Heimstaden akzeptiert Milieuschutz: Gemischte Gefühle nach Abwendung

Die Wohnungsfirma Heimstaden unterzeichnet in Berlin Abwendungsvereinbarungen für 82 Häuser in Erhaltungsgebieten. Aber 48 Häuser gehen leer aus.

Ein kleiner Schoßhund bei einer Demo. Um den Hals trägt er einen Zettel, auf dem steht: "Go away Heimstaden"

Dieser Neuköllner Mischling hat Angst um die Berliner Mischung: Mieter:innenprotest gegen Heimstaden Foto: imago/

Berlin taz | Viele Mieter:innen der durchschlagkräftigen Mieter-Initiative „Stop Heimstaden“ sind enttäuscht. Dass sie dennoch viel erreicht haben, wissen sie wohl trotzdem: „Trotz allem Frust: Wir haben starke Hausgemeinschaften gewonnen, an denen Heimstaden sich die Zähne ausbeißen wird. Und wir haben gesehen, dass wir nicht machtlos sind! Ohne unseren Kampf hätten sie die Häuser umsonst bekommen“, schreibt das Bündnis auf Twitter.

Und aufhören mit ihrem Protest werden die Mieter:innen wohl noch lange nicht. Am Freitagnachmittag protestierten sie vor der Berliner Heimstaden-Niederlassung in der Friedrichstraße, am Sonntag sollte eine Kundgebung um 16 Uhr am Leopoldplatz stattfinden. Man müsse weiter auf die Straße. Denn selbst mit Abwendungserklärungen sei kein Haus dauerhaft gesichert, viele blieben ohne jeden Schutz, heißt es von der Initiative.

Der Grund für die ambivalenten Gefühle: Am Freitagabend haben die Bezirke, die Senatsverwaltung und der Wohnungskonzern Heimstaden nach zunächst sehr zähen Verhandlungen endlich Abwendungsvereinbarungen für gut 2.200 Wohnungen in 82 Häusern getroffen.

Die schwedische Firma des mit Immobiliengeschäften reich gewordenen mehrfachen Millardär Ivar Tollefsen ist derzeit auf Shopping-Tour in Berlin und hat hier zuletzt für 800 Millionen Euro 130 Häuser gekauft. 83 Häuser liegen in Milieuschutzgebieten: das bedeutet, dass die Bezirke hier ein Vorkaufsrecht hätten. Dies lässt sich abwenden mit einer Verpflichtung auf sozialen Mieterschutz, der sogenannten Abwendungsvereinbarung (siehe Kasten).

Schutz für viele – nicht für alle

Zumindest einem großen Teil der betroffenen Mieter:innen hat Heimstaden nun zugesichert, in den nächsten 20 Jahren auf Umwandlungen in Eigentum zu verzichten. Für zehn Jahre verpflichtet sich Heimstaden zudem darauf, nicht möbliert und befristet zu vermieten. Bestehende befristete und möblierte Mietverhältnisse sollen in reguläre überführt werden. Modernisierungskosten dürfen hier nur in Haushalten umgelegt werden, in denen die Nettokaltmiete 30 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigt, wie es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Bezirke und des Senats heißt.

Milieuschutz Verkäufe von Mietshäusern, die in einem Milieuschutzgebiet stehen, müssen von den Bezirken genehmigt werden. Befürchtet der Bezirk die Verdrängung der Mieter, kann er den Verkauf – oder auch teure Luxusmodernisierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen – verbieten. In Berlin gibt es derzeit über 60 dieser sogenannten sozialen Erhaltungsgebiete, in denen der Milieuschutz gilt. Insgesamt leben mehr als 400.000 MieterInnen im Milieuschutzgebiet.

Fallstricke Oftmals umgehen große Wohnungsfirmen durch sogenannte Share Deals das kommunale Vorkaufsrecht. Aber ein Vorkauf durch den Bezirk kann auch scheitern, wenn etwa die nur zweimonatige Frist, um den Verkauf zu stoppen, verstreicht, wie kürzlich in Kreuzberg. (gjo)

Ein Vorkauf wäre aufgrund der hohen Kaufpreise von Heimstaden vor allem in einer angespannten Corona-Haushaltslage wohl kompliziert geworden. Auch deshalb sind die beteiligten Verhandler:innen von öffentlicher Seite über den Deal froh. Neuköllns Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) sagte: „Ein Paketkauf dieser Größe ist eine wahnsinnig schwierige Aufgabe für alle Beteiligten.“ Das geschlossenes Auftreten der Bezirke und Senatsverwaltungen habe sich gelohnt. Er bedanke sich bei allen Mieter:innen: „Wer in Berlin kauft, darf die Rechnung nicht ohne die Mieter*innen machen“, sagte er.

Die Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph (Linke), sagte: „Es ist in den Verhandlungen gelungen, Heimstaden davon zu überzeugen, dass die Einhaltung der Ziele des Milieuschutzes nicht fakultativ ist.“ Das Ergebnis sei ein Erfolg und bringe für die Mieter:innen die Sicherheit, langfristig in ihrem Zuhause und ihrer Nachbarschaft bleiben zu können. Staatssekretärin für Finanzen Vera Junker, (SPD), sagte, die Abwendungsvereinbarungen gewährleisteten die Zusammensetzung bestehender Mieterstrukturen. „Es ist erfreulich, dass in konstruktiven Gesprächen Abwendungsvereinbarungen erzielt werden konnten.“

Vor einer Woche klang das noch deutlich anders: Heimstaden hatte sich bis kurz vor Ablauf der zweimonatigen Vorkaufsfrist nach taz-Informationen beharrlich geweigert, sich auf das 20-jährige Umwandlungsverbot einzulassen.

Auch im Hinterkopf behalten sollte man: Die getroffenen Regelungen gelten nur für knapp zwei Drittel der erworbenen Häuser. Jene 48 Häuser, die nicht in einem der sozialen Erhaltungsgebiete Berlins liegen, sind den Marktkräften weiterhin schutzlos ausgeliefert. Dort können sich die Mieter:innen wohl darauf einstellen, dass der Konzern hier die Renditeziele nach dem teuren Kaufpreis umso härter durchsetzten wird.

Immerhin verspricht Heimstaden in seiner Pressemitteilung allen Mieter:innen das Blaue vom Himmel: „Alle unsere deutschen Kunden können sicher sein, dass sie langfristig planen können, wenn sie eine Wohnung von Heimstaden mieten“, sagt der Vorstandsvorsitzende Patrik Hall. Man wolle langfristig ein engagierter und fairer Partner auf dem Berliner Wohnungsmarkt sein. An diesen Worten muss sich der Konzern messen lassen – auch von den Mieter:innen aus den 48 Häusern, für die keine Abwendungsvereinbarung gilt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.