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Rücktritt von Nicola SturgeonDer Abgang kompetenter Frauen

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Wie schon bei Jacinda Ardern geht mit Nicola Sturgeon eine integre weibliche Führungsfigur freiwillig. Es bleiben ahnungslose Männer mit viel Geld.

Schon wieder eine kluge Frau, die nach täglichem Hass ihr Amt verlässt Foto: Scott Heppell AP AP

I hr Rücktritt kam überraschend. Nicola Sturgeon hat am Mittwoch angekündigt, sie werde ihren Job als schottische Premierministerin zur Verfügung stellen, sobald ein Nachfolger gefunden sei. Dass es ein Mann sein wird, ist sehr wahrscheinlich: Der schottische Minister für die Verfassung, auswärtige Angelegenheiten und Kultur, Angus Robertson, ist Favorit..

Schottland verliert damit eine Führungsfigur, wie sie heutzutage in der Politik selten ist: Sie ist integer, aufrichtig, offen und einfühlsam. Für solche Menschen ist in der modernen Politik mit all den Schmähungen und Pöbeleien und dem Hass, nicht zuletzt in den sozialen Netzwerken, immer weniger Platz. „Ich bin ein Mensch“, sagte Sturgeon in ihrer Rücktrittsrede, und sie sprach von der „größeren Intensität… und Brutalität“ im modernen politischen Leben.

Seit ihrer Rücktrittsankündigung erhält sie von allen Seiten – auch von ihren erbitterten Feinden – plötzlich Lob und Zuspruch. Das ist heuchlerisch. Hätte man sich in der Vergangenheit mehr auf inhaltliche Debatten und Argumente statt auf persönliche Angriffe und Beleidigungen konzentriert, wäre sie womöglich geblieben.

Genauso falsch ist es zu unterstellen, dass sie zurücktrete, weil sie ihren Rückhalt eingebüßt hat, wie es viele Medien jetzt tun. Sie hatte einfach die Nase voll. Es ist ein Unterschied, ob man die Menschen an der Macht zur Rechenschaft zieht, oder ob man sie nur deshalb angreift, weil sie an der Macht sind. Sicher, sie hat Fehler gemacht, aber sie hat dafür auch die Verantwortung übernommen, was in der Politik nicht selbstverständlich ist. Ihre Partei steht hinter ihr, mehr als drei Viertel der Mitglieder wollen nicht, dass sie geht.

Kompetente Frauen treten ab

Wer bleibt übrig, wenn kompetente Frauen wie Jacinda Ardern in Neuseeland und Nicola Sturgeon in Schottland abtreten, obwohl sie weder in Skandale verwickelt, noch zum Rücktritt gedrängt worden sind? Es sind vor allem Männer mit viel Geld, die vom Leben normaler Menschen keinen Schimmer haben.

Warum sind Frauen, Schwarze, Minderheiten dazu gezwungen, Widerstandsfähigkeit zu entwickeln? Der Grund sei nicht, dass sie schwächer seien, sagt die Journalistin Una Mullaly, sondern weil sie öfter zum Angriffsziel werden. Ihr Fazit: Wir benötigen weniger Widerstandsfähigkeit, sondern mehr Empfindlichkeit.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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11 Kommentare

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  • Einige Kommentatoren in UK sind durchaus nicht der Meinung, dass sie über die Unabhängigkeitsbestrebungen gestürzt ist - wo wäre da auch der zeitliche Zusammenhang.



    Das ist wohl viel eher die Sackgasse der Trans-Korrektheit, in die sie sich ohne Not verrannt hat.



    Der backlash um die Gender Recognition Reform Bill und das Stammel-Interview mit ITV Journalist Peter Adam Smith sind wohl eher ausschlaggebend gewesen.



    Damit verliert Schottland eine mutige und kluge Politikerin, die aber z.T. an eigenen Fehlern gescheitert ist.

  • Kompetent ja, klug, dazu mit Selbsterkenntnis und Selbstwahrnehmungsfähigkeiten gesegnet, auch mit dem Bewusstsein, verzichtbar zu sein. Ich glaube, da sind Frauen tatsächlich besser. Nur: zwei Beispiele sind doch arg wenig. Gegenbeispiele gibt es auch genug. Integre, intelligente und empathische Frauen werden auch nicht ständig und nur durch dumme, reiche und egomanische Männer ersetzt. Das ist mir deutlich zu viel Klischee.

  • Ardern ist mit ihrer Null-Covid-Politik gescheitert (die nebenbei die Tourismusbranche ihred Landes fast in den Ruin getrieben hat) und ist ihrer Abwahl zuvor gekommen. Sturgeon ist mit ihrem Unabhängigkeitsstreben gescheitert und ist ihrer Abwahl zuvor gekommen. Hier sollen Legenden erschaffen werden, die vielleicht in Deutschland als solche angesehen werden, aber in ihren Heimatländern einfach nur Politiker sind.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    "...Führungsfigur, (...): Sie ist integer, aufrichtig, offen......"



    ==



    Sie war vor allem ein Fels in der verrückt-verdrehten Brexit-Brandung und machte deutlich, das die Zukunft Schottlands in Europa liegt. Aktuell sind 50.7% der wählenden schottischen Bevölkerung für den Ausstieg aus der Britischen Union und für das Ende Großbritanniens als Zusammenschluss von England, Wales, Nordirland und Schottland.

    Sturgeon ist überzeugte Europäerin - wobei der mögliche Nachfolger Angus Robertson fordert, Schottland solle ohne öffentliche Abstimmung EU-Mitglied werden - wie der schottische Daily Express berichtet. Ohne Unabhängigkeit ist das rechtlich nicht möglich. Aber das demonstrativ ausgestellte europäische Profil von Robertson bedeutet, das der Fortbestand der Britischen Union noch lange nicht abgesicher ist - zumindest solange, wie der Unsinn des Brexits am Verstand der Engländer weiterhin nagt.

    P.S. Schottland & Nordirland hatten im Referendum 2016 mit überzeugender Mehrheit gegen den Brexit agewählt.

  • Der Kampf um mehr Empfindsamkeit, kann nicht nur mit deren Mitteln geführt werden, sondern bedarf konsequenter Abgrenzung gegenüber den Methoden und dem Gebaren dieser besagten Männer, die nur eines im Sinne haben, die Vermehrung der eigenen Macht, koste es, was es wolle.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Vor dem Anklicken dachte ich, es sei ein Foto von Angela Merkel - aber die Überschrift: "Der Abgang kompetenter Frauen" hat klargemacht, dass es ein Irrtum war.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Sie haben so recht. In der britischen Tracey Ullman Show werden beide Damen von ihr glänzend parodiert !



      (siehe youtube)

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Genau solche respektlosen, undifferenzierten Aussagen wie die Ihre sind im Artikel gemeint - q. e. d

    • @95820 (Profil gelöscht):

      "Vor dem Anklicken dachte ich, es sei ein Foto von Angela Merkel.."



      Sie sollten vielleicht mal zum Augenarzt gehen, wenn Sie Jacinda Ardern mit Angela Merkel verwechseln. 😄

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Stefan L.:

        Ich bleibe bei meiner Augenärztin.

  • Ist wirklich schade das Nicola Sturgeon zurücktritt. Tolle Politikerin und auch wichtige Figur für sie schottische Unabhängigkeit. Nicht nur in der eigenen Partei hat sie großen Rückhalt, auch in der schottischen Bevölkerung und Wählerschaft. Davon können hier Politiker*innen nur träumen. Es bricht einem fast das Herz. In dieser absoluten Shitshow der Tory Regierung und des Vereinigten Königreichs und auch zum großen Teil Englands, dass eine Politikerin wie Sturgeon geht, die ihr Land gut durch die Krisen der letzten Jahre geführt hat und auch im UK eine Voice of Reason war, wo selbst Labour unter Starmer wie eine FDP wirkt und die Tories komplett den Bezug zur Realität verloren haben.