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Rot-rot-grüne Wohnungspolitik in BerlinDie Verschnaufpause war kurz

In der Wohnungspolitik hat Rot-Rot-Grün viel versucht – und ist doch gegen Wände gerannt. Es bleibt aber Hoffnung: Linke Wohnraumpolitik ist möglich.

Wohnungspolitisch hat sich unter Rot-Rot-Grün viel geändert: Quartier Weiße Siedlung in Neukölln Foto: Dirk Sattler/imago

Berlin taz | Vor allem in der Wohnungspolitik werden wir diese Koalition vermutlich noch vermissen. Die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey steht im Verbrennerfahrzeug an der Ampel und blinkt nach rechts – in Richtung CDU, FDP und Immobilienlobby. Nach Giffeys Ansage, dass ihre Bedingung für die nächste Koalition ein Nein zu Enteignungen sei – unabhängig vom Ausgang des Volksentscheides –, ging sie auf Konfrontation mit Linken und Grünen.

Die Wohnungspolitik ist für die SPD also eine rot-rot-grüne Sollbruchstelle. Nach der Wahl könnte es deshalb heißen: Das Immoperium schlägt zurück. Dabei sollte das Erreichte erst der Anfang sein.

Denn man kann der rot-rot-grünen Landesregierung vieles vorwerfen – wohnungspolitische Bemühungen aber kann man dem Senat Müller II nicht absprechen. Das liegt im Kern natürlich auch daran, dass die Linke sich 2016 mit ihrer Forderung durchgesetzt hat, die von der SPD zuvor dauerhaft okkupierte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen für sich zu beanspruchen. Klar: Senatorin Katrin Lompscher trat im August 2020 wegen Steuerverfehlungen zurück. Allerdings hat Sebastian Scheel (ebenfalls Linke) das Amt ohne große Reibungsverluste übernommen.

Zwar liegen die 2020 fertig gestellten 19.000 Wohnungen noch 1.000 unter dem selbst gesteckten Ziel und werden vom Immo-Verband BBU als zu wenig kritisiert, aber fest steht auch: In Berlin werden so viele Wohnungen gebaut wie lange nicht mehr – und deutlich mehr als unter Schwarz-Rot vor 2016. Strittig ist, ob die zuletzt gesunkene Zahl der Baugenehmigungen an einem vermeintlich investitionsfeindlichen Klima liegt oder nicht doch an der Coronakrise und Lieferengpässen. Klar ist aber auch: Große Bauprojekte sowie neue Quartiere sind geplant und werden in den nächsten Jahren gebaut.

Manko Mietendeckel

Größtes Manko der Wohnungspolitik: Der durchaus ambitionierte Mietendeckel wurde vom Verfassungsgericht für nichtig erklärt. Die CDU klagte erfolgreich gegen das Landesgesetz. Laut Karlsruhe hat die nur unzureichend wirksame Bundesmietpreisbremse das Mietpreisrecht abschließend geregelt. Immerhin ist der Mietendeckel damit auch Bundesthema: Die Linke fordert einen solchen nach Berliner Vorbild auf Bundesebene, SPD und Grüne sind Mietenstopps in angespannten Wohnungsmärkten nicht ganz abgeneigt. Die Grünen wollen zudem Absenkungen auf Basis länderspezifischer Regelungen ermöglichen.

Den Mie­te­r*in­nen in der Stadt hingegen hat der Deckel gezeigt, dass eine andere Wohnungspolitik nach 15 Jahren Mietsteigerungen und zunehmendem Verdrängungsdruck möglich ist. 1,5 Millionen Berliner Haushalte bekamen einen Vorgeschmack, wie linke Wohnraumpolitik fernab von SPD-Baufilz aussehen könnte. Sie waren kurzzeitig vor Mietsteigerungen sicher, in 320.000 Wohnungen wurde die Miete gesenkt. Blöd nur, dass der Deckel Rot-Rot-Grün letztlich um die Ohren flog, viele Mie­te­r*in­nen nachzahlen mussten und mittlerweile auf dem Wohnungsmarkt wieder Mondpreise vorherrschen.

Aber es war auch nicht alles schlecht: Etwas, das von R2G bleibt, sind etwa viele neue Milieuschutzgebiete, in denen niedrige Mieten und eine soziale Durchmischung erhalten bleiben sollen. Dort hat der Senat auch mittels Vorkaufsrecht den Bestand an kommunalem Wohnraum erweitert: Will ein Investor sich bei einem Ankauf im Milieuschutzgebiet nicht auf soziale Kriterien verpflichten, können Bezirk und Land zugunsten einer kommunalen Wohnungsgesellschaft vorkaufen.

Gab es 2015 noch 22 solcher sozialen Erhaltungsgebiete, sind es heute 71. Die prestigeträchtigsten Vorkaufsfälle waren wohl die Blöcke in der Karl-Marx-Allee mit 700 Wohnungen, die das Land der Deutsche Wohnen weggeschnappt hat, oder das Kosmosviertel mit 1.800 Wohnungen in Alt­glienicke. Das Vorkaufsrecht half dem Land auch dabei, renitente Investoren zu Abwendungsvereinbarungen zu zwingen und so auf halbwegs gangbare soziale Vereinbarungen festzulegen.

Blockaden im Bund

Berliner Bundesratsinitiativen änderten aber auch nichts daran, dass im Bundesrecht viele Barrieren bleiben: So blockiert die CDU dort in der großen Koalition neben durchschlagkräftigen Mietpreisregulierungen auch das Stopfen von Steuerschlupflöchern, wie sie viele private Wohnkonzerne bei Immobilendeals nutzen (sogenannte Share Deals). Ebenso ist die Intransparenz auf dem privaten Wohnungsmarkt nach wie vor hoch: Viele Konzerne wirtschaften über Steueroasen und Briefkastennetzwerken am Fiskus vorbei – ein Mietenkatas­ter hat die linke Senatsverwaltung für die nächste Legislatur in Aussicht gestellt.

Gegen Zweckentfremdung und die Ferienwohnisierung der Innenstadt hat der Senat viel versucht – aber es blieb eher bei Nadelstichen: Gegen den Plattform-Kapitalisten Airbnb gab es zwar Erfolge vor Gericht und bei Steuernachzahlungen – nichtsdestotrotz gibt es weiter Tausende illegal zweckentfremdete Wohnungen in Berlin.

Eine weitere große Baustelle bleibt der fehlende Schutz für Gewerbemietverträge, wo ohne Bund allerdings auch wenig geht. Die Folgen sind geräumte linke Freiräume wie die Kneipenkollektive Syndikat und Meuterei, aber auch die Verdrängung von autonomen Jugendzentren wie Potse und Drugstore.

Auf den letzten Drücker hat es die Koalition aber immerhin noch geschafft, per Verordnung Umwandlungen in Eigentum wirksam einzuschränken: ein wohnungspolitischer Meilenstein, der vielleicht etwas untergegangen ist.

Nicht vergessen darf man beim Verteilen von Fleißbienchen allerdings auch, dass Rot-Rot-Grün teilweise zum Jagen getragen werden musste: Ob nun von der starken mietenpolitischen Bewegung, umtriebigen Bezirksstadträten oder der mittlerweile breit getragenen Forderung nach Vergesellschaftungen privater Wohnkonzerne. Ohne Enteignungsvolksbegehren hätte es einen Mietendeckel wohl nicht gegeben. Zurecht fordern mietenpolitische Initiativen mehr Mitspracherechte.

R2Gut? Kurz vor der Wahl stellt sich die Frage: War Rot-Rot-Grün eine erfolgreiche Koalition? Die taz Berlin hat sich in einem Schwerpunkt angeschaut, was Rot-Rot-Grün erreicht hat – und was verbockt.

Update: Wurde am 30.08.2021 um die Info ergänzt, dass die Grünen eine Öffnungsklausel für länderspezifische Regelungen fordern, die auch Absenkungen der Miete ermöglicht.

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8 Kommentare

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  • Linke Politik? Welches Links? Das Links in der Mitte-rechts, wo SPD und Grüne?



    Die Linke soll es richten, wo die doch beschlosen hat, die SPD von gestern sein zu wollen?



    Es gibt kein echtes Links in den Parlamenten.



    Wer 'links" will, muss auf die Straße!

  • In Berlin wurden in den letzten 20 Jahren rund 150.000 Wohnungen neu gebaut, die Einwohnerzahl stieg im gleichen Zeitraum um 300.000. Im Jahr 2000 gab es noch erheblichen Leerstand.

    Das bedeutet: Die explodierenden Mieten und Wohnungs- und Grundstückspreise haben ihre Ursache nicht in fehlendem Wohnraum bzw. steigenden Einwohnerzahlen. Die Ursache des Problems liegt vermutlich - belastbare Zahlen gibt es leider nicht - an Spekulation, an Betongold. Ein Großteil der neu gebauten Wohnungen liegen im Segment +-7.000/qm. Da zieht kein Polizist mit seiner Familie ein, das kaufen sich Reiche aus der ganzen Welt, die Wohnungen stehen dann faktisch leer.

