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Reichtum und DavosAuch der Kapitalismus ist nicht ewig

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Das Weltwirtschaftsforum Davos lädt dazu ein, sich über maßlosen Reichtum aufzuregen. Nur sind die Zeiten für „smash capitalism“ gerade nicht so gut.

Protest in Davos, 19. Januar: Parolen wie „Eat the Rich“ sind momentan im besten Fall romantisch Foto: Michael Buholzer/epa

D as Weltwirtschaftsforum von Davos (WEF) ist immer ein guter Anlass, sich über maßlosen Reichtum aufzuregen – wie es die Organisation Oxfam mit ihrem neuen Bericht über die Milliardäre gerade wieder tut. Tatsächlich geht obszöner Reichtum – Tesla-Chef Elon Musk beansprucht alleine einen Bonus von 56 Milliarden Dollar – neuerdings mit seinen politischen Angriffen auf die Demokratie einher. Die WEF-Partner Jeff Bezos, Amazon, Mark Zuckerberg, Meta-Facebook-Instagram und andere rangieren in derselben Liga, wenn sie es auch nicht so toll treiben wie Musk.

So ist die Forderung richtig, sehr große Vermögen höher zu besteuern und die Mittel zugunsten der Bevölkerungsmehrheit umzuverteilen. Allerdings sind die Zeiten dafür nicht die besten. Die internationale Mindestgewinnsteuer für transnationale Unternehmen wurde nach jahrelangem Ringen eingeführt, doch sie erbringt kaum Einnahmen. In Deutschland existiert nicht mal eine parlamentarische Mehrheit für eine kleine Vermögensteuer.

Weltweit ebenso wenig, wenngleich die Vereinten Nationen auf Initiative Brasiliens über eine Zwei-Prozent-Vermögensteuer für Milliardäre und Multimillionäre diskutieren. Prognose: Das dauert 20 Jahre, wenn es überhaupt kommt. Die Befürworter sind zu schwach, die Gegner zu stark.

Grundsätzlich aber sind große Gerechtigkeitssprünge möglich. Im frühen 20. Jahrhundert wurde in den USA Rockefellers Standard-Oil-Konzern zerschlagen. Zwischen dem 2. Weltkrieg und den 1970er Jahren erstarkten die europäischen Sozialstaaten. Die Einkommens- und Vermögensverteilung war damals ausgeglichener, wenngleich die Vermögen der Reichen trotzdem schneller wuchsen als die der Mittel- und Unterschicht.

Wann es wieder zu einer solchen Situation kommt, weiß man nicht. Parolen wie „Eat the Rich“ oder „Smash Capitalism“ sind momentan im besten Fall romantisch, im schlechteren gefährlich, weil sie den Blick auf die Wirklichkeit verstellen. Andererseits ist nichts ewig, auch der Kapitalismus steckt in ständiger Transformation. So kann es gut sein, dass die Leute in 100 Jahren zurückblicken und sagen: So um 2070 veränderte sich die Wirtschaftsordnung so grundlegend, dass wir jetzt etwas anderes haben.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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18 Kommentare

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  • taz: *So kann es gut sein, dass die Leute in 100 Jahren zurückblicken und sagen: So um 2070 veränderte sich die Wirtschaftsordnung so grundlegend, dass wir jetzt etwas anderes haben.*

    Wir haben jetzt Trump, Musk und immer mehr konservative und rechte Parteien in der Welt, die genau wissen wie man die einfältige Masse der Bürger mit dümmlichen Sprüchen und der hauseigenen Journaille auf ihre Seite bringt. Und wenn der Klimawandel die große Keule herausholt, dann wird man in 100 Jahren ohnehin andere Sorgen haben ('falls die Menschheit dann überhaupt noch existiert'), als über die Einfältigkeit der Bürger 'von damals' (also die Menschen von heute) zu reden. Der Kapitalismus hat immer noch alles fest im Griff, und jetzt braucht er nicht einmal mehr Politiker zu "schmieren", denn die Reichen gehen selbst in die Politik, um für sich "die beste Politik" auf den Weg zu bringen – siehe Trump und Musk. Es mag ja sein, dass der Kapitalismus am sterben ist, aber bis dahin wird er noch viel Elend in der Welt erzeugen und kräftig um sich treten.

  • "... im besten Fall romantisch, im schlechteren gefährlich, weil sie den Blick auf die Wirklichkeit verstellen.“

    Was will uns der Autor denn damit sagen? Welche Wirklichkeit meint er? Die in der 1% der Weltbevölkerung ca. 45% des gesamten Vermögens besitzen? Oder die in der rund 85% des Vermögens den obersten 10% der Bevölkerung gehören? Das ist dann gefährlich für wen? Wo sind eigentlich die Pläne der Wirtschaftswissenschaften, die in einer endlichen Welt ohne Ausbeutung und ständigem Wirtschaftswachstum auskommen?

    • @Dilemma:

      Vielleicht ( so interpretiere ich das wohlwollend) meint der Autor damit, das diese Maximalforderungen nach einem anderen Wirtschaftssystem, in der Bevölkerung als unrealistisch wahrgenommen werden und deshalb nicht verfangen.

      Wenn der schwarze Block "anticapitalista" brüllt, ohne näher zu erklären, was damit eigentlich genau gemeint ist, dann kann ich diesen Punkt sogar nachvollziehen.

      Ich für meinen Teil würde vielleicht manchmal die Wortwahl ändern, aber nicht die Utopie einer anderen Gesellschaft beerdigen. Insofern bin ich durchaus der Meinung, daß die Forderungen mutig sein sollten.

      Es macht allerdings einen Unterschied, ob "Milliardäre enteignen" die Parole ist, oder "Reiche enteignen". Bei ersterem gehen viele Leute mit, während sich viele Menschen ab 3.500 Netto finanziell und gesellschaftlich näher am Einkommensmillionär/innen fühlen, als an Geringverdiener/innen( obwohl das Gegenteil der Fall ist).



      Ganz schlimm wird es, wenn Parolen wie "Reichtum abschaffen "skandiert werden. Da denken die meisten Bürger an DDR-Verhältnisse und den Trabant, der Jahre vorher bestellt werden musste.

      Andere Erklärungsmodelle müssen her...

  • Es wäre cleverer, das Wirtschaftssystem so zu verändern, dass mit Einkommenszuwächsen oben auch automatisch Einkommenszuwächse unten einhergingen, also "die Flut tatsächlich alle Boote hebt". Ein Weg dahin wäre das Grundeinkommen. Dies bemäße sich am Wohlfahrtsstand des jeweiligen Landes, also kämen Zuwächse automatisch allen, per Grundeinkommenserhöhung, zugute.

    Das wäre eine pragmatische Forderung, im Gegensatz zu unrealistischen Enteignungsphantasien.

  • Die Werte, die im deregulierten und expandierenden Finanzsektor gehandelt werden, sind mittlerweile weltweit fast vier Mal so hoch wie die der realen Wirtschaft, aus der sie den Mehrwert abschöpft. Das funktioniert nur durch Maximierung von Ausbeutung von Mensch und Natur und führt zu einer Konzentration von Kapital auf wenige. Das das Kapital zum Selbsterhalt zum Faschismus tendiert ist eine logische Konsequenz. Immer weniger Menschen werden davon Profitieren und die müssen unter Kontrolle gehalten werden, während all ihre Lebensbereiche der Gewinnmaximierung unterworfen werden. Demokratie steht da im Weg.

  • Ich sehe das anders. Die Zeiten des braven Bürgertums sind vorbei. Das sollte spätestens mit Trump und Musk eigentlich jede/r begriffen haben.



    Es waren oftmals kommunistische Maximalforderungen der Arbeiterbewegung des letzten Jahrhunderts, die von den Herrschenden minimale Zugeständnisse überhaupt erst errungen haben. Oft wurde sich in der Mitte getroffen- also zwischen Forderungen und dem Erhalt des Status quo.

    "Smash captialism" ist natürlich etwas plump bzw es erklärt zu wenig. Es gibt auch heute noch Menschen, die überhaupt nicht wissen was Kapitalismus überhaupt ist, da sie nichts anderes kennen und sich nichts anderes vorstellen können.

    Ich bin der Meinung, das es möglich sein muss, Visionen und Bilder einer besseren Welt zu erzeugen

  • Hm... nicht gerade klare Worte zum Gegenwart in der TAZ ...

  • "Auch der Kapitalismus ist nicht ewig", ist auch nur eine allenfalls romantische Parole ... . Wenn es ganz dick kommt greifen sich die Reichen was geht. Geld für bewaffnete Kräfte haben sie ohnehin im Überfluss. Ob man diese Herrschaft dann Kapitalismus nennt, Oligarchie, Neo-Feudalismus oder wie auch immer, die Armen und Benachteiligten sind jedenfalls immer im Arsch. Es gibt keine politische Kraft mehr, die sich ihrer annimmt.

    • @shitstormcowboy:

      Heißt dann? Nichtwählen forever? Gibt ja schließlich keine politische Kraft mehr, die sich ihrer annimmt.

  • "So kann es gut sein, dass die Leute in 100 Jahren zurückblicken und sagen: So um 2070 veränderte sich die Wirtschaftsordnung so grundlegend, dass wir jetzt etwas anderes haben."

    Insofern schade, weil dann meine Lebenszeit zu Ende ist.

    Ich weiß, dass ich durchaus von den ausbeuterischen Weltverhältnissen profitiere, aber der Kapitalismus bedeutet trotzdem permanenten gesellschaftlichen Stress, auch bei uns.

    Ziemlich irrationales Stirb und Werde.

    Nach Marx wird der Kapitalismus ja natürlicherweise kollabieren, wenn die Vermögenskonzentration eine Stufe erreicht, dass es keine Konsumenten mehr für das investierte Kapital gibt.

    Ich weiß aber nicht, ob deterministisches / fatalistisches Warten die richtige Strategie ist.

    Auch Marx denkt an eine vorhergehende Organisation und Solidarität der Menschen, die nur ihre Arbeitskraft verkaufen können.

    Ich sehe auf jeden Fall im Gebaren der Techoligarchen, die offen nach politischer Macht streben, im Grunde eine schwere Krise des Kapitalismus.

  • Ach was! Loriot

    “…Während Schwab öffentlich die Auffassung vertritt, dass zu hohe Managergehälter „nicht mehr sozial verträglich“ seien, wurde sein eigenes Jahressalär von rund einer Million Schweizer Franken wiederholt von den Medien thematisiert. Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) reflektierte diese Gehaltshöhe im Zusammenhang mit den laufenden öffentlichen Zuschüssen an das WEF und der Tatsache, dass das Forum keine Bundessteuern zahlt. Die Süddeutsche Zeitung kritisierte, das WEF sei zu einer wie ein Familienunternehmen geführten „Gelddruckmaschine“ geworden. Zudem kritisierte der ehemalige Frankfurter-Allgemeine-Zeitung-Journalist Jürgen Dunsch, dass die Finanzberichte des WEF als Institution unter der Leitung von Klaus Schwab wenig transparent seien, da weder Einnahmen noch Ausgaben aufgeschlüsselt würden…“



    de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Schwab

    kurz - Die größten Kritiker der 🫎 🫎🫎🫎🫎



    Sind im Zweifel - selber welche! Wollnich

    Na Mahlzeit

    ps die Teilnehmerin Panzeruschi -



    La. Tuffa v.d. Lie-ing - Präsi Kommission



    a 🥱& a 🥱



    “Die Kommission? Die mußt dir vorstellen wie‘s



    Stein-Hardenbergsche- Reformkabinett:



    …UND KOMPLETT UNDEMOKRATISCH!“



    a big gun Insider

  • Mit Abschaffung des Kapitalismus macht man sich mehr Feinde als Freunde. Mit feinde meinte ich nicht nur die Reichen mit sondern fast alle Gesellschaftsschichten.

