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SPD-Finanzexperte über den Tankrabatt„Wir reden von Milliarden“

Der SPD-Finanzpolitiker Carlos Kasper wirbt für die Übergewinnsteuer und kritisiert Christian Lindner: Die FDP verbaue sich den Weg zu Kompromissen.

Wirtschafte die Konzerne den Tankrabatt in die eigene Tasche? Foto: Christophe Gateau/dpa
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Kasper, funktioniert der Tankrabatt?

Carlos Kasper: Nein, der Benzinpreis ist hoch, obwohl der Rohölpreis derzeit im Vergleich zu den Vormonaten relativ niedrig ist. Das erweckt stark den Eindruck, dass die Konzerne den Tankrabatt in die eigene Tasche wirtschaften. Es gibt Vermutungen, dass mindestens die Hälfte nicht an die Konsumenten weiter gegeben wird.

Was tun?

Die SPD plädiert für eine Übergewinnsteuer. Denn das macht es für Unternehmen weniger reizvoll, Extraprofite oder, wie wir es jetzt bei den Mineralölkonzernen erleben, Steuersenkungen zu kassieren.

Bild: Photothek
Im Interview: Carlos Kasper

27, sitzt seit 2021 für die SPD im Bundestag und ist Mitglied im Finanzausschuss.

Wie viel würde die Übergewinnsteuer dem Staat bringen?

Schwer zu sagen. Zurzeit diskutieren wir erst einmal, ob wir die Übergewinnsteuer einführen. Danach können wir entscheiden, ob wir unverschämte Übergewinne bis zu 95 Prozent besteuern wollen.

Wäre die Steuer mehr als ein Symbol? Reden wir von Millionen oder Milliarden?

Eher von Milliarden. Fakt ist: Wir haben bei Lebensmitteln Preissteigerungen von über 11 Prozent. Das trifft vor allem kleine und mittlere Einkommen. Um die zu entlasten, muss sich der Staat neue Einnahmequellen erschließen. Das kann die Übergewinnsteuer sein. Damit kann man, je nachdem wie wir sie gestalten, einen Teil des nächsten Entlastungspakets finanzieren.

Das hört ihr Koalitionspartner Christian Lindner nicht gern. Die FDP ist massiv gegen diese neue Steuer.Die FDP hat sich derzeit mit ihren harten Ansagen den Weg zu Kompromissen leider verbaut. Aber die FDP wird sagen müssen, wie Entlastungen der BürgerInnen bezahlt werden sollen.

Soll die Übergewinnsteuer nur für Mineralölkonzerne gelten?

Nein, das wäre verfassungsrechtlich schwierig. Wir sehen allgemein in der Energiebranche extreme Preissteigerungen.

Skeptiker fürchten, dass es schwierig wird, kriegsbedingte Extraprofite trennscharf von Profiten, die andere Gründe haben, zu unterscheiden.

Das überzeugt mich nicht. Andere Länder haben bereits Übergewinnsteuern eingeführt. Das ist ein Hinweis, dass dieses Instrument funktioniert. Zudem reden wir von extremen Gewinnsteigerungen. Wenn neue Produkte dafür der Grund sind, kann man das berücksichtigen.

Kommt die Übergewinnsteuer?

Das ist offen.

Brennt die SPD für diese Steuer?Ich denke ja. Staatlich finanzierte Rabatte, die nicht bei den BürgerInnen ankommen, verletzten das Gerechtigkeitsempfinden, das in der SPD stark ausgeprägt ist.

Kanzler Scholz und die SPD-MinisterInnen halten sich in der Debatte bislang aber vornehm zurück.

Das kann noch kommen. Die Gesetze macht der Bundestag. Und die SPD-Fraktion ist geschlossen für diese Steuer. Ich bin allerdings von Robert Habeck enttäuscht. Er ist bei diesem Thema abgetaucht, gibt kaum Signale, obwohl das Wirtschaftsministerium für das Kartellamt verantwortlich ist. Da müsste er als Minister Druck machen.

Versagt das Kartellamt?

Versagen ist ein hartes Wort. Aber ich wünsche mir mehr Mut beim Kartellamt und mehr Rückendeckung von Habeck.

Muss man radikaler gegen die Marktmacht der fünf Mineralölkonzerne vorgehen?

Wir haben es mit Oligopolen zu tun. Interessanterweise kommt ja von Michael Theurer, dem FDP-Staatssekretär im Verkehrsministerium, das Signal, dass man die Konzerne auch zerschlagen könnte. Für solche Ideen sind wir offen.

Ist das nicht der durchsichtige Versuch der FDP, etwas in die Debatte zu werfen, was ohnehin nicht realistisch ist, um das Realistische – die Übergewinnsteuer – zu verdrängen?

Vielleicht. Wichtig ist, dass wir uns schnell einigen und schnell handeln. Die FDP wollte den Tankrabatt. Wir hätte die Milliarden lieber für anderes verwendet. Das Gesetz kommt aus Lindners Ministerium. Die Koalition hat sich darauf geeinigt, dass der Tankrabatt weitergegeben werden muss. Christian Lindner muss sich jetzt bewegen. Wenn die Spritpreise nicht sinken, muss man den Tankrabatt eben wieder zurücknehmen. Das kann der Bundestag vor der Sommerpause beschließen.

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13 Kommentare

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  • Wir brauchen eindeutig eine grössere Entlastung der Mineralölkonzern, denn der Tankrabatt da einfach nicht aus. Man stelle sich vor, der Erdölpreis würde tatsächlich wieder sinken. Wovon sollen die Herren und Damen dann leben, geschweige denn den Tank ihres Kleinwagens füllen?

  • In wenigen Tagen fast 150.000 Unterschriften:

    "Übergewinnsteuer jetzt! "



    aktion.campact.de/...nzen/krisenprofite

    bei diesem Umfrageergebnis kein Wunder:

    "knapp drei Viertel (72 Prozent) der Bundesbürger:innen (sprechen sich) für die Einführung einer zusätzlichen Steuer für krisenbedingte Übergewinne aus, 18 Prozent sind dagegen und der Rest (10 Prozent) ist unentschieden."



    www.stern.de/polit...-aus-31932952.html

    Bzgl. Parteienpäferenz steht die FDP isoliert da:

    " Nach Parteipräferenz kommt die größte Zustimmung aus der Anhängerschaft von SPD und Grünen (jeweils 88 Prozent), dicht gefolgt von der Linken (87 Prozent). Am wenigsten Befürworter:innen finden sich in in der Wählerschaft von CDU/CSU (61 Prozent), AfD (59 Prozent) und FDP (47 Prozent)."



    (ebd.)

  • "Wir haben es mit Oligopolen zu tun. Interessanterweise kommt ja von Michael Theurer, dem FDP-Staatssekretär im Verkehrsministerium, das Signal, dass man die Konzerne auch zerschlagen könnte."

    Da könnte die SPD ja ne Menge in Bezug auf Gasprom wieder gut machen. 🤪

  • Carlos Kasper (SPD): "Zurzeit diskutieren wir erst einmal, ob wir die Übergewinnsteuer einführen. [...] Die FDP ist massiv gegen diese neue Steuer."

    Wer hätte das gedacht, dass eine wirtschaftsnahe Lobbypartei, wie die FDP, gegen die Besteuerung der Reichen und Mächtigen ist? Die FDP wird in den nächsten Jahren sicherlich noch mehr so "tolle Ideen" haben, wie den Tankrabatt. Wo sind eigentlich die Grünen abgeblieben? Sind die noch in der Regierung? Dass die FDP irgendwann nur noch Politik für die 'Oberen Zehntausend' macht, das war aber abzusehen. Die FDP bleibt eben die FDP, oder hat jemand tatsächlich erwartet, dass die FDP sich ändert?

  • "Nein, der Benzinpreis ist hoch, obwohl der Rohölpreis derzeit im Vergleich zu den Vormonaten relativ niedrig ist. "

    Das ist schlicht Unfug. Es sei denn, das Interview wurde Anfang April geführt.



