Rechtsextreme Montagsdemos: Es brodelt wieder
An Montagsprotesten beteiligen sich vor allem im Osten Tausende, darunter die AfD und andere Rechtsextreme. Der Verfassungsschutz ist in Sorge.
Im Kleinen aber ist die Partei längst dabei. So demonstrierten am Montagabend in Gera Tausende gegen die Energie- und Russlandpolitik der Bundesregierung. Auf der Bühne: Björn Höcke, AfD-Frontmann in Thüringen. Und auch in anderen Ost-Bundesländern mischt die Partei bei den Protesten mit – so wie auch andere Rechtsextreme.
Daneben sind aber auch viele weitere Menschen auf der Straße. So fanden am Montag laut einer taz-Umfrage in den Ländern allein in Sachsen 109 Versammlungen statt, mit 32.130 Teilnehmenden, davon allein in Chemnitz 3.400, in Bautzen 3.250 oder in Zwickau 2.940. In Thüringen waren 19 Demonstrationen mit rund 36.000 Teilnehmern, die größten in Gera mit 9.800, in Altenburg mit 3.800 und Leinefelde mit 2.500. In Sachsen-Anhalt gab es 45 Versammlungen mit 14.600 Teilnehmenden, davon 2.500 in Magdeburg.
Auch in Brandenburg wurde in 35 Städten mit rund 10.500 Teilnehmenden demonstierten, die meisten mit 2.000 waren in Cottbus. Und in Mecklenburg-Vorpommern waren es 27 Aufzüge mit knapp 10.000 Protestierenden, hier allein 3.000 in Schwerin und 1.300 in Wismar.
Rechtsextreme versuchen Proteste zu vereinnahmen
Gemeinsamer Nenner der Proteste war eine Ablehnung der Regierungspolitik – sei es in puncto Russlandsanktionen, Energiepolitik oder Pandemiegeschehen. Wo sich die Organisatoren verorteten, war beim größten Protest in Gera klar: Anmelder war mit Christian Klar ein bekannter Rechtsextremist. Auf der Bühne bediente AfD-Mann Björn Höcke alle völkischen Buzzwords, wetterte über eine „ungebremste Einwanderung“, eine „globale Einheitszivilisation“, über „Konsumfaschisten“ oder ein „Regenbogenimperium“. Die Demonstrierenden lobte er für ihre „ehrliche Vaterlandsliebe“.
Als Redner traten zudem Martin Kohlmann auf, Anführer der rechtsextremen „Freien Sachsen“, und Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtsextremen Compact-Magazins, der ebenfalls einen „heißen Herbst“ beschwor. Die tausenden Teilnehmenden störte dieser rechtsextreme Auflauf offensichtlich nicht. Und Höcke ignorierte damit auch einen Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei mit den „Freien Sachsen“.
Thüringens Verfassungsschutz Stephan Kramer verfolgte das aufmerksam. „Die rechtsextreme Szene versucht sich derzeit konsequent an die Spitze der an sich legitimen Proteste zu stellen“, sagte Kramer der taz. In Thüringen hätten sich neben der AfD auch die NPD, die Splitterpartei „III. Weg“, die „Freien Thüringer“ oder Reichsbürger beteiligt. Und der Montag habe gezeigt, welches Mobilisierungspotential da sei. „Unter den Demonstrierenden herrscht ein sehr hohes Frustrationspotential, das die Rechtsextremen noch weiter anheizen“, warnt Kramer. „Schon heute sind die Wortbeiträge nicht so friedlich, wie die Proteste von sich behaupten. Und ich gehe davon aus, wir haben noch nicht alles gesehen.“ Der Verfassungsschutz werde dies „sehr genau im Blick behalten“.
Auch in Brandenburg notiert der Verfassungsschutz, dass die AfD die Proteste mitanfache, zusammen mit Compact oder dem rechtsextremen Verein „Zukunft Heimat“. Auch die NPD und der „III. Weg“ mischten mit. Ihnen gehe es darum, die Themen und Menschen „für ihre verfassungsfeindlichen Ziel zu missbrauchen“, so ein Sprecher zur taz. Ziel sei es, neue Anhänger zu rekrutieren und die Demokratie zu destabilisieren, „dies mit Kapagnen, deren Urheber in Russland sitzen“. Insgesamt seien die Zahlen aber noch weit von denen der Corona-Proteste im vergangenen Winter entfernt.
Auch in Sachsen verweist der Verfassungsschutz auf die Beteiligung vor allem der „Freien Sachsen“ an den Protesten. So würden diese in Plauen, die Demonstration direkt organisieren. Andererorts würden sie zu den Protesten mobilisieren oder seien mit Info-Ständen oder Rednern präsent. „Es geht diesen rechtsextremistischen Akteuren nicht um die Ängste und Sorgen der Menschen“, warnt auch Sachsens Verfassungsschutz Dirk-Martin Christian. „Diese sind und bleiben für Rechtsextremisten lediglich Mittel zum Zweck. Ihr Ziel ist die Abschaffung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung – also das genaue Gegenteil von dem, wofür die Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind.“
In Mecklenburg-Vorpommern konstatiert der Verfassungsschutz ebenso, dass der größte Teil der Protestierenden zwar „aus der Mitte der Gesellschaft“ komme. In Ludwigslust aber, wo sich am Montag 900 Teilnehmende zusammenfanden, mische auch die rechtsextreme Kreistagsfraktion „Heimat und Identität“ mit. Andererorts würden Politiker:innen als „Volksverräter“ beschimpft oder „Spaziergänge“ bewusst an ihren Wohnhäusern vorbeiführen, um diese einzuschüchtern. In Rostock ertönte zuletzt der Ausruf „Scholz an die Wand“. Und auch das Landesamt konstatiert, dass einige Protestierende „einen Zusammenbruch der politischen Ordnung herbeisehnen“.
AfD gewinnt an Zuspruch
Solche Töne gab es am Montag auch erneut in Sachsen. Nach seinem Auftritt in Gera trat am Abend der Rechtsextremist Martin Kohlmann noch in Planen auf. In Chemnitz, Dresden und in anderen Städten mischte die AfD mit.
Auch in Leipzig demonstrierte laut Polizei eine niedrige vierstellige Zahl an Menschen für „Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“ – ihre Zahl steigt seit Monatsbeginn stetig an. Deutschland- und Russlandfahnen wehten, auch welche der „Freien Sachsen“. Hier gab es diesmal allerdings Widerstand. Laut Veranstalter:innen waren es gut 5.000, einige blockierten stellenweise den rechten Aufzug. Ihr Motto: „Legida 2.0 verhindern“. Tatsächlich musste der rechte Aufzug mehrmals gestoppt oder umgeleitet werden, auch die Abschlusskundgebung wurde verlegt. „Das Platznehmen hat heute an ganz, ganz vielen Stellen geklappt“, freute sich Irena Rudolph-Kokot, Sprecherin des Gegenprotests.
Dieser Gegenprotest könnte auch die AfD am Samstag in Berlin erwarten. Drei Gegenveranstaltungen sind hier bisher angemeldet, die Partei rechnet für sich mit 4.000 Teilnehmenden. Ein Protesterfolg bleibt damit abzuwarten. In Umfragen zahlt sich die Krise für die AfD aber bereits aus. Im Bund liegt sie wieder bei 14 Prozent. Und in Niedersachsen, wo am Sonntag gewählt wird, sind es 11 Prozent.
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