Ringen vor EU-Gipfel: Italien am Abgrund

Italien ist von der Coronakrise EU-weit am schlimmsten betroffen. Wenn der EU-Gipfel keine Coronahilfen beschließt, droht dem Land Schlimmes.

Merkel und Conte sitzen an einem Tisch unterm Sonnenschirm

Neue Verbündete: Merkel und Conte wollen einen Wiederaufbaufonds Foto: Tobias Schwarz/reuters

ROM taz | „Entweder wir siegen gemeinsam oder wir verlieren gemeinsam.“ Bei seinem Auftritt am Mittwoch vor Italiens Parlament ließ es Ministerpräsident Giuseppe Conte an Pathos nicht mangeln, um Italiens Position vor dem EU-Gipfel zu beschreiben. Angesichts der durch Corona ausgelösten tiefen Rezession, so Conte, sei jetzt eine „mutige Vision“ gefragt, dürfe Europa sein „Ziel von historischer Tragweite“ nicht verfehlen.

Dieses Ziel hat einen Namen. Es ist der Kommissionsvorschlag eines Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro, von denen Italien 172 Milliarden abbekommen soll. Drunter geht es für Conte nicht. Einen „Kompromiss nach unten“ schließt er aus, der sei in „politischer, ökonomischer und moralischer Hinsicht inakzeptabel“.

Tatsächlich steht Italien in der Coronakrise noch schlechter da als andere EU-Staaten. Die Pandemie kostete bisher 35.000 Todesopfer und forderte den ersten Lockdown. Die EU-Kommission prognostiziert für 2020 ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 11,2 Prozent. Zum Vergleich: Für Deutschland werden minus 6,3 Prozent erwartet.

Zudem wird die Nettoneuverschuldung dieses Jahr statt unter 2 Prozent bei über 10 Prozent liegen. Damit wird der gesamte öffentliche Schuldenberg auf 160 Prozent hochschnellen. Deshalb herrscht in Rom die Gewissheit, dass das Land alleine aus dieser Krise nie herauskäme.

Angst vor Kontrollen im Stil der Troika

So war es für Italien ein kleines, hochwillkommenes Wunder, dass Angela Merkel und Emmanuel Macron im Mai die Initiative für einen durch gemeinsame europäische Schuldenaufnahme finanzierten Wiederaufbaufonds ergriffen.

Da sind aber noch die „Frugal four“, die „sparsamen Vier“, die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark, denen die gemeinsame Schuldenaufnahme ebenso aufstößt wie die von der EU-Kommission vorgeschlagene Ausreichung von 500 der 750 Milliarden als nicht rückzahlbare Zuschüsse.

Und dann ist da noch ein heikler Punkt: die Frage, wer denn die nationalen Wiederaufbaupläne kontrollieren und absegnen soll. Conte plädiert für die Kommission. Die „sparsamen Vier“ dagegen arbeiten hinter den Kulissen darauf hin, dass der Europäische Rat – in dem die nationalen Regierungen das Wort haben – entscheidet und dass eine qualifizierte Minderheit ein Veto gegen den Wiederaufbauplan eines Landes einlegen kann.

Italien fürchtet, dass ihm auf diesem Weg Kontrollen im Stil der Troika aufgenötigt, dass ihm Arbeitsmarkt- oder Rentenreformen aufgezwungen werden. Im Gegenzug droht Conte jetzt, im Zweifelsfall ein Veto einzulegen, gegen den gesamten EU-Haushalt 2021–2027 und vor allem gegen eventuelle Beitragsermäßigungen, die den „sparsamen Vier“ zugute kämen.

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