    Ein Makler eines neu gebauten Mehrparteienhauses in Kreuzberg sagt mir vor ein paar Jahren einmal ganz offen, dass dort niemand einziehen wird ("Die Wohnungen kaufen Leute, die haben das Geld auf dem Girokonto, das muss da weg.")

    Jede neu gebaute Wohnung ist nur eine weitere Möglichkeit für diese Leute, ihr Girokontogeld zu parken.

    Und da müsste man ansetzen. Vielleicht Wohnungskauf nur noch für Leute, die hier ihren Erstwohnsitz anmelden.

    Aber letztlich hilft nur: kein Privateigentum an Boden.

    • @genova:

      Genau alle Enteignen. War doch super in der DDR. Vorwärts immer!!!!

      • @Hunky Dory:

        Danke, sie haben es erfasst!

  • "Blöd nur, dass der Deckel Rot-Rot-Grün letztlich um die Ohren flog," … weil ein beachtlicher Teil aller Mietwohnungen von panischen Eigentümern vom Mietmarkt zurückgezogen wurden. Der Deckel war gut gemeint, aber wer in Berlin nicht bereits Wohnung besitzt, steht heute noch schlechter da als vorher. Das Problem mit dem Mietendeckel als auch mit der Enteignung ist, dass sie das Hauptproblem Wohnungsmangel nicht beseitigt. Höchstens erreicht man damit eine Zwei-Klassen-Stadt: die mit einem geilen Mietvertrag vom Land und die mit einem Wuchermietvertrag von Privat. Und die kleine jetzt bereits vorhandene Klein-Korruption der Allgemeinberliner, die für ihren billigen (fairen) Mietvertrag horrende Ablösesummen fordern, wird nur noch zunehmen.

    • @Master of Tartes:

      In der von Ihnen prognostizierten 2 Klassen Stadt würden doch viel mehr Wohnungen entstehen, die letztendlich über den Markt auch die teuren Wohnungsmieten herunter drücken. Wien ist doch ein oft zitiertes Beispiel, dass in einer Stadt mit viel öffentlichen Wohnungen Mieten trotzdem human sein können.

      Des weiteren gibt es auch gesetzliche Möglichkeiten zu verhindern, dass Eigentümer Ihre Wohnungen zurück ziehen. Die Niederlande haben ebenfalls sei der Öffnung der Wohnungsmärkte für Investoren in den 90igern Ihr blaues Wunder erlebt. Und dort gibt es besagte Gesetzes Initiativen.

      Besonders vorbildlich hier ist Enschede. Laut einer dort wohnenden Freundin müssen dort alle leerstehenden Wohnungen "Zwangsvermietet" werden. Es sind abgespeckte Mitverträge, aus denen man auch wieder rausfliegen kann, wenn ein "richtiger" Mitvertrag zustande kommt. Kenne hier leider die juristischen Fachbegriffe nicht.

      Hier ist ein Link zu dem holländischen Immobilienscout:

      www.funda.nl/

      Enschede + Haus kaufen eingeben.

      Preise für weit unter 200k sind dort möglich.

      Enschede ist eine Uni Stadt und durchaus attraktiv. In anderen Gemeinden sieht die Lage in NL nicht so rosig aus.

      Es gibt Möglichkeiten, möchte ich nur sagen. Es ist nicht das erste Mal das eine nett gemeinte Gesetzes Initiative scheitert, aber man kann auch nachbessern....

      Wir können leider nicht einfach immer weiter neue Wohnungen bauen. Flächenversieglung, Umweltschutz. CO2 Kosten des Wohnungsbaus an sich...

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Man muss sich das mal richtig klarmachen!



    Da wollen milliardenschwere Konzerne uns als ihre Milchkühe benutzen.



    Die wollen bestimmen, wer in dieser Stadt wohnt und wer nicht - ganz einfach über den Preis.



    Wir haben uns an viel zu viele Sauereien gewöhnt.



    Egal was es kostet, die müssen weg!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Das sind die "milliardenschwere Konzerne", an die Berlin abertausende Mietwohnungen billigst verschleudert hat. Die Schuld liegt bei der Stadt Berlin und ihren Politikern, denn Konzerne sind immer Geldgierig.