SPD-Finanzexperte über den Tankrabatt: „Wir reden von Milliarden“

Der SPD-Finanzpolitiker Carlos Kasper wirbt für die Übergewinnsteuer und kritisiert Christian Lindner: Die FDP verbaue sich den Weg zu Kompromissen.

Ein Auto wird an einer Tankstelle betankt. Man sieht den Zapfhahn, wie er das rote Auto befüllt.

Wirtschafte die Konzerne den Tankrabatt in die eigene Tasche? Foto: Christophe Gateau/dpa

taz: Herr Kasper, funktioniert der Tankrabatt?

Carlos Kasper: Nein, der Benzinpreis ist hoch, obwohl der Rohölpreis derzeit im Vergleich zu den Vormonaten relativ niedrig ist. Das erweckt stark den Eindruck, dass die Konzerne den Tankrabatt in die eigene Tasche wirtschaften. Es gibt Vermutungen, dass mindestens die Hälfte nicht an die Konsumenten weiter gegeben wird.

Was tun?

Die SPD plädiert für eine Übergewinnsteuer. Denn das macht es für Unternehmen weniger reizvoll, Extraprofite oder, wie wir es jetzt bei den Mineralölkonzernen erleben, Steuersenkungen zu kassieren.

27, sitzt seit 2021 für die SPD im Bundestag und ist Mitglied im Finanzausschuss.

Wie viel würde die Übergewinnsteuer dem Staat bringen?

Schwer zu sagen. Zurzeit diskutieren wir erst einmal, ob wir die Übergewinnsteuer einführen. Danach können wir entscheiden, ob wir unverschämte Übergewinne bis zu 95 Prozent besteuern wollen.

Wäre die Steuer mehr als ein Symbol? Reden wir von Millionen oder Milliarden?

Eher von Milliarden. Fakt ist: Wir haben bei Lebensmitteln Preissteigerungen von über 11 Prozent. Das trifft vor allem kleine und mittlere Einkommen. Um die zu entlasten, muss sich der Staat neue Einnahmequellen erschließen. Das kann die Übergewinnsteuer sein. Damit kann man, je nachdem wie wir sie gestalten, einen Teil des nächsten Entlastungspakets finanzieren.

Das hört ihr Koalitionspartner Christian Lindner nicht gern. Die FDP ist massiv gegen diese neue Steuer.Die FDP hat sich derzeit mit ihren harten Ansagen den Weg zu Kompromissen leider verbaut. Aber die FDP wird sagen müssen, wie Entlastungen der BürgerInnen bezahlt werden sollen.

Soll die Übergewinnsteuer nur für Mineralölkonzerne gelten?

Nein, das wäre verfassungsrechtlich schwierig. Wir sehen allgemein in der Energiebranche extreme Preissteigerungen.

Skeptiker fürchten, dass es schwierig wird, kriegsbedingte Extraprofite trennscharf von Profiten, die andere Gründe haben, zu unterscheiden.

Das überzeugt mich nicht. Andere Länder haben bereits Übergewinnsteuern eingeführt. Das ist ein Hinweis, dass dieses Instrument funktioniert. Zudem reden wir von extremen Gewinnsteigerungen. Wenn neue Produkte dafür der Grund sind, kann man das berücksichtigen.

Kommt die Übergewinnsteuer?

Das ist offen.

Brennt die SPD für diese Steuer?Ich denke ja. Staatlich finanzierte Rabatte, die nicht bei den BürgerInnen ankommen, verletzten das Gerechtigkeitsempfinden, das in der SPD stark ausgeprägt ist.

Kanzler Scholz und die SPD-MinisterInnen halten sich in der Debatte bislang aber vornehm zurück.

Das kann noch kommen. Die Gesetze macht der Bundestag. Und die SPD-Fraktion ist geschlossen für diese Steuer. Ich bin allerdings von Robert Habeck enttäuscht. Er ist bei diesem Thema abgetaucht, gibt kaum Signale, obwohl das Wirtschaftsministerium für das Kartellamt verantwortlich ist. Da müsste er als Minister Druck machen.

Versagt das Kartellamt?

Versagen ist ein hartes Wort. Aber ich wünsche mir mehr Mut beim Kartellamt und mehr Rückendeckung von Habeck.

Muss man radikaler gegen die Marktmacht der fünf Mineralölkonzerne vorgehen?

Wir haben es mit Oligopolen zu tun. Interessanterweise kommt ja von Michael Theurer, dem FDP-Staatssekretär im Verkehrsministerium, das Signal, dass man die Konzerne auch zerschlagen könnte. Für solche Ideen sind wir offen.

Ist das nicht der durchsichtige Versuch der FDP, etwas in die Debatte zu werfen, was ohnehin nicht realistisch ist, um das Realistische – die Übergewinnsteuer – zu verdrängen?

Vielleicht. Wichtig ist, dass wir uns schnell einigen und schnell handeln. Die FDP wollte den Tankrabatt. Wir hätte die Milliarden lieber für anderes verwendet. Das Gesetz kommt aus Lindners Ministerium. Die Koalition hat sich darauf geeinigt, dass der Tankrabatt weitergegeben werden muss. Christian Lindner muss sich jetzt bewegen. Wenn die Spritpreise nicht sinken, muss man den Tankrabatt eben wieder zurücknehmen. Das kann der Bundestag vor der Sommerpause beschließen.

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