Russland will Kickboxer ausliefern: Alexei Kudin droht Haft in Belarus
Einst ehrte Diktator Alexander Lukaschenko den Profi-Kickboxer als „verdienten Sportler der Republik Belarus“. Jetzt will er ihn einsperren.
Doch Kudin konnte es nicht fassen, dass er einfach so von Polizisten aufgefordert wurde, nach Hause zu gehen. Er blieb auf der Straße. Und noch viel weniger konnte er es fassen, dass jemand ihm auf der Straße Schläge androhte.
Ihm, dem langjährigen Mitglied der belarussischen Nationalmannschaft im Thai-Boxing, dem Profi-Kickboxer, der von Diktator Alexander Lukaschenko als „Verdienter Sportler der Republik Belarus“ geehrt worden war.
Beim KOK World Fight (King of Kings) hatte er 2010 den zweiten Platz geholt, bei der Europameisterschaft im Thai-Boxen 2006 die Goldmedaille. Auch jetzt nimmt Kudin regelmäßig an Meisterschaften in Muay Thai und Kickboxing teil.
Er entschied sich, dass hier das Recht auf Selbstverteidigung gelte. Belarussische Medien berichten, mindestens ein Polizist sei von seinem Schlag zu Boden gegangen. Doch gegen das Tränengas, die Gummikugeln und die Schläge mit den Gummiknüppeln hatte der Kampfsportler keine Chance. Schwer verletzt wurde er in ein Krankenhaus eingeliefert. Der behandelnde Arzt hatte um sein Leben gebangt. Dann kam er in ein Untersuchungsgefängnis. Die Behörden werfen ihm Widerstand gegen die Staatsgewalt vor. Bei einer Verurteilung drohen ihm fünf Jahre.
Flucht nach Moskau
Nach der Haft musste er in den Hausarrest. Um einer langjährigen Haft zu entgehen, floh der Vater von fünf Kindern schließlich am 18. November nach Moskau. Doch lange konnte der Mann, der sich bis zum 9. August 2020, dem Tag der Präsidentschaftswahlen, immer als unpolitisch verstanden hatte, nicht in Freiheit verbringen. Am 21. Januar wurde er dort aufgrund eines belarussischen Auslieferungsgesuchs verhaftet. Sein Asylgesuch wurde von den russischen Behörden abgelehnt.
Jeden Tag trainiere ihr Mann in der Abschiebehaft, berichtet seine Frau Tatjana Parchimowitsch der taz. Er werde sich nicht unterkriegen lassen. Auch in Moskau erfährt der Boxer viel Solidarität. Die Menschenrechtsorganisation „Zivile Unterstützung“ stellte dem Sportler eine Rechtsanwältin zur Seite. Angeführt von der ehemaligen Schwimm-Weltmeisterin und dreimaligen Olympiamedaillengewinnerin Aljaksandra Herassimenja haben über 400 Sportler, vor allem aus Russland und Belarus, den russischen Generalstaatsanwalt aufgefordert, Alexei Kudin nicht auszuliefern.
Am Freitag wird ein Moskauer Gericht über das belarussische Auslieferungsgesuch entscheiden. Dann wird Ehefrau Tatjana nach Monaten, wenn auch durch eine Glasscheibe getrennt, wieder einen Blick auf ihren Mann werfen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos