piwik no script img

Rechtsextreme MontagsdemosEs brodelt wieder

An Montagsprotesten beteiligen sich vor allem im Osten Tausende, darunter die AfD und andere Rechtsextreme. Der Verfassungsschutz ist in Sorge.

Wenig versöhnlich: Protest in Gera am Montag zum Tag der Deutschen Einheit Foto: Bodo Schackow/dpa

Leipzig/Berlin taz | Am Samstag will die AfD zum Protestaufschlag ausholen. „Preisexplosion stoppen“ lautet ihr Aufruf zur „Großen Demonstration“ in Berlin. Und: „Deutschland zuerst“. Auf der Bühne stehen soll die erste Reihe der Partei, die AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel. Es ist der Versuch der Rechtsextremen, den „Heißen Herbst“ jetzt auch ganz offiziell von rechts mit anzuheizen.

Im Kleinen aber ist die Partei längst dabei. So demonstrierten am Montagabend in Gera Tausende gegen die Energie- und Russlandpolitik der Bundesregierung. Auf der Bühne: Björn Höcke, AfD-Frontmann in Thüringen. Und auch in anderen Ost-Bundesländern mischt die Partei bei den Protesten mit – so wie auch andere Rechtsextreme.

Daneben sind aber auch viele weitere Menschen auf der Straße. So fanden am Montag laut einer taz-Umfrage in den Ländern allein in Sachsen 109 Versammlungen statt, mit 32.130 Teilnehmenden, davon allein in Chemnitz 3.400, in Bautzen 3.250 oder in Zwickau 2.940. In Thüringen waren 19 Demonstrationen mit rund 36.000 Teilnehmern, die größten in Gera mit 9.800, in Altenburg mit 3.800 und Leinefelde mit 2.500. In Sachsen-Anhalt gab es 45 Versammlungen mit 14.600 Teilnehmenden, davon 2.500 in Magdeburg.

Auch in Brandenburg wurde in 35 Städten mit rund 10.500 Teilnehmenden demonstierten, die meisten mit 2.000 waren in Cottbus. Und in Mecklenburg-Vorpommern waren es 27 Aufzüge mit knapp 10.000 Protestierenden, hier allein 3.000 in Schwerin und 1.300 in Wismar.

Rechtsextreme versuchen Proteste zu vereinnahmen

Gemeinsamer Nenner der Proteste war eine Ablehnung der Regierungspolitik – sei es in puncto Russlandsanktionen, Energiepolitik oder Pandemiegeschehen. Wo sich die Organisatoren verorteten, war beim größten Protest in Gera klar: Anmelder war mit Christian Klar ein bekannter Rechtsextremist. Auf der Bühne bediente AfD-Mann Björn Höcke alle völkischen Buzzwords, wetterte über eine „ungebremste Einwanderung“, eine „globale Einheitszivilisation“, über „Konsumfaschisten“ oder ein „Regenbogenimperium“. Die Demonstrierenden lobte er für ihre „ehrliche Vaterlandsliebe“.

Als Redner traten zudem Martin Kohlmann auf, Anführer der rechtsextremen „Freien Sachsen“, und Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtsextremen Compact-Magazins, der ebenfalls einen „heißen Herbst“ beschwor. Die tausenden Teilnehmenden störte dieser rechtsextreme Auflauf offensichtlich nicht. Und Höcke ignorierte damit auch einen Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei mit den „Freien Sachsen“.

Thüringens Verfassungsschutz Stephan Kramer verfolgte das aufmerksam. „Die rechtsextreme Szene versucht sich derzeit konsequent an die Spitze der an sich legitimen Proteste zu stellen“, sagte Kramer der taz. In Thüringen hätten sich neben der AfD auch die NPD, die Splitterpartei „III. Weg“, die „Freien Thüringer“ oder Reichsbürger beteiligt. Und der Montag habe gezeigt, welches Mobilisierungspotential da sei. „Unter den Demonstrierenden herrscht ein sehr hohes Frustrationspotential, das die Rechtsextremen noch weiter anheizen“, warnt Kramer. „Schon heute sind die Wortbeiträge nicht so friedlich, wie die Proteste von sich behaupten. Und ich gehe davon aus, wir haben noch nicht alles gesehen.“ Der Verfassungsschutz werde dies „sehr genau im Blick behalten“.

Auch in Brandenburg notiert der Verfassungsschutz, dass die AfD die Proteste mitanfache, zusammen mit Compact oder dem rechtsextremen Verein „Zukunft Heimat“. Auch die NPD und der „III. Weg“ mischten mit. Ihnen gehe es darum, die Themen und Menschen „für ihre verfassungsfeindlichen Ziel zu missbrauchen“, so ein Sprecher zur taz. Ziel sei es, neue Anhänger zu rekrutieren und die Demokratie zu destabilisieren, „dies mit Kapagnen, deren Urheber in Russland sitzen“. Insgesamt seien die Zahlen aber noch weit von denen der Corona-Proteste im vergangenen Winter entfernt.

Auch in Sachsen verweist der Verfassungsschutz auf die Beteiligung vor allem der „Freien Sachsen“ an den Protesten. So würden diese in Plauen, die Demonstration direkt organisieren. Andererorts würden sie zu den Protesten mobilisieren oder seien mit Info-Ständen oder Rednern präsent. „Es geht diesen rechtsextremistischen Akteuren nicht um die Ängste und Sorgen der Menschen“, warnt auch Sachsens Verfassungsschutz Dirk-Martin Christian. „Diese sind und bleiben für Rechtsextremisten lediglich Mittel zum Zweck. Ihr Ziel ist die Abschaffung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung – also das genaue Gegenteil von dem, wofür die Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind.“

In Mecklenburg-Vorpommern konstatiert der Verfassungsschutz ebenso, dass der größte Teil der Protestierenden zwar „aus der Mitte der Gesellschaft“ komme. In Ludwigslust aber, wo sich am Montag 900 Teilnehmende zusammenfanden, mische auch die rechtsextreme Kreistagsfraktion „Heimat und Identität“ mit. Andererorts würden Po­li­ti­ke­r:in­nen als „Volksverräter“ beschimpft oder „Spaziergänge“ bewusst an ihren Wohnhäusern vorbeiführen, um diese einzuschüchtern. In Rostock ertönte zuletzt der Ausruf „Scholz an die Wand“. Und auch das Landesamt konstatiert, dass einige Protestierende „einen Zusammenbruch der politischen Ordnung herbeisehnen“.

AfD gewinnt an Zuspruch

Solche Töne gab es am Montag auch erneut in Sachsen. Nach seinem Auftritt in Gera trat am Abend der Rechtsextremist Martin Kohlmann noch in Planen auf. In Chemnitz, Dresden und in anderen Städten mischte die AfD mit.

Auch in Leipzig demonstrierte laut Polizei eine niedrige vierstellige Zahl an Menschen für „Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“ – ihre Zahl steigt seit Monatsbeginn stetig an. Deutschland- und Russlandfahnen wehten, auch welche der „Freien Sachsen“. Hier gab es diesmal allerdings Widerstand. Laut Ver­an­stal­te­r:in­nen waren es gut 5.000, einige blockierten stellenweise den rechten Aufzug. Ihr Motto: „Legida 2.0 verhindern“. Tatsächlich musste der rechte Aufzug mehrmals gestoppt oder umgeleitet werden, auch die Abschlusskundgebung wurde verlegt. „Das Platznehmen hat heute an ganz, ganz vielen Stellen geklappt“, freute sich Irena Rudolph-Kokot, Sprecherin des Gegenprotests.

Dieser Gegenprotest könnte auch die AfD am Samstag in Berlin erwarten. Drei Gegenveranstaltungen sind hier bisher angemeldet, die Partei rechnet für sich mit 4.000 Teilnehmenden. Ein Protesterfolg bleibt damit abzuwarten. In Umfragen zahlt sich die Krise für die AfD aber bereits aus. Im Bund liegt sie wieder bei 14 Prozent. Und in Niedersachsen, wo am Sonntag gewählt wird, sind es 11 Prozent.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Oh. Die Ossis demonstrieren also mal wieder für Friede, Freude und Eierkuchen. Gääääähn ...

  • Russland zuerst,das ist deren nicht laut ausgesprochenes Motto. Gab es früher eine von Mordor befehligte Komintern,so ist`s heute eine von Mordor gesteuerte Rechtsinternationale. Es gab auch bei den Nazis und anderen Rechten,bspw in der Reichswehr, vor 33 so einige Sympathie für Russland.

    • @thgomas weigle:

      Wir leben aber in einer vernetzen, globalisierten Welt. Wie soll das klappen, wenn jeder schreit: Ich first! Das gibt Gedränge, den 3 Weltkrieg. Derweil schreitet die Klimakatasrophe munter voran und die Natur gewinnt den Krieg, den die Menschen ihr spätestens seit der industriellen Revolution aufgezwungen haben

  • Wir brauchen Unterstützung bei den Gegendemos. Leider fehlt uns durch den Wegzug aller Abiturienten jedes Jahr genau die Bevölkerungsgruppe junger Leute die bei solchen Demos normalerweise aktiv sind. Wenn nur ein Bruchteil der Wir sind mehr Demonstranten aus Berlin auch bei uns auflaufen würden, könnten wir auch mal ein klares Zeichen setzen. So stehen wir wieder als kleines Grüppchen der 10-fachen Menge an Faschos und sächsischer Polizei, Übergänge teilweise fließend, gegenüber.

  • Tatsächlich, der Verfassungsschutz ist in Sorge? Zum Glück gilt da heute der gesellschaftlich-mediale Grundsatz: Allet Nazis, außer icke!

  • 6G
    650228 (Profil gelöscht)

    "dies mit Kapagnen, deren Urheber in Russland sitzen“.

    Klingt ohne konkrete Namen und Fakten schon ziemlich nach staatlich propagierter Verschwörungstheorie. Karten auf den Tisch!

    • @650228 (Profil gelöscht):

      Die Formulierung deutet eine aktive Steuerung der Kampagnen an. Das ist wohl übertrieben, zumindest aktuell nicht belegt.

      Dass von Russland bereits um die 10 Jahre lang aktiv Narrative und Fake-News verbreitet werden (bis vor Kurzem sogar zum Teil noch hochoffiziell geduldet über Russia Today), ist allerdings schon lange bekannt.

      Diese werden von den rechten Netzwerken dankbar weiterverbreitet, da denen genauso an Angst und Chaos gelegen ist wie Putler.

      Aktive finanzielle Unterstützung rechtspopulistischer Bewegungen in Europa ist allerdings auch an mehreren Stellen belegt. Von daher ist der Gedanke auch nicht komplett aus der Luft gegriffen.

  • "Gemeinsamer Nenner der Proteste war eine Ablehnung der Regierungspolitik – sei es in puncto Russlandsanktionen, Energiepolitik oder Pandemiegeschehen."

    Ganz schlimm - Regierungskritik ist nur dann legitim, wenn sie von Regierungsanhängern kommt ;)

  • "Verfassungsschutz in Sorge", das kann ja wohl nicht wahr sein. Der Arzt ist in Sorge, dass er einem Kranken helfen muss. Die Polizei ist in Sorge, dass sie Streit schlichten muss, notfalls mit Gewalt. Die Lehrkraft ist in Sorge, dass Kinder nicht lernen wollen. Gehts noch??

    • @Sarg Kuss Möder:

      Ein guter Arzt sorgt sich, wenn es einem Patienten schlechter geht.



      Ein Lehrer sorgt sich, wenn Schüler nachlassen.



      Polizisten sorgen sich, wenn die Gewalt wächst.



      Geht also.

  • Zu den Demonstranten - frei nach Selensky

    Versteht ihr es noch immer nicht? Versteht ihr noch immer nicht, wer wir sind? Wofür wir stehen? Was wir wollen?

    Hört mir zu: Ohne Benzin oder ohne euch? Ohne euch. Ohne elektrisches Licht oder ohne euch? Ohne euch. Ohne Wasser oder ohne euch? Ohne euch. Ohne Nahrung oder ohne euch? Ohne euch.

    Kälte, Dunkelheit, Hunger und Durst sind nicht so erschreckend wie euer angeblicher Patriotismus und eure Jämmerlichkeit. Aber die Geschichte wird es richten: Wir werden alles haben, Benzin, Licht, Wasser, Nahrung ... (hoffentlich dann) ohne euch!

    • @Aflyer:

      Da viele von denen Corona leugnen und ungeimpft sind, wird es schon im Frühjahr tatsächlich weniger von denen geben.

      Klingt zynisch, ist aber so. Sachsen hat nun zwei Jahre hintereinander die höchste Covid-Todesrate Deutschlands gehabt - und hat immer noch die niedrigste Impfquote.

    • @Aflyer:

      Na dann mal viel Vergnügen. Anstatt irgendein Statement aufzuschreiben, würde mich eine dialektische Analyse zu Ursachen und Gründen tatsächlich interessieren, um an den Ursachen "zu drehen". Soweit ich mich erinnere, gab es Ende der 80iger/Anfang der 90iger weder AFD, noch Proteste, die von rechtsgerichteten Parteien bzw. Bewegungen mitgetragen wurden. WAS hat sich geändert. Fakten zu konstatieren, Statements zu verfassen, ist keine Kunst. WARUM fällt ein Links gerichtetes Land nach dem anderen um?..... Ohne Euch, ist nur wenig hilfreich.

      • @Leningrad:

        Ende der 80er / Anfang der 90er gab es hierzulande NPD, Reps, DVU etc. pp. Oder anders gesagt: Gar nichts hat sich geändert, abgesehen vom Namen der "parlamentatrschen Vetretung" der Braunen.



        Und ist ja immer noch besser, die Leute gehen zum "Montagsmarsch", statt - wie damals - Häuser anzusteken, und die Möchte-Gern-Mörder zu bejubeln und beklatschen, nicht?

      • @Leningrad:

        Anfang der 90er gab es sogar eine sehr deutliche Welle des Rechtsextremismus in Deutschland, Vorgänge in der damaligen Größenordnung haben wir derzeit zumindest noch nicht. Zwischenzeitlich glaubte man sich auf einem guten Weg...



        de.wikipedia.org/w...stock-Lichtenhagen

        Sicher läuft im Westen nicht alles blendend. Die beiden größten Probleme sind die immer weiter aufgehende soziale Schere und die Fake-News bevorteilenden Algorithmen der sozialen Medien (haupts. Facebook/Meta und Youtube).

        In Russland gibt es staatlich verordnete reine Fake-News und eine komplette Kleptokratie, in der noch weniger Personen noch mehr des Kuchens gehört. Die Gleichschaltung der Medien und brutalste Unterdrückung von Kritik macht es überhaupt erst möglich, einen solchen Angriffskrieg zu führen.

      • @Leningrad:

        Ich sehe momentan hauptsächlich 2 Länder umfallen.



        Eins davon hauptsächlich, weil es "geographisches Pech" hat.

        • @Co-Bold:

          Frankreich, Schweden, Dänemark, Ungarn, Polen..... Das sind schon mal deutlich mehr als zwei.