    Nichtsdestotrotz steht der Anstieg der Spritkosten in keinem zu rechtfertigenden Verhältnis zum Rohölpreis.

    • @darthkai:

      Nein, das ist kein Unfug. Der Rohölpreis ist im April ständig geschwankt. Anfang und Ende April lag er zwischenzeitlich auf ähnlichem Niveau.



      Hat man an der Zapfsäule aber nicht so mitbekommen...



      Wie nennt man das also, wenn der Preis für Benzin trotz der schwankenden Erdölpreise und des Tankrabatts weiterhin steigt? Richtig: Schön veräppelt!

  • Auch ohne die FDP, die Basis "Es gibt Vermutungen, dass mindestens die Hälfte... " für eine Übergewinnsteuer ist ziemlich schwach.



    Wieviel Steuern zahlen denn Mineralölkonzerne, die, bei denen man Input (Rohölpreis) und Output (Benzinpreis) miteinander vergleichen kann, in D? Oder versteuern die die Gewinne eh in London oder Luxemburg?

  • Und weshalb wird ein Herr Kasper bei dieser Gelegenheit nicht gefragt, wie er vermeiden möchte, dass die Übergewinnsteuer durch entsprechende Preiserhöhungen nicht direkt an den Kunden weitergegeben werden?

    Hierfür braucht es keine Absprache zwischen den Unternehmen und der Preisanstieg dürfte einen noch nie da gewesenen Inflationssprung nach sich ziehen.

  • Völlig unverständlich, daß sich Hamburg und Mecklenburg-Vorpommmern nicht der Bremer Initiative im Bundesrat auf Übergewinnsteuer angeschlossen haben.

    "Fachausschüsse beraten nun über Antrag

    Der Entschließungsantrag, den auch Berlin und Thüringen unterstützten, wurde nach der Vorstellung im Plenum in die Fachausschüsse überwiesen."



    www.tagesschau.de/...innsteuer-101.html

  • Gerade der FDP hätte klar sein müssen, dass Preise sich am Markt aushandeln und eine Senkung der Kosten für die Unternehmen (eben der "Tankrabatt") nicht die Preise senkt, sondern nur die Gewinnspanne der Unternehmen erhöht.

    Wenn man auf einem Wochenmarkt die Preise senken will, indem man den Gemüsehändlern die Standgebühr erlässt, erhöht man auch nur die Gewinne der Gemüsehändler, denn die Preise werden sie weiterhin so gestalten, dass sie ihre Ware so gerade eben noch los werden. Das ist auch reine Marktvernunft, das ist immer so. Man senkt Preise nicht, indem man die Kosten für die Unternehmer verringert.

    • @Mustardman:

      Wenn man dieses simple Wirkprinzip erkennt, dann kann man sich auch all die unsinnigen Baukostensenkungskommissionen sparen.



      Komisch - die Konzerne sind da total engagiert, aber die Mieten sinken gar nicht...



      (aber die Renditen steigen)

    • @Mustardman:

      Wenn dem "Gerade der FDP hätte klar sein müssen, dass Preise sich am Markt aushandeln " so ist, warum steigern die die Gewinnmarge nicht ohne Tankrabatt?



      Oder andersrum, auch mit Rabatt sollte es einige geben, die sich mit einer geringeren Marge zufrieden geben und damit auch andere Preise senken.



      Wenn das nicht eintritt, liegt entweder ein Monopol oder Absprachen vor.

      • @fly:

        Ne, die Preisbildung bei Tankstellen läuft anders.



        Es gibt eine geübte Praxis, dass die Preise mehrfach täglich drastisch steigen und sinken.



        Ein großer fängt an, und die anderen, auch freie ziehen nach.



        Aber das Gefüge bleibt identisch, die freien dürfen etwas billiger sein.



        So ist keine Absprache mehr nötig.



        Aber alle wissen: wenn einer zu viel senkt, dann ziehen alle nach. Also gibts weniger zu verdienen, für alle. Aber nicht den Nutzen, mehr Umsatz zu machen.



        Der Markt funktioniert also beim Sprit nicht...