  • Das Erstarken der Sozialstaateen in Westeuropa nach dem Krieg war eine direkte Folge des kalten Krieges. Ohne die Notwendigkeit die Bevölkerung von Frontstaaten wie der BRD ruhig zu stellen, wäre das nie in dem Ausmaß passiert.

  • "Andererseits ist nichts ewig, auch der Kapitalismus steckt in ständiger Transformation"



    Das ist eher ein Argument pro Ewigkeit: Genau diese Tranformationsfähigkeit macht den Kapitalismus so erfolgreich. Was nicht funktioniert, wird geändert.



    Und was die Menschen davon halten, dass es weniger Reiche gibt und dafür im Gegenzug die Nicht-Reichen noch weniger haben, sieht man seit Ewigkeiten an der Abstimmung mit den Füßen.



    Es soll sogar schon Länder gegeben haben, die ihre Bevölkerung eingemauert haben, um sie vor dem bösen Kapitalismus zu schützen...



    Und selbst in diesen Ländern gab es dann natürlich auch wieder Privilegierte mit sehr viel Macht.

    • @Desdur Nahe:

      "Was nicht funktioniert, wird geändert."



      Sorry, aber das ist mir zu allgemein.



      Wer bestimmt denn, was als funktionierend gilt? Und wer bestimmt, was wie geändert werden soll? Speziell in Themenbereichen wie medizinische Versorgung oder erschwingliches Wohnen funktioniert es schon auf irgendeine Art, aber in wessen Interesse? Und mit welchen Nebeneffekten?

      Die Existenz von Kapitalismus ist ja kein absolutes ja/nein-Kriterium. In einigen Lebensbereichen gibt es ihn schon seit Jahrhunderten quasi durchgehend, in anderen Lebensbereichen wurde er zeitweise an (mehr oder weniger) gemeinwohlorientierten Kriterien ausgerichtet. Als Beispiele seien wie gesagt sozialer/genossenschaftlicher Wohnungsbau, medizinische Versorgung erwähnt, aber auch Personenverkehr auf Schienen in Form von Staatsbahnen. Je nach Staatsform und Gesetzeslage variiert das, klar.

      • @vøid:

        "Wer bestimmt denn, was als funktionierend gilt?"

        Eben! Niemand, und das ist ja ein entscheidendes Element des Kapitalismus und seiner Adaptionsfähigkeit.

        Was Parolen wie „Smash Capitalism“ auszeichnet, ist ihr hoher Schwurbel-Faktor. Was ist damit eigentlich gemeint? Die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln? Die Anschaffung des Privateigentums überhaupt? Oder die Abschaffung des Marktes?

        Letzteren gab es allerdings bereits vor dem Kapitalismus, und alle Versuche, ihn irgendwie abzuschaffen, endeten in überbordener Bürokratie und Dikatatur. Mit anderen Worten: sind fürchterlich gescheitert, weil sich gezeigt hat, dass sich Bedürfnisse, Nachfrage und Produktion nicht zentral lenken lassen. Stichwort für die historisch Belesenen: Neue Ökonomische Politk. Alles andere sind Wahnvorstellungen, die letztlich immer darauf hinauslaufen, dass ein allmächtiges und allwissendes Zentralkomitee am besten weiß, was für die Menschen gut ist.

  • "Im frühen 20. Jahrhundert wurde in den USA der Rockefeller-Standard Oil-Konzern zerschlagen."



    Und hat sich anschließend heimlich in vielen anderen Öl-Konzernen neu gegründet. Scheiße findet immer ihren Weg. Da wäre ich weniger opitmistisch. Der Kampf gegen die Oligarchen ist lange nicht vorbei.

  • Natürlich war die Einkommens- und Vermögensverteilung nach dem 2. WK ausgeglichener. Das bringt ein Krieg so mit sich. Sehr viele hatten gleich wenig.