Reform im Modernen Fünfkampf: Zum Wohle der Funktionäre
Der Moderne Fünfkampf reformiert sich gegen den Willen seiner Athletinnen und streicht das Reiten. Was treibt den Weltverband eigentlich an?
D er Moderne Fünfkampf ist ein klarer Fall für „Wetten, dass..?“. Wenn die Sendung vom ZDF ein weiteres Mal exhumiert werden sollte, dann ist es gut möglich, dass eine der Wetten wie folgt lautet: „Der sportbegeisterte Walter Breminger aus Bad Dettelsdorf kann alle Teildisziplinen der olympischen Sportart Moderner Fünfkampf fehlerfrei in der richtigen Reihenfolge aufsagen.“
Auf dem Promisofa werden sich die Daumen senken. Nie und nimmer schafft der das. Niemand weiß genau, was Moderner Fünfkampf ist. Mehr als eine leichte Ahnung von der ehemaligen Offizierssportart, bei der die Teilnehmenden reiten, fechten, schießen, laufen und schwimmen müssen, haben die wenigsten. Seit den Spielen von Tokio, als die deutsche Annika Schleu das scheuende Pferd, das man ihr zugelost hatte, über die Hindernisse prügeln wollte, scheint es fast so, als würden beim Modernen Fünfkampf Medaillen für Tierquälerei vergeben.
Das Bild der verzweifelten Sportlerin, deren Medaillenhoffnungen im Hindernisparcours verpufft sind, ist haften geblieben. Für den olympischen Sport, der es neben dem Fußball hierzulande besonders schwer hat, Aufmerksamkeit zu erregen, ist das ein wahres Desaster. Der bekannteste deutsche Olympiasieger, Alexander Zverev, ist eigentlich nicht vorzeigbar in der Öffentlichkeit, solange nicht die Vorwürfe einer seiner Ex-Freundinnen aufgeklärt sind, nach denen er des Öfteren gewalttätig gegen sie geworden sein soll.
Und dass eine deutsche Silbermedaillengewinnerin wie Emma Hinze behandelt wird wie eine Versagerin, weil man von ihr als dreifacher Weltmeisterin in verschiedenen Sprintwettbewerben mit dem Bahnrad mehr erwartet hatte, gehört auch zu dem kaputten Verhältnis der deutschen Sportöffentlichkeit zu Olympia. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass von Tokio 2021 nicht viel mehr im nationalen Sportgedächtnis haften blieb als die Gertenhiebe von Annika Schleu.
Übergangene Athletinnen
Dass auch sie sich vier Jahre lang auf einen Wettbewerb vorbereitet hat, der ihr alles andere als ewigen Wohlstand eingebracht hätte, selbst wenn sie Gold gewonnen hätte, wird da nur allzu leicht ausgeblendet. Auch die Funktionärsriege des Weltverbands für Modernen Fünfkampf hat an die eigenen Athletinnen als Letztes gedacht, als sie unter dem Eindruck des Image-Desasters von Tokio beschlossen hat, das Reiten aus dem Programm des Modernen Fünfkampfs zu streichen. Olympiasieger Joe Choong hat sich jedenfalls zusammen mit über 650 Fünfkämpferinnen aus der ganzen Welt, die ihrem Ärger in einem offenen Brief Luft gemacht haben, verwundert darüber gezeigt, dass der Verband gar nicht mit den Athletinnen kommuniziert hat, bevor er die Entscheidung getroffen hat.
Empfohlener externer Inhalt
Die Athletinnen wussten, dass Reformen anstehen. Dass die 20 Minuten, die eine Moderne Fünfkämpferin Zeit hat, sich an das ihr zugeloste Pferd zu gewöhnen, zu knapp bemessen ist, war Konsens. Daran hätte man arbeiten können. Auch, dass die Sportlerinnen Pferde mitbringen, die an sie gewöhnt sind, wäre einen Gedanken wert gewesen. Jetzt soll das Reiten durch irgendetwas anderes ersetzt werden. Radfahren vielleicht. Oder was anderes. Irgendwas halt.
Und warum das Ganze? Der Verband, dessen Sportart kaum jemand beschreiben kann, versucht mit allen Mitteln, seinen Platz im olympischen Programm zu sichern. Jetzt soll das Image des Fünfkampfs eben durch die Abschaffung des Reitens wieder aufpoliert werden. Olympische Begeisterung wird das kaum auslösen, den beteiligten Spitzenfunktionären aber immerhin ein paar Schlafplätze in den bei den Spielen für Funktionäre reservierten Luxushotels bescheren. Es werden sich schon Sportlerinnen finden, die mitmachen, was sich die Funktionäre ausdenken. Ob das eine neue Olympiabegeisterung auslösen kann? Wohl kaum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga