unwucht beim Vermögen abzubauen, reicht das nicht aus. Es wäre nur ein erster Schritt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter