Rücktritt von Nicola Sturgeon: Schottland liegt auf Eis
Nicola Sturgeon war die starke Stimme Schottlands. Doch zuletzt überwogen die Niederlagen der SNP-Chefin. Die Unabhängigkeit ist vorerst verspielt.

Hat ihren Abschied verkündet: Schottlands erste Ministerin Nicola Sturgeon am 15. Februar Foto: Russell Cheyne/reuters
Das Jahr 2023 sollte das Jahr der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon werden. Vieles hat sie dafür aufs Spiel gesetzt, doch sie hat ihre Karten falsch eingeschätzt. Nun hat Sturgeon ihren Rücktritt als Regierungs- und Parteichefin angekündigt. Sie begründete diesen Schritt mit den großen körperlichen und psychischen Belastungen im Amt durch die Coronapandemie; die Entscheidung habe nichts mit politischem Druck zu tun. Tatsächlich aber reiht sie sich in eine Serie von politischen Niederlagen ein.
Zunächst ist es Sturgeons schottischer Nationalpartei SNP, die die Unabhängigkeit anstrebt, nicht gelungen, den britischen Supreme Court von einem zweiten Referendum zur Unabhängigkeit zu überzeugen. Eigentlich wollte Sturgeon das Referendum im Oktober 2023 abhalten lassen.
Dann scheiterte sie erneut an der Regierung in Westminster: Das in Schottland beschlossene und hoch umstrittene Gesetz, das eine Geschlechtsangleichung für trans Personen ohne medizinische Diagnose möglich machen sollte, wurde von der Zentralregierung blockiert. Und schließlich nahm noch ein Skandal um möglichen Betrug bei der Nutzung von Parteigeldern, in den auch ihr Ehemann involviert ist, im Hintergrund Fahrt auf.
All das schwächte ihre einst gute Position. Beim Thema Pandemie konnte Nicola Sturgeon sich noch stark gegen die Johnson-Regierung behaupten, und auch während des Brexits als starke und verlässliche Gegenstimme punkten. Doch in der Wirtschaftskrise, die durch die Coronapandemie und den Brexit hervorgerufen wurde, priorisierte die Regierungschefin vor allem politische Ziele, die nicht mehr im Einklang mit den Grundbedürfnissen der schottischen Bevölkerung standen.
Die gesamte politische Ausrichtung verändert sich
So sank Sturgeons Ansehen in Schottland zunehmend. Der letzte Tropfen für das Aus ihrer Karriere war der Skandal um zwei transsexuelle Sexualstraftäterinnen, eine davon eine Vergewaltigerin: Beide hatten ihr Verbrechen im männlichen Körper begangen und waren gemäß des neuen Selbstbestimmungsgesetzes zunächst Strafanstalten für Frauen zugewiesen worden. Ein Aufschrei verhinderte dies.
Nicht nur die SNP muss sich jetzt vollkommen neu orientieren. Die gesamte politische Ausrichtung Schottlands verändert sich. Die Unabhängigkeit ist vorerst verspielt, weitere Bestrebungen sind wegen der stark geschwächten SNP auf Eis gelegt. Profit schlagen wollen die Labourpartei, die durch die SNP seit Jahrzehnten Stimmen einbüßt, und die schottischen Tories, die sich in der Transgenderdebatte stark gegen das neue Gesetz aussprachen.
Rücktritt von Nicola Sturgeon: Schottland liegt auf Eis
Nicola Sturgeon war die starke Stimme Schottlands. Doch zuletzt überwogen die Niederlagen der SNP-Chefin. Die Unabhängigkeit ist vorerst verspielt.
Hat ihren Abschied verkündet: Schottlands erste Ministerin Nicola Sturgeon am 15. Februar Foto: Russell Cheyne/reuters
Das Jahr 2023 sollte das Jahr der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon werden. Vieles hat sie dafür aufs Spiel gesetzt, doch sie hat ihre Karten falsch eingeschätzt. Nun hat Sturgeon ihren Rücktritt als Regierungs- und Parteichefin angekündigt. Sie begründete diesen Schritt mit den großen körperlichen und psychischen Belastungen im Amt durch die Coronapandemie; die Entscheidung habe nichts mit politischem Druck zu tun. Tatsächlich aber reiht sie sich in eine Serie von politischen Niederlagen ein.
Zunächst ist es Sturgeons schottischer Nationalpartei SNP, die die Unabhängigkeit anstrebt, nicht gelungen, den britischen Supreme Court von einem zweiten Referendum zur Unabhängigkeit zu überzeugen. Eigentlich wollte Sturgeon das Referendum im Oktober 2023 abhalten lassen.
Dann scheiterte sie erneut an der Regierung in Westminster: Das in Schottland beschlossene und hoch umstrittene Gesetz, das eine Geschlechtsangleichung für trans Personen ohne medizinische Diagnose möglich machen sollte, wurde von der Zentralregierung blockiert. Und schließlich nahm noch ein Skandal um möglichen Betrug bei der Nutzung von Parteigeldern, in den auch ihr Ehemann involviert ist, im Hintergrund Fahrt auf.
All das schwächte ihre einst gute Position. Beim Thema Pandemie konnte Nicola Sturgeon sich noch stark gegen die Johnson-Regierung behaupten, und auch während des Brexits als starke und verlässliche Gegenstimme punkten. Doch in der Wirtschaftskrise, die durch die Coronapandemie und den Brexit hervorgerufen wurde, priorisierte die Regierungschefin vor allem politische Ziele, die nicht mehr im Einklang mit den Grundbedürfnissen der schottischen Bevölkerung standen.
Die gesamte politische Ausrichtung verändert sich
So sank Sturgeons Ansehen in Schottland zunehmend. Der letzte Tropfen für das Aus ihrer Karriere war der Skandal um zwei transsexuelle Sexualstraftäterinnen, eine davon eine Vergewaltigerin: Beide hatten ihr Verbrechen im männlichen Körper begangen und waren gemäß des neuen Selbstbestimmungsgesetzes zunächst Strafanstalten für Frauen zugewiesen worden. Ein Aufschrei verhinderte dies.
Nicht nur die SNP muss sich jetzt vollkommen neu orientieren. Die gesamte politische Ausrichtung Schottlands verändert sich. Die Unabhängigkeit ist vorerst verspielt, weitere Bestrebungen sind wegen der stark geschwächten SNP auf Eis gelegt. Profit schlagen wollen die Labourpartei, die durch die SNP seit Jahrzehnten Stimmen einbüßt, und die schottischen Tories, die sich in der Transgenderdebatte stark gegen das neue Gesetz aussprachen.
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Kommentar von
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
Auslandskorrespondent Großbritannien
Seit 2012 für die taz im Einsatz. Daniel ist in München geboren und aufgewachsen avsolvierte aber sein Abitur in Israel. Seit 1991 lebt er im Herzen Londons, wo er zunächst drei Hochschulabschlüsse absolvierte, bevor er im Rundfunk (u.a. DW) begann zu arbeiten. Lange arbeitete er auch als wissenschaftlicher Universitätsassistent und über fünf Jahre lang für das Londoner Büro des jüdisch-palästinensischen Friedensdorfes Wahat al-Salam ~ Neve Shalom.. Ein Jahr lang war er Geschäftsführer der jüdisch-progressiven Organisation Meretz-UK. Als zusätzlich voll ausgebildeter Pilateslehrer half er in Teilzeit über 20 Jahre lang Menschen mit allerlei körperlichen Beschwerden. Ein Buch über die Erfahrungen seiner Familie durch die Schoa und den Jahren danach befindet sich in den letzten Zügen.
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